Foto-© Stephan Strache
Jakob & Strizi von Frittenbude nehmen sich vor ihrem Köln Konzert im Bürgerhaus Stollwerck Zeit für unsere Fragen. Im 90er Jahre Backstage unter Musikinstrumenten an der Wand und bei Sekt, Wasser und Bier ist die Stimmung schnell gelöst.
Erst einmal vielen Dank, dass Ihr euch die Zeit für das Interview nehmt. Auch wenn ich letztes Jahr, die ein oder andere Band für Bedroomdisco interviewen durfte, bin ich heute ein klein wenig aufgeregt, habe gerade so etwas wie meinen persönlichen Fanboy Moment. Allein schon dafür: Danke!
Jakob: Dank euch, dass ihr uns interviewt.
Nach Filmriss 2000 und der krassen Konzertkrise 2022, geht es mit eurer aktuellen Platte wieder steil nach oben. Hier in Köln wurde euer Konzert vom Luxor ins Bürgerhaus Stollwerck hochverlegt und ist heute restlos ausverkauft.
Geht ihr eure Shows nun mit dem Hintergedanken, dass das alles nicht mehr selbstverständlich ist und die ganze Branche aktuell ziemlich zu kämpfen hat, anders an?
Jakob: Auf jeden Fall. Wir sind eine Mittelstandsband. Über Jahre hat es sich so entwickelt, dass man als Musiker sein Geld mit den Liveshows verdient. Und jetzt kommt noch hinzu, dass die ganzen Ticketverkäufe zurückgegangen sind und das ist schon krass. Wir sind einfach nur mega happy, dass es nun ausverkauft ist. Mich hat es auch selber überrascht, dass es dann doch so gut funktioniert hat und wir noch hochstufen mussten.
Strizi: Man muss auch sagen, dass von Anfang an in Köln der Vorverkauf am besten lief. Wir bekommen immer so Updates von unserem Booker und Köln war von Anfang an die Stadt, in der es am besten lief.
Jakob: Ich hätte auch gerne im Luxor gespielt, weil es was kleines, intimes hat. Aber klar, wenn uns die Leute sehen wollen, spielen wir noch lieber hier vor mehr Leuten.
Es hat sich super viel bei Euch getan: nicht nur die erzwungene Pandemie-Pause. Während der Aufnahme des Albums hat Martin die Band verlassen und Apokalypse Wow ist Eure erste Post Audiolith Platte. Wie kam es dazu?
Strizi: Es ist ganz viel in den letzten drei Jahren passiert. Das waren schon Einschnitte in unserem Leben. Vom Gefühl her war auch Apokalypse Wow das Album, das am längsten gedauert hat. Auch wenn es das faktisch nicht ist, so fühlt es sich so an.
Jakob: Das spiegelt sich dann auch im Titel wieder, dass jeder, der daran in irgendeiner Form beteiligt war, auch den Umbruch erlebt hat. Oder den Zusammenbruch und die daraus resultierende Weiterentwicklung. Und dafür, dass das eine schwere Zeit war mit Corona, dem Krieg in der Ukraine und den Sachen, die privat passiert sind, ist das Album aber dann doch größtenteils eher happy geworden. Vielleicht ist es auch so etwas, dass man in solchen Momenten dann einen Gegenpol sucht.
Strizi: Die Herangehensweise war aber auch eine andere: wir wollten nicht ganz so verkopft drangehen. Wir haben uns früher auch oft abgearbeitet an einem Song und sie schon fast ein bisschen überproduziert. Und das wollten wir bei diesem Album nicht mehr machen. Gerade Suchen/Finden oder Tiefseetauchen oder auch Neue Welt sind Songs, die sind live entstanden, die haben wir live zusammen erspielt und so sind sie auch geblieben. Es war dann recorded und es gab dann nochmals ein finales Recording. Bei Tiefseetauchen noch nicht einmal. Da ist es einfach die Aufnahme geworden. Wir haben uns einfach weggeschlossen für drei, vier Tage. Damals noch mit Martin und haben einfach Songs geschrieben. Wir mieteten uns für vier, fünf Tage ein und wollten harten Techno schreiben. Es sollte brettern. Und es kamen einfach so softe, nette Songs dabei heraus.
