Foto-© Anja Jurleit
Mit schillernden Outfits und Las Vegas Glamour steppen Blond selbstbewusst wie immer in unsere Playlists und servieren uns feinste musikalische Perlen auf dem funkelnden Silbertablett – und das ganz wortwörtlich. Denn der Titel des neuen Albums ist Programm: Am 21. April veröffentlichte die Chemnitzer Band Perlen über ihr Label Betonklunker Tonträger. Grund genug nach dem Interview, das wir Anfang des Jahres mit den drei geführt haben, gleich noch mal vor ihrer Releaseshow in Berlin zum Gespräch zu bitten – unser Interview-Update!
Wie fühlt sich das an? Das Album ist jetzt draußen. Irgendwie ja auch so ein kleines Baby, was man hat und was man dann in die Welt schickt. Wie geht es euch damit?
Nina: Ich glaube, das gerade alles noch so aufregend und in so nem übelsten Rush irgendwie. Und heute ist noch die Release Show und ich glaube morgen oder übermorgen oder vielleicht sogar erst nächste Woche, dann ist es raus, dann lässt man es glaube ich erst so sacken. Weil jetzt gerade bin ich noch nicht so, also kann mich noch gar nicht ganz drauf einlassen, dass es draußen ist, weil wir haben dann noch ein Konzert und ich muss noch das und das und das machen. Deswegen mal gucken, wie es sich nächste Woche anfühlt. Jetzt ist es noch nicht ganz rund. Es muss jetzt noch das Konzert dazu geben.
Speaking of the concert, seid ihr nervös, habt ihr Bock, wie ist die Stimmung?
Lotta: Wir haben vier Monate keine Konzerte gespielt. Ich glaube, da kann man sich relativ gut vorstellen, wie das dann ist, das erste Konzert zu spielen, direkt mit ganz viel neuer Kleidung, neuen Songs, neuen Ideen, die man ja auch erst mal testen muss.
Johann: ..neues Bühnenbild..
Lotta: ..neue Technik, teilweise. Deswegen sind wir schon amtlich aufgeregt auf jeden Fall!
Das ist aber gut! Aufregung zeigt ja so, dass man halt Bock drauf hat und das es einem wichtig ist.
Lotta: Ja, voll! Ich freue mich auch so sehr auf die Leute. Ich freue mich, richtig auf die Bühne zu gehen und dann zu gucken. Also ich freue mich richtig, wenn die tanzen und mitsingen und lachen, all in all…ich freue mich einfach drauf.
Johann: Ich bin auch gespannt, ob sie schon die Texte können.
Ich denke das wird definitiv der Fall sein, denn da sind einige Songs da, zu denen man richtig abtanzen kann! Ganz kurz zum Bühnenbild, ich durfte es ja gerade schon mal kurz sehen, woher kam die Inspiration?
Nina: Das ist ein Korallenriff, sowas in der Art, also etwas abstrakter gedacht.
Das musst du dir dann ja noch mit Licht vorstellen, wir haben noch Ventilatoren, die das dann angehen, sodass sich das auch so leicht bewegt, also dass das dann wirklich wie im Wasser so eine Art Korallenriff ist, aber halt in abstrakt. Wir bewegen uns ja hier mit dem ganzen Album in der Unterwasserwelt und deswegen haben wir gedacht, wir müssen natürlich auch in nem Riff spielen, ist ja klar!
Find ich nice! Wie war denn die Albumproduktion im Allgemeinen?
Johann: Wir haben uns auf jeden Fall diesmal recht viel Zeit gelassen. Wir haben ja mitten in Corona wieder angefangen und wollten dann wieder nen Song machen. Weil „Du und Ich“ kam ja schon vor zwei Jahren. Dann haben wir uns bei mir zu Hause getroffen, weil ich über Corona quasi ein bisschen angefangen habe einfach selber zu produzieren. Dadurch hat es dann langsam Stück für Stück bei uns im Studio zu Hause angefangen und deswegen sind wir jetzt halt auch erst fertig geworden. Es hat sich jetzt über zwei Jahre gezogen, irgendwie, aber jetzt ist es umso schöner geworden.
