MAMMAL HANDS – Gift from the Trees

Mammal Hands, das ist eine dieser Bands, die es schafft, nur mit Instrumenten einen nicht zu imitierenden Sound zu kreieren, den man auch hundert Meter gegen den Wind eindeutig zuordnen kann. Wer sie nicht kennt: Nick Smart am Piano, Jordan Smart am Saxofon und Jesse Barrett an Drums und Tabla. Extrem organische, treibend meditative Kompositionen und Improvisationen reihen sich auf ihren Alben aneinander und versetzen die Zuhörer bei Auftritten in Clubs oder auf den größten Jazz Festivals der Welt in innerliche ekstatische Zustände.

Mit Gift from the Trees ist nun das fünfte Studioalbum des Trios via Gondwana Records erschienen, insofern jedoch ein Novum, als dass es erstmals in einem Heimstudio aufgenommen wurde. Durch die dadurch entstandene Nähe und die 24/7 Produktionsbedingungen schwärmt die Band von neu entstandenen Möglichkeiten. Allen voran spontanes Jammen über frische Ideen sollte die Livequalität der drei Briten einfangen und ließ das Komponieren sich zu einem kollektiven Zustand entwickeln. Geholfen haben ihnen dabei im Entstehungsprozess der Produzent Benjamin Capp und Greg Freeman, der die Sessions anschließend in Berlin mixte.

Die improvisatorischen und spontanen Ansätze des Albums zeigen sich vor allem im Vergleich mit den vorherigen Platten, die deutlich mehr vom Fokus auf einzelne distinktive Pattern, Melodien und Rhythmen geprägt sind. Mit der neuen Platte werden dieser Wiedererkennungswert und die (oft gefällige) Konformität gegen mehr strudelartige und teils überbordende Meditationen eingetauscht – eben so, wie Mammal Hands sich live anfühlen. Es ist nun eher das spontane Entfalten als das gezielte Ausgestalten, was den Hörer durch die zehn Stücke führt. Dabei scheinen technisch noch mehr Grenzen ausgetestet, wie im Opener The Spinner, der eine irrsinnig schnelle Pianofigur durcharbeitet, ebenso wie Labyrinth, wo sich kurz vor Schluss gedanklich dann wirklich jeder verlaufen hat. Der Sound ist insgesamt noch organischer und dichter. Doch dafür fehlen immer wieder die klaren und scharfen Stellen, die sonst so tief im Kopf geblieben sind, und auch einen großen Teil des Mammal Hands Charme ausmachten.

Aber braucht nicht grade eine solchen Band, die qua Besetzung und Stil auf eine bestimmte Machart beschränkt ist, vielleicht eben genau die großen Schritte weg vom Gewohnten, um interessant zu bleiben?

Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Gift from the Trees eine musikalische Weiterentwicklung ist – nicht zuletzt durch gesteigerte Komplexität und die neue Auslotung von technischen Grenzen. Grade das durch griechische, indische und arabische Musik inspirierte Dimu oder das weiche und wunderschöne, komplett improvisierte Sleeping Bear zeigen eine solche Entwicklung, die staunen und träumen lässt. Dies für das fünfte Album eines Instrumental-Trios festhalten zu können, dürfte schonmal Lob genug sein. Nichtsdestotrotz kommt man nicht umher etwas zu vermissen, das das Album vielleicht weniger cineastisch ist und dafür mehr für sich steht; noch repetitiver, noch eingängiger und mit etwas mehr Witz. Gift from the Trees ist natürlicher, fließender und geheimnisvoller. Abschließend bleibt wohl nur eines zu raten, falls das Album auf Kopfhörern noch nicht ganz überzeugen konnte: Mammal Hands live!

Mammal Hands – Gift from the Trees
VÖ: 31. März 2023, Gondwana Records
www.mammalhands.com
www.facebook.com/MammalHands

Mammal Hands Tour:
25.05.23 Stuttgart, Bix Jazzclub
26.05.23 München, Jazzclub Unterfahrt
07.06.23 Dortmund, Domicil
08.06.23 Köln, Kölner Philharmonie
09.06.23 Darmstadt, Centralstation
19.08.23 Rostock, See More Jazz

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Christian Weining

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