Jakob: Es war so ein Haus, das kann man sich so vorstellen wie in einem Wes Anderson Film.
Strizi: Am Ende der Welt.
Jakob: An der polnischen Grenze. So ein heruntergekommenes, altes Gutshaus in das wir hereindurften mit riesigen Räumen. So haben die Stücke, die wir dort gemacht haben auch diesen Vibe: wie Tiefseetauchen und Lass uns tanzen gehen.
Linus Volkmann hat es so schön auf den Punkt gebracht, dass es eine neue gewonnene Leichtigkeit bekommen hat und nicht mehr so staatstragend ist, wie manche Sachen dann doch waren. Das finde ich ganz gut beschrieben.
Strizi: Es sollte auch wieder ein bisschen lustiger werden. Man nimmt sich ja eh immer viel zu ernst und das wollten wir ein bisschen ablindern und uns selbst nicht ganz so ernst nehmen.
Das hört man der Platte auch an. Gerade während der Pandemie entstanden so viele melancholische Lieder und Platten. Da ist Apokalypse Wow ein schöner Gegenpol.
Jakob: Das war ein Reflex. Zum Beispiel Sandradome war so ein Reflex. Es ist entstanden nachdem Martin raus ist aus der Band und ich dann privat an Weihnachten zu meiner Familie bin. Dieser klassische Weihnachts Familien Struggle. Du kommst da hin und auf einmal bist du wieder mit den ganzen Konflikten, die sich über Jahre in der Familie entwickelt haben konfrontiert. Da kommt es dann alles auf einmal komprimiert auf den Tisch. Und es ist super anstrengend und zeitraubend sich dem zu stellen oder es gar zu lösen. Als ich dann zurückgekommen bin nach Berlin hatte ich die Schnauze voll und ich bin dann drei, vier Tage in den Proberaum und habe einfach nur Punk Accorde, einen nach dem anderen reingebrettert. So stumpf und hart wie es nur geht. In diesen Tagen hätte ich am liebsten mit mir selbst gepogt. Oder wäre so in eine Couch hereingesprungen. Es war ein Gefühl des Druckablassen. Es war der erste Song, den wir zusammen ohne Martin gemacht haben.
Wenn ihr an neuen Lieder arbeitet habt ihr ein System, eine Struktur? Zuerst Lyrik, zuerst Melodie?
Strizi: Es war früher viel so, dass wir getrennt von einander gearbeitet haben. Das Jakob, oder Jakob und Martin damals noch, Musik gemacht haben und ich habe Texte geschrieben habe und dann haben wir geschaut, was zusammen passt. Bei diesem Album haben wir anders gearbeitet. Hier haben wir es oft so gemacht, dass Jakob meinte, ich habe hier einen guten Song und wir sind ins Studio und haben dann den ersten Impuls direkt aufgenommen. Das haben wir echt relativ oft so gemacht. Und Jakob hatte teilweise schon selbst eine Gesangsmelodie. Es war viel Proberaum-Atmosphäre, dass wir uns ein Lied erspielt haben.
Jakob: Das kann man ja schon sagen, dass die neuen Stücke mehr Gesangsstrukturen und mehr Gesänge von dir haben als alte Songs, die mehr rapartig funktioniert haben. Es war schon wichtig einen Stimmung zu erzeugen, in der man loslassen kann. Viele Sachen sind nur so entstanden, dass wir die Speaker extrem laut gemacht haben. Einfach nur ein Mikrofon in die Hand, ohne Kopfhörer voll laut und einfach losgehen lassen. Einfach nur das singen, was man fühlt und so singen, wie es gerade kommt. Und darum geht es uns auch. Sich trauen. Oft waren es dann auch die first Takes vom Strizzi, die er gemacht hat. Und dann hatte er schon diese Seemannsmelodien einfach dagehabt. Viel besser, als wenn man es klinisch angeht. Es ist egal, wenn es schmutzig ist, wenn Lärm drauf ist.
