Foto-© Anouck Bertin
I’m in love with the darkness
It’s just a sound
Nothing wrong with some sadness
It’s just a sound
(M83 – Amnesia)
Fast vier Jahre nach ihrem letzten Album melden sich M83 mit gewohnt triumphal-verträumten Synth-Fanfaren zurück. Fantasy, der neunte Longplayer der französischen Electronic-Band, bietet große Gefühle, ätherische Soundtexturen und eine ambitionierte, hochintensive Atmosphäre – genau das, wofür die Fans die Gruppe um Mastermind, Sänger und Songwriter Anthony Gonzalez lieben.
Getragen wird das Album von einer Stimmung, die zwischen melancholisch und erhebend wechselt, introspektiven Klangwänden und epischen Synth-Crescendos, die auf die Hörer*innen einbrausen wie Wellen am Meer. Darin offenbart sich Gonzalez’ erklärtes Ziel, mit seiner Musik Bilder von fremden, neuen, besseren Welten zu erschaffen und Emotionen zu erzeugen, die im Alltag oft untergehen. Dabei geht es aber nicht nur um simple Realitätsflucht, sondern eher das Einfangen von Gänsehautmomenten und die musikalisch-künstlerische Einladung in einen alternativen, mystischen und überlebensgroßen Kosmos, in den die Hörer*innen eintauchen und sich mitreißen lassen können. Nach 23 Jahren Bandgeschichte ist die Marke von Gonzalez’ evokativem und ergreifendem Dream Pop so ausgeprägt und etabliert, dass es nicht weiter verwundert, wie oft die Musik von M83 in Filmen und Serien verwendet wird (z. B. Warm Bodies, Divergent, Under the Dome etc.), um Momente von großen Gefühlen, Leidenschaft und Bewegtheit einzufangen.
So auch auf Fantasy: Der Opener Water Deep erinnert mit seinem verträumten und stimmungsvollen Shoegaze-Akustik-Intro an die stillen Zwischentöne von The xx oder God Is An Astronaut, bevor sich die für M83 typische epische Synth-Traumlandschaft über den Song ergießt wie das Gold eines Sonnenuntergangs. Die vorab veröffentlichte erste Single Oceans Nigiri ist eine instrumentale, treibende Uptempo-Postrock-Nummer im Stil von Mogwai, melancholisch und hymnisch. Amnesia klingt mit seinen romantisch-sehnsüchtigen Motiven und dem 80ies-Einschlag ein bisschen wie The Smiths, nur ohne Zynismus und dafür mit mehr entspannter Sentimentalität.
Balladen wie Us And The Rest erinnern mit ihrem Aufbau – minimalistischer Anfang und dann Build-Up zu einem bombastischen Finale – an M83-Klassiker wie My Tears Are Becoming A Sea. Das taufeucht-schwelgerische Laura beschwört Bilder eines kühlen Sommermorgens herauf. Ruhigere, meditative Tracks wie Radar, Far, Gone und das mysteriöse Deceiver sind perfekte Rausschmeißersongs, die am Ende einer Party laufen könnten und einen sanft in den Schlaf begleiten. Auf der zweiten Albumhälfte wagt sich die Band auch in experimentellere Gefilde: Der Titeltrack Fantasy baut mit seinen Choral-Gesängen eine ehrfürchtige Stimmung auf, bevor er in eine Progressive-Rock-Nummer mit Genesis-Anklängen umschlägt, und Sunny Boy überrascht mit seinen verschmitzten Chiptune-Einschlägen.
Fantasy liefert genau das, was der Titel verspricht: Eine Fantasie, einen sehnsüchtigen Ausflug in eine tiefere, fantastischere Welt, in eine schwelgerische Atmosphäre voller Nostalgie und epischer Gänsehaut-Momente. Alle Songs fließen vor sich hin und ineinander über, was aber nicht stört. Es geht auch weniger um das Erschaffen klarer, separater Tracks mit eigenen Geschichten als vielmehr um eine große Gesamterzählung, ein poppig romantisch-erhebendes Stimmungsbild, das den Alltag ein bisschen größer, mystischer, intensiver und echter macht und eine Art Schönheit in der Traurigkeit findet. Dadurch dürfte Fantasy der perfekte Soundtrack für laue Sommerabende und das Hineinträumen in die Sonnenuntergänge werden.
M83 – Fantasy
VÖ: 17. März 2023, Virgin Music
www.ilovem83.com
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