Nina: Also es war auch ein bisschen anders, weil wir halt so viel schon vorbereiten konnten in Chemnitz und vor allem viel beim Johann in der Wohnung am Computer quasi gearbeitet haben, wo man plötzlich gar keine Grenzen mehr hat, was man alles nutzen kann. Vorher waren wir immer im Proberaum und haben so Gitarre, Bass, Schlagzeug-Songs geschrieben. Jetzt waren wir so, warum nehmen wir nicht eine Trompete mit rein?
Lotta: Also nein, haben wir nicht, es gibt keine Trompete, aber wir hätten es theoretisch machen können. (lacht)
Nina: Kinderchor!
Johann: Also wir sind da jetzt nicht so ins Detail gegangen, aber es war sehr schön, sehr anders auf jeden Fall.
Okay geil, also ihr habt jetzt hauptsächlich bei dir zu Hause produziert, Johann?
Johann: Ja genau, da haben wir angefangen und dann sind wir später noch ins Studio mit unseren Produzenten…
Lotta: Also wir wollen nicht so tun, als ob wir es nur zu dritt gemacht haben.
Nina: Die Demos haben wir quasi zu dritt vorbereitet und sind dann mit wirklich sehr weit fortgeschrittenen Songs in das Studio gegangen. Das war einmal in Leipzig, Berlin und auch München.
Lotta: …München.
Nina: Also wir haben dann da mit Produzenten weitergemacht und dann die Songs quasi rund und fertig gemacht.
Okay krass, dann wart ihr ja echt viel unterwegs, geil.
Lotta & Nina: Jaa.
Johann: War ja auch ne lange Zeit (lacht).
Ja stimmt. Dann steigen wir doch direkt mal mit dem Song Durch die Nacht ein. Ihr singt ja „Ich enttäusche die Verwandten. Ich habe nichts aus mir gemacht.“ Da wollte ich von euch wissen, ist es privat wirklich so bei euch, dass die Family gesagt hat, puh ne ihr wollt jetzt Musik machen und nicht Jura, Medizin, schießmichtot studieren, was Familien ja immer so lowkey erwarten – wie war das bei euch?
Lotta: Also wir wissen von ganz vielen Freund*innen, dass die aus einem Elternhaus kamen, wo das so war und konnten das deswegen nachvollziehen. Bei uns bezieht sich das nicht auf die Familie, sondern eher auf das Schulumfeld, also das Umfeld, das man so in der Schulzeit hatte, das beschreibt es eigentlich ganz gut.
Nina: Halt so Lehrer*innen und aber auch andere Leuten, wenn man denen so erklärt, also wir arbeiten ja auch noch nebenbei, aber wenn man dann seinen eigentlichen Beruf erklärt und so mitkriegt, wie die Wahrnehmung ist, so nach dem Motto das ist gar kein Job und so oder das ist doch ein Hobby.
Lotta: Genau!
Nina: Dann merkt man, wir haben ja alle das Glück, dass wir aus so Haushalten kommen, wo Musik als Job quasi was ist. Was, wo man sagt, das ist okay und wir mussten uns nie erklären. Da haben wir Riesenglück gehabt auf jeden Fall!
Also haben eure Eltern euch auch so inspiriert dazu, diesen Weg zu gehen, auch trotzdem, wo es vielleicht nicht der einfache oder direkte ist?
Johann: Ja..
Nina: Ja definitiv und das auch immer unterstützt. Auch ganz früher ist Johanns Vater bei uns mitgefahren, hat den Ton gemacht und mit aufgebaut und heute lötet er noch Kabel, wenn was kaputt ist. Also der Support hat nie aufgehört, eigentlich.
Was hat euch denn damals selbst dazu inspiriert, Musiker*in zu werden, also generell als Band durchzustarten?
Nina: Also ich glaube, wir haben uns damals nicht gesagt Beruf Musiker*in wird‘s jetzt, sondern wir haben einfach immer das gemacht, was wir halt schön fanden und das war halt das Musizieren, das gemeinsame. Wir haben dann aber gemerkt, dass das irgendwie auf Interesse stößt, dass Leute das irgendwie toll finden und haben dann erst während des Machens quasi gemerkt, dass das quasi eine Möglichkeit als Beruf ist. Und natürlich, auch weil wir gesehen haben, dass unsere Geschwister oder auch Elternteile in Bands sind/waren und das war auch ein Job und kein Hobby. Deswegen haben wir das dann auch gesehen und es war immer eine Option und ich meine wir haben auch andere Sachen ausprobiert…
Johann: …aber es war relativ schnell klar, dass wir das auch als Job oder als Hobby auf jeden Fall weitermachen.