Voll spannend. Mega mutig, sich so drauf einzulassen. Man hört ja immer, dass zweite Album ist das Schwerste und bei euch ist es ja bereits das Sechste. Aber mutig bleibt, erfolgreiche Pfade zu verlassen.
Strizi: Das war nicht schwer. Ich glaube alle Alben nach dem zweiten waren schwer.
Jakob: Ne, Delfinarium auch nicht.
Strizi: Küken, Rote Sonne und Apokalypse Wow waren schwer. Die ersten drei waren nicht schwer.
Jakob: Absolut. Wir hatten dann auch lange keinen Release mehr. Und umso länger man keinen Release mehr hat, umso höher steigt dann ja auch der Druck, dass wenn man was releast, die Leute auch wieder draufschauen. Das hat man dann ja immer im Hinterkopf. Mir macht dieser Druck es dann zumindest ein bisschen schwieriger. Wir hatten auf jeden Fall über 100 Sessions und Ideen angefangen und uns dann überlegt, ist es das oder ist es das nicht? Gerade der Entstehungsprozess ist sehr frei, da fliesst es. Aber irgendwann kommt dann der Moment, an dem man sich Gedanken macht und überlegt, passt es denn überhaupt auf das Album, wo man sich dann auch selber kritisiert. Da bin ich dann auch anders als du und neige sehr zur Selbstkritik und hinterfrage mich sehr oft, bin total unsicher und mache lieber nochmal hier und da was. Das Lustige daran ist, dass Suchen/Finden nun die Single wurde. Es war der zweite Song, den wir für dieses Album angefangen haben. Es ist ganz am Anfang entstanden, wir hätten es auch einfach schon vor drei Jahren veröffentlichten können. Aber dazwischen lagen 100 andere Ideen.
Strizi: Aber am Schluss kam Das Glas noch.
Habt ihr es immer, dass ihr die Songs am Ende gleich gerne mögt? Bei allen Songs eine Einigkeit besteht?
Strizi: Ne. Es gibt schon Songs, wo wir beide sagen, ja das ist es so. Aber im Endeffekt war es diesmal dann so, dass wir die Songs fertig hatten und uns zusammen hingesetzt und überlegt haben, welche mögen wir beide und dann haben wir nochmals geschaut, welche wir noch zusätzlich drauftun. Bei den meisten waren wir uns aber eigentlich einig.
Jakob: Ziemlich. Vielmehr als bei anderen Alben. Es war viel entspannter. Es war offensichtlich bei vielen. Vorbei war so ein Song, wo wir alle das Gefühl sofort hatten. Man versucht es ja immer wieder: Wir bedienen uns immer den 12 Noten, der deutschen Sprache, manchmal auch der englischen Sprache. Trotzdem kommen nur alle paar Monate, alle paar Jahre dann solche Sachen zustande wie bei Vorbei, wo dann alles so schön ineinandergreift. Wo man selber davor sitzt und dann spürt, es ist es.
Bei Vorbei kann ich das voll nachvollziehen. Für mich ist Mindestens in 1000 Jahren die Hymne, die ich mit euch assoziiere und Vorbei hat auch so einen Vibe und das Potential dazu.
Jakob: Vorbei hat etwas eigenes.
Strizi: Man will ja auch als Band neues schaffen und das ist uns da gelungen. Weil wir uns getraut haben, was anderes zu machen. Es ist ein bisschen von der Verkopftheit weg. Auch wenn man es unserer Musik nicht unbedingt anhört, so hat unser Produktionsprozess oft etwas verkopftes.
Jakob: Ich würde auch behaupten, dass es für uns etwas neues ist. Natürlich nicht global auf Musik bezogen. Aber halt für uns. Die Art und Weise wie du da singst, so tief, dass hast du so noch nie gemacht. Und wenn wir ganz ehrlich sind, so ein bisschen countrymäßig ist das schon.
Strizi: Das ist mehr The Cure als Country.
Aber ist es eine bewusste Entscheidung, dass es immer etwas anderes wird oder ist es eurem Entstehungsprozess geschuldet.
