Foto-© Melissa Gamache
Such sweetness, sweetness you give
To all parts of my heart
Patience like evolution evolving
Into love
(Braids – Evolution)
Umgeben von experimentierfreudiger Komposition und Klängen entpuppen sich Themen wie Liebe und Heilung als das zentrale Herzstück von Euphoric Recall – dem mittlerweile fünften Studioalbum der kanadische Band Braids, bestehend aus Sängerin Raphaelle Standell-Preston sowie den Multi-Instrumentalisten Austin Tufts und Taylor Smith. Im Studio Toute Garnie in Montreal geschrieben, aufgenommen und von dem Trio selbst produziert, fragen die insgesamt acht Songs nach den Auswirkungen von Liebe und Sicherheit auf unser tägliches Leben und Handeln. Feinste experimentelle Popsongs mit Ambient-Elementen treffen hier auf die Texte von Standell-Preston, die sich durch eine besondere Direktheit auszeichnen und der Musik so eine zusätzliche Energie und Melodik verleihen.
Emotionale Ehrlichkeit und ein minutiöses Geschick im Songwriting und Produktion gehen hier Hand in Hand und schaffen eine zeitgenössische Mischung aus experimentellem Pop, die sich innerhalb eines Songs so unglaublich vielfältig und wandelbar zeigen kann, dass man denkt, man hätte schon das halbe Album in nur zwei Minuten Spielzeit eines Tracks gehört. Der Opener Supernova etwa führt die Hörer*innen in eine düstere Atmosphäre ein, in der melancholische Electronica auf gedoppelte Vocals, verzerrte Gitarren und vertrackte Beats treffen. Immer wieder gibt es aber auch mal Einschübe aus einem Streicher-Ensemble, die Stimmung wird heiterer und Standell-Prestons Stimme zeigt sich wandelbar und kraftvoll. Songs wie Evolution vermitteln ein wunderbar leichtes Gefühl in der Magengrube, wenn ein dezenter Dance-Beat auf Synthie-Riffs, Claps und repetitive Gesangs-Fragmente trifft. Hier hören wir einen ruhigen, aber angenehm hibbeligen Track über Geduld als Weg zur Liebe: “Such sweetness, sweetness you give to all parts of my heart / Patience like evolution evolving into love”
Left Right liefert einen interessanten Soundmix aus beruhigenden Klaviermelodien und fast schon außerweltlichen Beats zu Beginn. Die auch hier zum Einsatz kommenden Streicher-Arrangements aus Cello, Bratsche und Geigen sind dabei federleicht, und Standell-Preston zeigt erneut ihr vielseitiges Talent als Sängerin auf beeindruckende Weise, wenn die Töne auch mal lauter und langgezogen sein dürfen. Lucky Star vermengt herzzerreißende Gefühle um eine vergangene Beziehung mit Echo-Effekten und Akustik-Gitarrenakkorden, bevor zum Schluss der Wunsch nach einem wegweisenden Stern am Nachthimmel lauter und lauter wird.
Insgesamt offenbart Euphoric Recall das besondere Geschick der Band, genug Raum für balsamartige Klangfarben zu schaffen und dabei auch mal Indie-Hooks mit traumhaften Melodien in ihr fragmenthaftes, dem experimentellen Pop zugwandetm Songwriting einzubauen – die Zeit beim Hören der Platte vergeht dabei wie im Fluge. Die Lieder enthüllen ganz nebenbei einen meditativen Charakter und könnten als Soundtrack für introspektive Reminiszenz dienen. Nach innen oder nach außen gerichtet – Euphoric Recall ist eine faszinierende musikalische Reise, die man nicht verpassen sollte.
Braids – Euphoric Recall
VÖ: 28. April 2023, Secret City Records
www.braidsmusic.com
www.facebook.com/braidsmusic