Foto-© Highway Films
Once upon a time, she lost her mind and tried to murder me.
(Alex – Sissy)
Cecilia (Aisha Dee) feiert als Influencerin “Sincerely Cecilia” ihren 200.000 Follower, während sie offline den Kampf gegen den normalen Alltag mehr schlecht als recht meistert. Beim Einkaufen trifft sie nach über 10 Jahren überraschend auf ihre alte Schulfreundin Emma (Hannah Barlow), die sie überschwänglich auf ihr Junggesellinnen-Wochenende einlädt. Auf der abgelegenen Villa trifft sie mit Alex (Emily De Margheriti) jedoch auch auf eine weit weniger erfreuliche Bekanntschaft aus der Schulzeit. Im Laufe des Wochenendes verhärten sich die Fronten, bröckeln die Fassaden und alte wie neue Wunden werden aufgerissen.
Australische Filme finden eher selten den Weg nach Deutschland. Somit ist es natürlich zu begrüßen, dass es mit Sissy gerade ein kleiner Indie-Genrefilm geschafft hat. Andererseits ist der Film bis auf zwei überfahrene Kängurus in Botschaft, Setting und Inhalt so universell tauglich, dass der Exotenbonus eigentlich entfällt. Dafür steckt jedoch eine dicke Extraportion (Herz-)Blut in dem Projekt. Mit Kane Senes und Hannah Barlow teilen sich zwei Regisseur:innen ihr Spielfilmdebüt und sind im Gegenzug dann so mutig zu dem halben, noch einen weiteren kompletten Job zu übernehmen. Kane Senes ist zusätzlich ausführender Produzent, Hannah Barlow übernimmt mit dem Part von Emma gleich die zweite Hauptrolle. Wer jetzt noch daran zweifelt, dass es sich hierbei um ein sehr persönliches Projekt handelt – die beiden haben wie so oft bei Regiedebüts auch das Drehbuch selbst geschrieben. Barlow schießt dabei jedoch den Vogel ab und singt auch noch den sehr passenden Song des Abspanns: An Ode to Narcisa. Bei so viel persönlichem Engagement überrascht dann, dass es gerade die Charaktere des Films sind, zu denen es leider extrem schwer ist, eine Beziehung oder Verständnis aufzubauen. Einerseits ist Cecilia toxische Positivität so übersteuert, dass von der ersten Szene an klar ist, dass etwas nicht stimmt. Andererseits sind Emmas andere Freunde wiederum dermaßen passiv und aktiv aggressiv, dass neben einer offenen Konfrontation kaum ein Lösungsweg offen steht. Lässt man sich darauf ein, liegt jedoch genau hier auch die Stärke des Films. Man wird als Zuschauer gezwungen mit Sissy, alle Erniedrigungen zu ertragen und wegzulächeln, bis es unweigerlich nicht mehr geht. Dass eine offene Konfrontation entweder in Form eines Tabula rasa Gesprächs oder vielleicht besser noch, in dem man diese „Freundschaften“ aufgibt und sich neue, echte Freunde sucht, die bessere Lösung als der dritte Akt des Films ist, wird spätestens nach der Sichtung niemand anzweifeln.
Somit steckt in dem konstant psychisch und streckenweise auch physisch brutalen Film zwar eine gute Botschaft, aber leider kein sehr unterhaltsamer Film. Die farblich und emotional überzeichnete Influencer-Ästhetik mag zum Thema passen, ist aber auf gut 100 Minuten zusätzlich zum ohnehin schwierigen Thema und nicht ganz überzeugendem Schauspiel sehr zehrend. Ähnlich wie Cecilias „Channel“ – eher gut gemeint als gut gemacht.
Sissy (AUS 2022)
Regie: Hannah Barlow, Kane Senes
Besetzung: Aisha Dee, Hannah Barlow, Emily De Margheriti, Yerin Ha, Lucy Berrett, Daniel Monks
Heimkino VÖ: 23. Februar 2023, Plaion Pictures