Strizi: Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich den Song, also das Instrumental, zum ersten mal gehört habe. Aber ich kann mich mehr daran erinnern, wie die Entscheidung dazu kam, so neu zu singen.
Jakob: Es kam einfach raus. Zack da wars. Und es war auch first take. Und wir haben es auch nie wieder so gut gemacht wie damals die erste Aufnahme. Wir haben damals auch voll viel The Notwist gehört. Ich würde wetten, das ist da auch mit drin. Das man das hört. Wir sind jetzt nicht die Band, die sagt, ich will was machen, dass so noch nie gehört wurde. Das ist nicht meine Intention. Da bin ich vielleicht auch mehr Musiker als Künstler. Ich würde sagen, wenn man jetzt Kunst macht, dann ist das vielleicht nochmals mehr die Intention. Aber als Musiker mache ich ja erst einmal Musik, um in mein Herz zu greifen und vielleicht auch in die Herzen der anderen Menschen. Mir geht es erst einmal darum, dass ein Song bei mir eine Emotion hervorrufen. Alles andere ist egal.
Strizi: Es ist ein total schöner Moment, wenn man den Song aufnimmt und er soweit ist, dass man ihn anhören kann. Dann hört man ihn eine Weile lang nicht mehr. Und dann hört man ihn wieder und hat plötzlich das Gefühl, das man hatte, als man ihn geschrieben oder gemacht hat.
Jakob: Ich hatte irgendwann einmal ganz früh versehentlich die Sessions gelöscht von Mindestens in 1000 Jahren – unserem größten Hit. Das hatte ich bislang auch keinem erzählt. Ich dachte, okay, dass ist einfach verloren. Jetzt sind wir mal ehrlich: so gut gemischt ist das auch nicht. Ich habe das total bereut. Und dann habe ich alle Festplatten durchsucht und einzelne Spuren überall gefunden: da waren die Drums drauf, da waren die Vocals drauf, da war die Gitarre drauf und konnte es damit dann richtig rekonstruieren. Und dann habe ich nur kurz die Gitarre gehört und da überkam es mich so, dass ich einmal so die letzten 15 Jahre gefühlt an mir vorbeifliegen sah und dieses Gefühl war so krass, es war einfach meine Jugend, meine krasseste Zeit in meinem Leben. Und das war dieses Gitarrenriff oder dieser Song halt einfach. Und das war geil.
Strizi: Wir spielen diesen Song auch jeden Abend gerne. Manche Songs muss man mal austauschen. Zum Beispiel Bilder mit Katze können wir zur Zeit nicht spielen, weil wir es gerade gar nicht fühlen. Wenn wir es wieder fühlen, können wir es auch wieder so spielen, dass es geil ist. Das wird auch wieder passieren. Aber bei Mindestens in 1000 Jahren ist es immer schön.
Jakob: Das ist ein Song, bei dem die Liveversion mittlerweile besser ist als das Original.
Strizi: Vielleicht müssten wir den auch nochmals neu machen. Ist jetzt eh 15 jähriges Jubiläum von Nachtigall.
Jakob: Es gibt so viele Momente, die wir mit diesem Song erlebt haben und er ist sicherlich dabei mit der Zeit gewachsen. Woran ich dabei direkt denken muss: Melt! Festival. Wir sind damals auch privat hingefahren. Es war für uns das Mekka damals. Wir durften da dann mal spielen beim Opening am Donnerstag. Und haben dann selber vier Tage dort verbracht und durchgefeiert und waren einfach total knülle. Und dann hieß es so, „okay, da springt ne Band am Sonntagabend ab. Ihr seid doch da. Wollt ihr nicht auf der Hauptbühne am Sonntagabend um acht Uhr spielen?“ Unsere erste Reaktion war „Ne, können wir nicht. Wir sind hier seit vier Tagen am Feiern. Wir sind total fertig.“ Aber irgendwann haben wir dann schon gemerkt, wir müssen das spielen und wir dachten, okay wir spielen das jetzt. Und dann war der Moment, dass es angefangen hat zu regnen und die Leute trotzdem geblieben sind. Das war für mich damals so viel wert, da in dieser Situation auf der Hauptbühne zu stehen. Bei dem Break, als dann die Gitarren kommen, hat es mich übelst gepackt und es ist auch die ein oder andere Träne auf die Hauptbühne geflossen.