Nina: Und es gab dann wirklich so Momente, wo man sich entscheiden musste, will ich mein Studium machen, also Studium oder Musik. Das hat dann nicht mehr nebeneinander gepasst und dann musste ich mich zum Beispiel entscheiden, möchte ich jetzt lieber Studieren oder will ich das mit der Musik probieren weiter. Und da haben wir uns dann quasi gesagt nee, das war übelst klar, dass wir das wollen mit der Musik, dass wir da alles reinstecken und auch Zeit investieren und Bock haben, alle drei gleichermaßen..
Lotta: …und bisher haben wir es noch nicht bereut.
Ja zum Glück, sonst wärt ihr heute nicht hier und das Album wäre nicht da.
Nina: Ja und man lernt ja auch total viele andere Sachen. Ich weiß gar nicht wie viel ich in der Zeit jetzt gelernt habe seitdem wir in so ner Band sind und ja schon krass…
Ihr habt ja auch den Punkt in dem Song, dass Money auch manchmal knapp ist, was man ja eigentlich gar nicht so denkt im ersten Moment, wenn man dann berühmt ist, also als Außenstehender geht man ja eigentlich davon aus, dass es dann finanziell gut läuft. Wie ist die Realität dann wirklich?
Nina: Also bei uns war’s so, wir waren in der Zeitung in Chemnitz und dann hat das Finanzamt bei uns angerufen, weil die waren so, wenn die in der Zeitung sind, dann sind die doch reich und berühmt und..
Lotta: …und das war überhaupt nicht der Fall.
Johann:…ne gar nicht der Fall.
Nina: Da war rein gar nicht‘s zu holen, wie gesagt, wir arbeiten nebenbei. Wir sind jetzt nicht bei einem Majorlabel oder so..
Lotta: …also wir bekommen keine Vorschüsse oder so.
Nina: Wir leben nicht vom Vorschuss. Wir verdienen Geld und stecken eigentlich ganz viel von dem, was wir wieder verdienen, in Musikvideos und so rein, weil wir das alles selber finanzieren müssen.
Lotta: Genau.
Nina: Deswegen. Das ist cool. Das ist für uns in Ordnung, wir wohnen ja auch in Chemnitz, da ist es auch preiswert zu leben..
Johann:…und natürlich sehr cool und schön. (lacht)
Nina: Und wir haben jetzt alle keinen Pool oder so, dann geht das noch.
Johann: Aber es sieht sehr gut aus und Besserung ist auf jeden Fall in Sicht!
Nina: Ja, ja. Der größte Wunsch ist natürlich…Naja, dass Lotta nicht in der Apotheke weiterhin Leute auf Corona testen muss nebenbei.
Lotta: Optimal wäre es einfach, wenn man gerade so davon leben kann, aber man ist jetzt auch nicht so, dass man so sagt, ja, ich will ne Villa, also klar wär’s schön, ich würde nicht nein sagen.
Nina: …aber es würde auch erstmal reichen, wenn wir alle drei gut davon leben könnten.
Lotta: Ja, dass wir davon leben können, das ist der Traum.
Ich drücke die Daumen, dass das in naher Zukunft der Fall sein wird! In eurem Song Männer geht’s ja um die vorhandene oder besser gesagt nicht vorhandene Diversität im Line-Up von Festivals. Ihr sagt selbst wir haben gemerkt, wir sind irgendwie die einzigen Frauen, überall sind nur Männer. Habt ihr das Gefühl, dass sich da jetzt in den letzten Jahren so ein bisschen was zum Besseren gewendet hat, gerade weil die Themen Women Empowerment und Co immer an der Tagesordnung stehen oder doch alles nur pinkwashing?
Nina: Irgendwas mit Greenwashing, Diversity und so. Also, was man auf jeden Fall merkt, ist, dass von den Festival Besucher*innen da ein bisschen mehr ne Aufmerksamkeit auf dem Thema liegt, einfach. Das merkt man daran, es wird ein Line-Up gepostet und Leute kommentieren, hä was ist denn das für eine Quote und so was. Aber Fakt ist schon, dass es eigentlich kaum eine Festivalankündigung gibt, die veröffentlicht wird, wo man sagt, cool, es ist 100 % geil, es ist ein schönes, ausgeglichenes Verhältnis. Das gibt es ehrlich gesagt nicht, bzw. das ist sehr, sehr selten.
