The storm has lifted
Quiet but an undertow is lingering behind
I’m in the water looking down
Ice cold clarity
And it is nothing new for you to float out
From the depths, from the deep,
Just to prove that I’ll never be free from you
Night after night
Year after year
I weed you out, again, again
You grow in my mind
Night after night
I weed you out again, again
And I wish for flood
I wish for drought
I try to pull the root but you keep growing
(Siv Jakobsen – Gardening)
Ein Album, so ungefiltert, dass man es schwer aushält. Das sagt die norwegische Singer-Songwriterin Siv Jakobsen über ihre aktuelle Platte Gardening, die am 20. Januar via The Nordic Mellow erschienen ist. Und man glaubt es ihr sofort. Schon der hochgelobte Vorgänger A Temporary Soothing aus 2020 bot intime Reflektionen und emotionalen Indie-Folk. Gardening ist – wie so viele Alben der letzten Monate und Jahre – ein Produkt der Pandemiebedingungen, die Jakobson nach Hause nach Oslo zwang, sie dort gemeinsam mit ihren Erinnerungen festhielt, aber auch Zeit bot, das Album nicht im Schnellverfahren, sondern über einen Zeitraum von über sechs Monaten aufzunehmen. Den Aufnahmeprozess begleitet und geprägt haben die Osloer Simen Mitlid und Hans Olav. Und so konnte sich Jakobson sanft und auf natürliche Weise ihren Liedern über eine schwierige und destruktive Beziehung widmen, dessen Erinnerungen sie einholten als sie in ihrer ehemaligen Heimat festsaß und ihren Körper auf die Flashbacks reagieren ließ. Gardening klingt wie ein ausgiebiger Gedankenprozess: nah, ungeschönt und musikalisch wunderbar kunstvoll.
Die Platte beginnt mit dem Opener Small und den Worten „Pulled along by an invisible string / Tied around my throat and gnawing at my skin / Now I can’t even sing anymore / I’ve closed that door, you win”. Angefangen mit klassischem Folk-Gitarrensound entwickelt es sich zu einer Vorhersage über das gesamte Album und endet mit Vogelgezwitscher, spacigem Hintergrund, verwischtem Rauschen. Die große Instrumentierung des Albums trägt durch die Songs und scheint über Liedergrenzen hinweg zu fließen. Jakobsen kontaktierte die in Brighton ansässigen Musiker:innen Emma Gatrill (This Is The Kit, Nick Cave, Lucy Rose) und Marcus Hamblett (Laura Marling, James Holden, The Staves), denen sie freie Hand in ihrer Arbeit ließ. Und so fügen sich feine Momente der Hoffnung in Form der Instrumentierung in die bewegenden Texte. Schlaglichter in dieser Hinsicht sind Romain’s Place – einem Stück über das Aufwabern längst verdrängter Erinnerungen an Wut, laute Streits und Angst: „How am I back here again, afraid again“ – und den letzten Track The Bay. Die persönliche Ich-Perspektive verlässt Jakobsen für die Tracks Tangerine und Blue. Die Narrative der Hilflosigkeit und Verzweiflung bleiben. Hängen bleibt man auch beim Titeltrack Gardening. Einem Stück über den ewigen Kreislauf unwillkommener Gedanken. Jakobsen verspricht auch hier kein sauberes oder glückliches Ende.
Interessanterweise sind es die leichteren Tracks wie Sun, Moon, Stars und Tangerine, die am wenigsten nachhallen.
Jakobsens Songwriting beschert immer wieder widersprüchliche spannende Momente. Eingelullt in die Schönheit der Melodie, der Gitarren, Hörner und Streicher ziehen die erdrückenden Texte vorbei und legen bei genauem Hinhören eine bedrohliche Wolke über die wunderbare Ruhe. Diese Dualität macht Gardening zu einem wunderbaren Kunstwerk zum Immer-Wieder-Hören.
Siv Jakobsen – Gardening
VÖ: 20. Januar 2023, The Nordic Mellow
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Siv Jakobsen Tour:
14.02.23 Köln, Die Wohngemeinschaft
21.02.23 Berlin, Prachtwerk
22.02.23 Hamburg, Mojo Club