Strizi: Das war natürlich das Runterkommen auf Pille. Da hättest du alles spielen können.
(allgemeines Gelächter)
Jakob: Diese Stories machen das Lied zu dem, was es ist. Ich würde wetten, rein technisch haben wir schon Songs geschrieben, die eindeutig besser sind.
Strizi: Von allen. Vom Vibe, vom Mischen, vom Text her. Von allem.
Jakob: Die Leute verbinden halt damit auch die Zeit und Erlebnisse. Es gibt den Song halt auch schon so lange. Wir haben nun auch schon das sechste Album. Und wir hören auch immer wieder „bringt doch mal wieder so ein Album raus“. Das klappt aber nicht. Dem kann man gar nicht gerecht werden. Da die Leute Erinnerung mit dieser Musik haben. Sie müssen neue Erinnerung mit der neuen Musik machen. Selbst wenn wir jetzt die Musik von Katzengold oder Nachtigall kopieren würden, würde es nicht passen. Weil die Leute heute nicht mehr so wie damals leben. Wir sind anders geworden und die Zeit ist anders geworden. Es ist Zeit für neue Erinnerung, für neue Momente.
Strizi: Und wenn wir jetzt als sechstes Album, das sechste Mal etwas wie Nachtigall gemacht hätten, dann würde es heißen „macht mal was neues“. Es gibt zwar Bands, die auch renommiert und anerkannt sind, die seit Jahren den selben Song machen und ihn zehnmal auf ein Album packen. Aber das ist nicht Frittenbude.
Jakob: Wobei wir es als Frittenbude schnell geschafft haben, dass wir alles machen konnten.
Aber ist ja trotzdem Frittenbude. Ihr erfindet euch von Platte zu Platte neu, aber es klingt trotzdem immer nach euch.
Jakob: Es ist schon Strizis Stimme, die das zusammenhält. Sicherlich auch die Art und Weise der Melodien. Aber wir sind überhaupt nicht tempogebunden. Vor kurzen hatte ich dazu einen schönen Post gelesen: „Irgendwann werden wir uns alle schämen, dass wir Musik anhand der bpm bewertet haben.“ Ist ja auch so. Das ist bei Frittenbude total irrelevant. Wir haben total lahme Songs und total schnelle Songs.
Strizi: Was ist unsere meist genutze? 131, oder?
Jakob: Jetzt fangen wir selbst ja damit an. Wir waren noch schneller.
Strizi: Aber die, die war am häufigsten gewählt haben? Das war doch 131?
Jakob: Ne, schneller. Unsere ersten Texte waren damals viel rapbasiert. Von der Funktion wäre das dann eine Rap-Geschwindigkeit vom Flow. Wir haben es dann einfach gedoppelt. Die 70 bpm, die Du gerne magst, haben wir quasi auf 137,758 bpm gedoppelt. Ziemlich ausgefuchst.
Ist Nachti ein reines Frittenbude Label oder wollt ihr auch andere Künstler releasen?
Strizi: Wir werden wahrscheinlich erst einmal nur unser Album dort releasen. Es war anstrengend genug.
Jakob: Es ist in erster Linie für uns und unsere Musik. Es ist im Sinne des DIY. Es ist super und es wurde auch Zeit.
Strizi: Es sind auch alles Sachen, die Martin immer wollte.
Was sind gerade eure musikalischen Einflüsse? Marx und Biggie verweisen ja bereits auf eure Wurzeln: linke Ideologie trifft auf HipHop.
Gerade habt ihr zudem auch bereits The Notwist genannt.
Strizi: The Notwist sind wir beide Fan.
Jakob: Es gibt nur zwei Arten von Musik: gute und schlechte. Und so ist es einfach auch. Eigentlich hören wir super viel Musik – aber schon sehr nischig. Gerade flasht mich total Lord Folter.