Johann: Es gibt das halt bei den kleineren Independent Festivals…
Lotta: Wie beispielsweise das Puls Open Air oder so. Die machen das richtig krass und reden da auch nicht groß darüber, sondern man sieht das und denkt sich dann wow, okay nice.
Johann: Ja, genau.
Nina: Und dann gibt’s halt Festivals, wo jedes Jahr dasselbe Statement kommt, wo man langsam wirklich gelangweilt ist, weil es dann heißt, ja wir haben wirklich geguckt und es gab halt nichts blabla. Das geht uns einfach auf die Nerven. Also, es ist eine Aufmerksamkeit da, aber ich will nicht bis 2050 warten müssen auf ein ausgeglichenes Line-Up.
Johann: Und man hat auch hier und da das Gefühl, dass die Aufmerksamkeit der Festivals auch nur wegen Druck da ist irgendwie, weil die Leute sich fühlen als müssten sie sich rechtfertigen oder so. Und dann kommt da so ein komisches durchgelutschtes..
Lotta: Es ist halt jedes Jahr gefühlt der selbe Kreislauf. Leute sehen das, sprechen es an, kritisieren das und dann redet sich das Festival raus. Die Leute, die auf das Festival gehen sind dann so, ja schade aber es ist halt dasselbe. Das Thema ist auf jeden Fall aktueller und man merkt, die Leute haben ein bisschen den Fokus drauf und versuchen darauf zu achten, aber es ist noch nicht an einem Punkt, wo wir zufrieden sind.
Und das im Jahr 2023…Gut zu wissen, dass da Leute wie ihr sind, die dann auch einfach da reinkommen und Lärm machen! Welche weibliche gelesene Künstlerinnen, haben euch denn inspiriert oder wen würdet ihr gerne mehr pushen wollen oder euch wünschen, dass die mehr gesehen werden?
Nina: Oh, da gibt es ganz viele! Erst mal Power Plush aus Chemnitz, das ist unserer Meinung nach eine richtig krass gute Band. Die haben auf jeden Fall alle Aufmerksamkeit verdient!
Lotta. Weiterhin supporten wir Get Jealous, Planet Venus, Future Planet, Mariam, Mia Morgen sowieso, unzählbar eigentlich. Also da fallen mir gefühlt 40.000 Leute ein. Es gibt ganz, ganz viele, die so viel mehr Aufmerksamkeit verdient haben als sie gerade bekommen, da findet man gar kein Ende auf jeden Fall.
Ja das ist doch super, weil dann haben die Festivals nämlich keine Ausrede mehr, von wegen wir haben nichts gefunden. Next one: Ich sage ja, mein personal Fav, Thema Feminismus, Thema Gleichberechtigung. Wann waren so eure ersten Berührungspunkte mit dem Thema?
Nina: Das ist eine schwierige Frage. Also ich glaube, wir haben ja am Anfang, als wir als Band losgefahren sind, also da wurden wir ja immer gefragt, ja wie ist das denn, als Frau Musik zu machen? Und während wir schon unterwegs waren und schon Interviews gegeben haben, hat sich unsere Meinung dazu auch komplett geändert. Es gibt so Panne Interviews von vor vier Jahren, wo wir Sachen gesagt haben wie, ne also ich glaube nicht, dass es speziell ein strukturelles Problem ist. Es gibt einfach Arschlöcher und so. Man hat gedacht, das wäre kein Problem, was damit zusammenhängt, dass man selber eine weibliche gelesene Person ist. Für uns war es einfach immer generell ein Arschloch und man hat es nicht so darauf bezogen. Und dann hat man sich viel mehr durch Interviews und durch bestimmte Fragen, damit beschäftigt und sich unterhalten und dann gemerkt: warum werde ich anders behandelt, warum bin ich da schüchterner? Warum nehmen sich Männer das einfach? Wir merken das jeden Tag, wenn männliche Fotografen oder irgendwie Bands in unsere DM’s sliden und sagen: Jo wir supporten euch hier okay? Das machen 50 Männer am Tag und vielleicht eine Frau oder keine Frau und dieses Selbstbewusstsein einfach mal ein bisschen abgucken, denn wir fänden es geil, wenn weibliche Fotografinnen sich melden, die Fotos machen wollen oder eine Flinta Band sagen würde, können wir euch mal supporten bitte? Dann würden wir uns freuen, denn man hat ja auch Bock, die zu sehen und so. Aber durch sowas ist das so schleichend quasi gekommen, dass man sich damit auseinandersetzt, Sachen liest, sich austauscht. Auch popkulturell kann man das ja nachvollziehen, also man sieht, dass das auch ein Thema ist, was immer mehr in den Mainstream gerückt ist, wo sich viel mehr Leute immer mehr damit auseinandersetzen. Das ist jetzt nicht mehr so eine kleine Minderheit, die sagt: Ja, wir sind die Feministen, wir verbrennen unsere BHs und lassen unsere Achselhaare wachsen, sondern es jetzt viel größer.
