BC CAMPLIGHT – The Last Rotation Of Earth


Foto-© Elyssa Iona

My brain says ‘stay the course‘
Pretty rich when you consider the source
Now I‘m not positive but I‘m pretty sure
You shouldn‘t cry when you listen to Faith No More.

(BC Camplight – Going Out On A Low Note)

Alles nicht ganz einfach für diesen Bürger. Hat für einen 43jährigen viel durchgemacht. Suff, Drogen, Angstzustände, Depression, Sozialphobie plag(t)en ihn. Hatte lange vor Trump genug vom Leben an der amerikanischen Ostküste und ging nach England, wo er wegen eines abgelaufenen Visums mal des Landes verwiesen wurde. Wie konnte es auch anders sein. Das Unglück nahm kein Ende. 2018 verstarb sein Vater, der Lockdown tat sein Übriges und dann dachte sich die Verlobte nach neun Jahren Beziehung: Schluss damit.

In so einer Lebenslage verlieren manche, sagen wir es vorsichtig, die Contenance. Brian Christinzio macht es unter dem Namen BC Camplight anders. Er nimmt die Mütze ab, reckt sich dem Himmel entgegen und feiert im Titelsong seines neuen Albums The Last Rotation Of Earth das, was er als letzte Umdrehung des Lebens empfindet. Humor ist, wenn man…ihr wisst schon. In Kicking Up A Fuss dreht Brian kurz durch. Die Suche nach einer zwischenzeitlichen Bleibe war erfolglos. Am Ende gab es in Liverpool, seinem aktuellen Wohnort, nur ein Hotel als Option. Der Chef des Hauses und die Person an der Rezeption waren einzig mögliche Adressaten für den Frust: „What do you want me to do? Start a doo-wop group and sing Oooh oooh, Oooh oooh? I need a friend.“ Über Sachbeschädigungen während des Aufenthalts ist nichts bekannt. Es ging noch mal gut.

Gefühle für die Ex-Herzdame sind in She‘s Gone Gold und Fear Life In A Dozen Years Thema. Brian verzichtet auf eine Generalabrechnung, er rekapituliert moderat: „These are the days of love exploding in your face, these are the people in your life, this is the time of poison in your morning wine, this is the memory of waking up together.“ Der erste der beiden Titel ist eine fein orchestrierte Piano-Ballade. Der andere ist wegen eines Metal-Riffs knackiger. Denkwürdiges erwartet uns in I‘m Ugly. Das eigene Erscheinungsbild wird darin schonungslos massakriert, Fürsprecher gibt es nicht: „Hey man, can I ask you something, man? Mmm-hmm. Do you think I‘m ugly? Can I be honest? Yeah. You‘re fucking hideous!“ lol. Am Ende hört es sich irgendwie komödiantisch an. Wie bei Randy Newman. Oder Stephin Merritt.

Brian spielt gerne Piano. Dem Synthesizer kann er auch was abgewinnen. Gerne ordnet man ihn zwischen den Beach Boys, Harry Nilsson und Todd Rundgren ein. In der Nähe von Musikern, die etwas von Melodien verstehen, aber auch zu Eigenheiten neigen. Mit seinem letzten Album Shortly After Takeoff wurden Anhänger des Electric Light Orchestra ebenso glücklich wie die von Tama Impala oder Father John Misty. Dieses Mal kommt Filmmusik als weiterer Baustein hinzu. In The Movie erzeugen ein Erzähler und Gesprächsausschnitte cineastisches Ambiente, The Mourning hat viel mit dem Sound der italienischen Cinecittà gemein. Es klingt wie ein letzter Gruß an Ennio Morricone, RIP.

The Last Rotation Of Earth ist ein weiteres Klasse-Album in der England-Periode dieses Musikers. Man weiß nie genau, was Brian im Schilde führt. Ein überraschender Break ist immer möglich, ein exzentrischer Schlenker, ein strukturelles Wagnis. Trotzdem passt alles, gibt es überall markante Punkte oder Passagen, in die man sich verliebt. Sogar die Plattenfirma nickt. „Ein Mitarbeiter des Labels hat mir gesagt, dass sich das hier zu einer Art Chart-Hit entwickeln könnte“, offenbarte Brian jüngst in einem Interview. Stimmt absolut. Mit diesem Album spielt sich der permanente Außenseiter weiter in den Mittelpunkt.

BC Camplight – The Last Rotation Of Earth
VÖ: 12. Mai 2023, Bella Union
www.bccamplight.co.uk
www.facebook.com/BCCamplightMusic

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