Strizi: Lord Folter ist so lyrisch gesehen das krasseste, was die letzten Jahre in Deutschland passiert ist. Und auch musikalisch total gut. Das sind Sachen, die würde man wirklich gerne auch selbst schreiben.
Jakob: Es kommt auch total darauf an, in welcher Situation man gerade ist: ob man jetzt feiert, Auto fährt oder schläft. Zum Schlafen höre ich gerne Mazzy Star.
Strizi: Zum Einschlafen oder während Du schläfst?
(allgemeines Gelächter)
Jakob: Beides. Kommt drauf an, aber ich finde mittlerweile auch guten Indie Pop zum Feiern wieder total gut. Gerade nach einem Konzert, bin ich mittlerweile wieder sehr gerne auf Indiepartys, um dann auch die ganzen Hits zu hören. Wobei da der Grad zwischen großartig und furchtbar sehr schmal ist. Indie geht schon. Aber auch Techno.
Strizi: Ich finde auch so Downtempo Sachen geil, weil man dazu gut Tanzen kann. Sich fallen lässt in die Bässe. Es gar nicht anstrengend ist, da zu Tanzen. Sondern einfach vor sich hinwackelt.
Jakob: Du bist eh so ein Wackler. Ich habe letztens wieder im ://about blank gespielt. Du standest da in der Mitte, ich habe mich auch voll gefreut, dass Du Dir das anhörst.
Muss Musik für euch politisch sein?
Strizi: Musik ist auf eine Art und Weise immer politisch. Wenn es Instrumental Musik ist, ist sie oft aus politischen Gründen entstanden. Wenn jemand Frust rauslässt an seiner Gitarre ist das politisch, wenn jemand von der Arbeit nach Hause kommt und dann einen Text über die Liebe schreibt, ist auch das politisch.
Jakob: Aber die Intention bei mir ist schon erst einmal Musik zu machen. Also nicht Musik zu machen, um eine politische Message zu verbreiten, sondern ich mache halt Musik, aber da wir halt politisch sind ist dies naturgemäß auch Teil vom Ganzen. In erster Linie ist es bei mir schon die Musik.
Strizi: Das haben wir aber auch von Anfang an immer versucht zu kommunizieren, dass wir uns nicht als politische Band sehen. Wir sind eine Band und machen Musik und das ist politisch, was wir machen.
Jakob: Ich habe auch sogar die Theorie, wenn ich das jetzt andersherum drehe und sage ich möchte jetzt politische, linke Musik machen und das soll auch so klingen, dann müsste dass auch viel radikaler klingen und weiter vorgedacht sein, als das was ich mache.
Strizi: Das denke ich nicht.
Spannend, dass so zu hören.
Das erste Mal bewusst wahrgenommen habe ich euch mit eurem Egotronic Remix zu Raven Gegen Deutschland im Kontext einer Demo.
Eine gute Freundin zitierte damals, ihr wärt für die aktuelle Generation das, was für die vorherige Slime waren.
Das konnte ich gut fühlen. Ein antideutsches, linkes Sprachrohr.
Jakob: Abgefahren. Total krass. Ich finde das wahnsinnig toll, wenn Menschen damit aufwachsen und was sie damit verbinden.
Wenn ich mir dann vorstelle, ich habe das Instrumental bekifft im Jugendzimmer gemacht. Aber bei dieser Musik hängt es ja total am Text. Die Bassline hat sicherlich niemanden politisch sozialisiert.
Strizi: Es ist die Verbindung mit dem Text. Ich finde es aber auch immer schön, wenn man Menschen trifft, die einem sagen, ihr habt mich politisch sozialisiert. Schon schön.
Jakob: Ich glaube, damals gab es im deutschsprachigen Bereich auch noch nicht so viele Bands, die sich so klar politisch geäußert haben.
Wir sind in Bayern groß geworden und wir haben alle Mittelschicht und fast schon wohlhabenden Background und sind dann rausgekommen und sind mit Egotronic auf Tour gegangen und haben Deutschland kennengelernt. Da haben wir dann relativ schnell gecheckt, was sonst so in Deutschland los ist, wenn man seine Bubble verlässt. Und das war sogar noch, bevor es die AFD gab.
