Foto-© Jordan Hemingway
You’re still a friend of mine
We met on Chapman and Catalina
And you’re always so fly
But you can’t start a war just for the feeling
(Yves Tumor – Lovely Sewer)
Experimenteller Sound zwischen Rock, Punk und elektronischen Klängen – gepaart mit einer Bildsprache zwischen Mystik, queerem Horror und 70er Glam. Das neue Album des US-amerikanischen Künstlers Yves Tumor ist ein liebevoll zusammengesetztes Mosaik aus bizarren Bildern, großen Gefühlen und Anspielungen auf die Großen der Rock-Geschichte.
Der Album-Opener God Is A Circle kommt mit kreischendem, gestottertem Fiepen und hektischem, ekstatischem Atmen daher und mündet in den Industrial-Rock-Sound, den wir schon von Tumors Vorgänger-Album Heaven To A Tortured Mind kennen. Der Song ist ein stabiler Einstieg, setzt jedoch keinesfalls den Ton für den Rest des Albums, denn hier beweist Tumor wieder einmal größte Vielseitigkeit. Gleich der nächste Song, Lovely Sewer, trägt uns mit melancholischen Harmonien und sehnsüchtigen Lyrics über eine unerfüllte Liebe über der monotonen Bassline ganz weit weg und liefert uns irgendwo zwischen Bridge und Refrain von Meteora Blues wieder ab. Diese Kunst beherrscht Yves Tumor: bei jedem neuen Track ist man gespannt, was einen nun wieder Aufregendes erwartet.
Heaven Surrounds Us Like A Hood erinnert vom Sound eher an die Gitarrenmusik der 70er Jahre, gemischt mit düsteren Pop-Punk-Melodien und einer creepy Kinderstimme, die über den Tod singt – alles ganz entspannt. Bei Echolalia hingegen nimmt der Song die Form eines Heavy-Rock-Songs an, bevor er sich in eine zitternde Ballade verwandelt. Fear Evil Like Fire verwandelt sich auf ähnliche Weise, klingt hier und da tatsächlich sehr poppig und zeugt von Tumors Fähigkeit, in gefühlvollen Stimmlagen zu singen, die unter die Haut gehen, ohne, dass die enorme Bildsprache zu cringe wird: „Heaven is a place that we all have / We watch the city vibrate“
Produziert wurde Tumors neues Album von Noah Goldstein, der bereits mit Frank Ocean, Rosalía, Drake, Rihanna und Bon Iver zusammenarbeitete, für die Abmischung verantwortlich ist Alan Moulder (My Bloody Valentine, Nine Inch Nails). Und Tumors Sound funktioniert natürlich immer zusammen mit seiner Ästhetik: das Video zu Echolalia ist zum Beispiel im klassischen Horrorfilm-Look mit Titelsequenz und Vorspann gehalten, ein blutüberströmter Yves Tumor rammt seinem eigenen Alter Ego einen überdimensionierten Nagel in die Brust. Das Video zu Heaven Surrounds Us Like A Hood kommt gleich im 4:3 Format daher und überfordert die Zuschauer:innen mit grellem Neon und stroboartigen Lichteffekten. Dabei sprengt Tumor immer wieder die Grenzen erwartbarer Geschlechterverhältnisse, spielt mit seiner eigenen Identität und seinen angedeuteten Alter Egos, ganz in der Tradition von David Bowie oder Prince, mit denen Tumor bereits oft verglichen wurde.
Die zwölf Tracks auf Praise a Lord Who Chews But Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds) sind mal ein Ausflug in klassische Industrial-Rock-Klänge (In Spite of War), mal psychedelisch angehauchte Liebeserklärungen an seine eigene Ambiguität. Tumor verschiebt, verändert und spielt mit den Grenzen seiner eigenen Spielwiese wie aktuell kaum ein anderer Künstler. Man darf gespannt sein, was als nächstes kommt – und wie die Welt- und Festivaltour aussehen wird, die in wenigen Wochen mit einer Show beim Coachella beginnt.
Yves Tumor – Praise a Lord Who Chews But Which Does Not Consume; (Or Simply, Hot Between Worlds)
VÖ: 17. März 2023, Warp
www.yvestumor.info
www.facebook.com/yvestumor
Yves Tumor live:
17.11.23 Berlin, Huxleys