A.S. FANNING – Mushroom Cloud


Foto-© Neil Hoare

Fading
You know we don’t even fight no more
There’s only conversations through closed doors
Forgotten fire, forgotten wars

(A.S. Fanning – Mushroom Cloud)

“It’s no picnic, if that’s what you’re asking”, sagte A.S. Fanning, den Freunde und Bekannte kurz Stephen nennen, Ende 2020 einem Interviewer über seine Konzerte. Da war gerade das zweite Fanning-Album You Should Go Mad draußen – und die Pandemie in voller Wucht über die Welt und ihre Künstler gekommen. “I suppose it’s quite intense at times, but I don’t think anyone who’s heard my music would turn up to a gig of mine expecting some sort of dance party”, stellte der seit 2011 in Berlin lebende Ire damals konkret in Aussicht. Um jetzt, zweieinhalb Jahre später, mit einem Album zurückzukehren, das diese Selbstbeschreibung in atemberaubender Weise bestätigt.

Denn Mushroom Cloud ist genau jenes dunkel schimmernde, wunderschön melancholische Meisterwerk geworden, das Fanning schon lange in sich trug. Waren das behaglich warme Debüt Second Life (2017) und der etwas zerklüftete Nachfolger You Should Go Mad (2020) – beide in verschiedenen Formaten weiterhin via Bandcamp erhältlich – bereits äußerst gelungene Songsammlungen in stilistischer wie stimmlicher Nähe zu Nick Cave, Richard Hawley, Stuart Staples (Tindersticks) oder Robin Proper-Sheppard (Sophia), so zeigt Album Nummer drei eine zusätzliche düstere Eindringlichkeit, die schaudern lässt. (Interessant übrigens, dass gleich zwei der stärksten Folk-Noir-Platten dieses Jahres von Iren stammen – neben Mushroom Cloud ist noch False Lankum von der bereits in den Himmel gelobten Dubliner Band Lankum zu nennen.)

A.S. Fanning hat schwere Zeiten (das Ende einer langjährigen Beziehung, die Pandemie) in acht niederschmetternde, zugleich erhebende Lieder gegossen. Der aus der Zeit des ersten Corona-Lockdowns stammende Opener Mushroom Cloud reizt die Wucht seiner international besetzten Band und seiner monumentalen Bariton-Vocals bereits voll aus. Die Streicher des Oriel Quartetts und die mächtigen Drums von Jeff Collier treiben den Song unerbittlich voran, während der Sänger seinen inneren Scott Walker von der Leine lässt. “It was a definite hat tip to Scott Walker, that was part of my thinking”, räumte Fanning in einem Interview von God Is In The TV ein. Den wohl stimmgewaltigsten Dunkelmann der Pop-Historie, unsterblich seit den 1960er Jahren mit Scott 1 bis Scott 4, als Vorbild zu nennen – das muss man sich erstmal trauen. Fanning kann es sich leisten.

Haunted, I Feel Bad, Disease, Colony Collapse – die Songs von Mushroom Cloud tragen pandemiebedigte Düsternis und harsche Dissonanzen oft schon im Titel. Faszinierend ist aber, dass diese ausufernd üppigen, auch mal sperrigen Folkrock- und Barockpop-Lieder bei aller Schwere nie zu unverdaulicher Kost verkommen. Das liegt zum einen an der luftigen Produktion von Robbie Moore, die höchste Sound-Ansprüche erfüllt – zum anderen an der fabelhaften Performance des meisterlichen Sängers Fanning und seiner souveränen Band um Schlagzeuger Jeff Collier, Bassist Felix Buchner, Gitarrist Bernardo Sousa, Keyboarder Dave Adams und Percussionist/Xylophonist Martin Lorenz. In den Berliner Impression Recordings Studios ist diesem Team etwas wirklich Großes gelungen.

Mit dem zauberhaften Pink Morning/Magic Light, das an Richard Hawleys bestes Album Truelove’s Gutter (2009) erinnert, hellt sich die apokalyptische Schwärze der Fanningschen Palette zum Schluss etwas auf. Ein Hoffnungsschimmer, mehr nicht – weil die Lyrics weiterhin keine echten Mutmacher sind. Immerhin formuliert der Songwriter hier ganz vorsichtig die Frage, ob es vielleicht ausreicht, alle Ängste abzustreifen und ganz unverstellt mit sich allein zu sein. “I suppose the best I can do is to see it as a document of a low point. A sort of scorched earth that hopefully leads to a new beginning”, sagt A.S. Fanning über sein hoch ambitioniertes drittes Album.

Wünschen wir diesem nun endlich für ein größeres Publikum zur Entdeckung freigegebenen Singer-Songwriter, dass Mushroom Cloud auch für ihn selbst heilsame Wirkung hat. Dass seine Musik und seine Konzerte aber “no picnic” und keine Dance-Party sind, wie Fanning bereits vorhersagte, lässt sich in Kürze bei mehreren Konzerten in Deutschland nachvollziehen. Lohnt sich ganz sicher.

A.S. Fanning – Mushroom Cloud
VÖ: 26. Mai 2023, K&F Records
www.asfanning.com
www.facebook.com/asfanning

A.S. Fanning & Band Tour:
26.05.23 Berlin, Kantine am Berghain
28.05.23 Beverungen, Orange Blossom Special Festival
30.05.23 Köln, Die Wohngemeinschaft
31.05.23 München, Feierwerk (Sunny Red)
02.06.23 Hamburg, Headcrash
03.06.23 Rostock, Circus Fantasia
08.07.23 Leipzig, Ancient Echoes-Festival / Kirchenruine Wachau

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Werner Herpell

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