Foto-© Universal Pictures International Germany
Show me how strong you are.
(Gabi – Infinity Pool)
Nach sechs Jahren Schreibblockade hofft Autor James (Alexander Skarsgård), in einem Ferienresort auf der fiktiven Insel La Tolqa Inspiration zu finden. Wir wissen nicht genau, was für ein Buch er schreibt, aber wenn er den Urlaub überlebt und weiterhin Herr seiner Sinne sein sollte, wird er aus den vollen schöpfen können, denn ihm tut sich ein beispielloser Moloch aus Hedonismus und Gewalt auf.
In eben diesen Moloch zieht Regisseur Brandon Cronenberg auch den Zuschauer in knapp zwei Stunden immer tiefer und tiefer. Kritik an der Dekadenz unserer Gesellschaft ist momentan en vogue, wie zum Beispiel die erfrischend kantigen schwarzen Komödien The Menu oder Triangle of Sadness jüngst gezeigt haben. Während den meisten Zuschauern bei diesen Beispielen jedoch irgendwann im Laufe der Filme das Lachen im Halse stecken bleibt, hat bei Infinity Pool ab Szene Eins niemand etwas zum Lachen. Vielleicht am ehesten noch Mia Goths Gabi, die zunächst als interessierter Groupie von James auf den Plan tritt, jedoch schnell die Oberhand über den gescheiterten Autor gewinnt. Nach X (2022) und hierzulande kurz vor Pearl (2022) spielt kaum jemand so glaubwürdig die Bandbreite von naiv über berechnend bis manisch, und dann kommt es, dieses krankhafte Lachen, von dem man sich wünscht es würde ihr im Halse stecken bleiben. Wenn sie euch nicht ohnehin in eure Alpträume verfolgt, definitiv eine Schauspielerin, die ihr im Auge behalten solltet. Ebenso Alexander Skarsgård, der letztes Jahr als Berserker Amleth in The Northman noch ganze Städte dem Erdboden gleich zu machen schien, nun verunsichert, zusehends verängstigt und zu Recht verstört in der Ecke kauert. Kaum jemand spielt diese physische und psychische Bandbreite so gekommt wie er und ist sich dabei dem Anschein nach für absolut nichts zu schade.
Die Hauptdarsteller überzeugen also und die Gewalt, wie auch der reduzierte, unmelodische Soundtrack, verstört. Bleibt noch die Geschichte. Hier übernimmt Brandon endgültig den blutgetränkten Staffelstab von seinem Vater, Kultregisseur David Cronenberg. Enttäuschte dieser zuletzt auf hohem Niveau mit Crimes of the Future, fügen sich bei Infinity Pool die Sci-Fi Elemente organisch in die Geschichte im Hier und Jetzt ein. Wie schon bei Possessor steht im Zentrum der Story eine Idee, von der aus sich die Gesellschaftskritik wie ein Krebsgeschwür ausbreitet und die gesamte Geschichte und nahezu alle Figuren zerfrisst. Auch wenn der Trailer diese preisgibt, wollen wir dies hier zumindest im Text nicht tun.
Es wäre kein Cronenberg-Film, wenn er nicht provozieren würde. So haben auch bei unserer Sichtung viele den Kino-Saal verlassen. Und es ist wahrlich ein Moloch, in den ihr langsam einsinkt, manche gehen direkt, aber auch nach 60 oder gar 90 Minuten findet der eine oder die andere einen Grund, jetzt dann doch wirklich das Weite zu suchen. Für Fans des Body- und Psycho-Horrors mit einem starken Magen und bestenfalls auch Affektion für das Arthouse Kino hingegen ist der Film ein Fest. Erneut ganz ohne digitale Effekte erschafft Brandon Cronenberg etwas völlig neues und prangert damit viel allgegenwärtiges an. Ins Kino dürft ihr übrigens je nach Gemüt vollkommen sorgenfrei oder besonders besorgt gehen, denn nachdem Infinity Pool in den USA nur gekürzt auf die große Leinwand kommen durfte, bekommen wir hierzulande das „All Inclusive-Paket“.
Infinity Pool (USA 2023)
Regie: Brandon Cronenberg
Besetzung: Alexander Skarsgard, Mia Goth, Jalil Albert, Cleopatra Coleman, Thomas Kretschmann
Kinostart: 20. April 2023, Universal Pictures International Germany