Da gab es aber auch Feedback aus dem alten Freundeskreis, „was habt ihr denn?“. Es war gerade Deutschland WM. Alle waren im Deutschland Fieber und „es ist doch total cool der neue Nationalstolz“. Und wir so: „Ne, dass ist nicht geil, wenn Du Dir das mal genauer anschaust.“ Und die haben es auch gar nicht verstanden, dass Deutschland immer schon ein massives Rassismusproblem hat. Erst später, als es dann mit der AFD losging und es sich dann auch wirklich in den Medien zeigte, haben ganz viele Freunde, die ich von damals kannte, auch gesagt: „Okay krass, dass war schon richtig. Und wir haben es damals nicht verstanden.“ Es kam sicherlich dadurch, dass wir damals viel mit Egotronic und Torsun unterwegs waren und auch so Sachen gespielt haben wie auf der Gegendemonstration damals in Dresden. Das war schon prägend.
Musik ist ja immer noch mega Männer-dominiert. Was können wir Männer machen, damit sich das ändert?
Jakob: Es ist toll, dass sich was bewegt, dass es endlich zur Diskussion steht. Ich habe einen Sohn und ich bitte ihn ab und zu, er soll mir Musik zeigen, die er hört, mir Playlists basteln. Da ist mir aufgefallen, dass er viele female Rap Artists drinnen hat, ohne dass das bei ihm Thema ist. Ich glaube in der neuen Generation ist das schon mehr angekommen. Ich glaube, dass sich schon was bewegt, aber wir noch lange nicht da sind, wo es sein sollte.
Strizi: Ich glaube aber auch, dass es selbst bei uns als HörerInnen nicht nur männliche Bands waren, die wir gehört haben. Nicht das es ausgeglichen ist. Aber es fehlte das Bewusstsein. Man hat alles gehört, was man gut fand. Wer hat sich denn vor 15 Jahren Gedanken gemacht, dass kaum weiblich gelesene Artists auf den Festivals spielen. Da sind wir zum Glück weiter.
Jakob: Es ist total schwer eine gute Indie Party mit altem Indie zu machen. Das waren alles nur Typen. Von Artic Monkeys bis Oasis. Und auch wir waren drei Männer. Mittlerweile wird es zum Glück besser. Ich finde es wichtig, dass wir uns dem bewusst sind.
Strizi: Bei Audiolith war es schon so, dass wir nicht nur Männer waren: Juri Gagarin hat eine Sängerin und wir waren zum Beispiel viel mit Ira Atari auf Tour.
Jakob: Es ist eine Bewegung drin und es verändert sich was. Und irgendwann sind wir hoffentlich an einem Punkt an dem wir das nicht mehr diskutieren müssen. Wenn ich jetzt mit meinen Soloprojekt Kalipo unterwegs bin, sehe ich schon, dass mehr female Artists unterwegs sind. Auch die Situation im Backstage ist eine andere. Es ist viel entspannter und viel offener. Man geht mehr aufeinander zu, redet mehr miteinander. Ich kenne das noch von davor, dass jeder unter sich war, weniger geredet wird es so ein Egoding war, man sich als Konkurrenz betrachtete. Das ist besser geworden und es gibt einen Ruck in der neuen Generation hin zu mehr miteinander.
Wie schaut Eure Bedroomdisco aus?
Jakob: Mega Frage.
Strizi: Sofie Royer – Schweden Espresso
Jakob: Jetzt etwas super kitschiges. Aber was mich total berührt. Aber ich bin auch ein Mensch, der auf Kitsch total anspringt. Und zwar: Husten – Dasein. Mit Sophie Hunger. Das ist schon so eher ein Beerdigungssong. Aber der kickt mich. Das ist schon total kitschig.
Strizi: Dritter Song ist White Ferrari von Frank Ocean.
Echt – Wir haben es getan
(allgemeines Gelächter)
Vielen Dank für das Interview. Es war uns ein inneres Blumenpflücken.
Jakob & Strizi: Danke Euch.