Oberkörperfrei auch einer eurer Songs des neuen Albums. Selbes Thema, aber im Gegensatz zu Ich sage ja viel mehr in die Fresse. Warum glaubt ihr, dass man im Jahr 2023, wo diese zuvor besprochenen Themen eigentlich selbstverständlich sein sollten, in unserer Gesellschaft immer wieder noch aufgebracht werden muss und dann auch so brutal und aggressiv?
Lotta: Das ist so radikal Raum einnehmen einfach. Wir glauben auch, also wir persönlich haben einfach gemerkt, dass man mit diesem, also man ist dann trotzdem freundlich und versucht auf eine konstruktive Art und Weise Leuten zu erklären, was sie falsch verstanden haben, aber damit kommt man wirklich nicht weit. Ich hatte so viele Diskussionen im Leben, wo wir so waren, die Person versteht das safe, wenn ich mich ruhig mit der hinsetzte und ihr das erkläre. Hieß im Endeffekt dann einfach nur für uns kostenlose Aufklärungsarbeit, plus gestohlene Zeit, die man nicht zurückbekommen hat und eine innere Wut, die man dann einfach hat, weil die Leute es einfach immer noch nicht verstanden haben. Mittlerweile ist es jetzt so, es muss den Leuten nichts erklärt werden, denn das kommt gefühlt eh nicht an und da kann man dann auch einfach mal sagen, halt dein scheiß Maul, es ist jetzt so! Das ist unser neuer Versuch, an die Leute da zu kommen. Radikal einfach Raum einnehmen und mit der Devise es ist jetzt auch mal gut.
Das sehe ich genauso! Den nächsten Song, den ich ansprechen würde, wäre Du und ich – Thema Grapscher, Catcalling, Dickpics etc., das passiert ja super vielen Leuten da draußen. Habt ihr einen Rat damit umzugehen?
Nina: Das ist auf jeden Fall super schwer. Was wir gelernt haben, wenn es jetzt um Sachen geht, wo Leute zum Beispiel aufgrund von Sexismus oder so irgendwelche Sprüche gedrückt bekommen, wenn es jetzt zum Beispiel auch in einem Arbeitskontext ist, ist man ja meistens in dem Moment einfach perplex und hat keine Punchline parat, die man da zurück sagen kann. Muss man auch gar nicht haben, es ist völlig in Ordnung, sich im Nachhinein zu beschweren und das hat nichts mit feige sein zu tun, sondern ist völlig legitim. Es hilft auch voll sich auszutauschen mit anderen Menschen, die diese Erfahrungen gemacht haben, weil man dann merkt, okay, das ist jetzt kein individuelles Problem, was ich habe, sondern das ist halt strukturell und das passiert überall.
Lotta: Wir wollen nicht der Person sagen, das ist unser Tipp, damit umzugehen, weil egal, was sie machen, wie sie damit umgehen, wichtig ist, dass man sich nicht selber die Schuld gibt für so eine patriarchale Scheiße, für die man nichts kann. Deswegen solidarisieren wir als Band uns mit Betroffenen, weil das ist das, was wir machen können. Wir wollen euch keine Tipps geben oder irgendwas, sondern wir sind einfach da und glauben euch, sind euer Rücken, solidarisieren uns.
Was denkt ihr, was sich gesellschaftlich ändern müsste? Also was man als Gesellschaft leisten müsste, dass da mehr Leute gelehrt werden und das so was nicht mehr vorkommt im besten Fall?
Lotta: Definitiv, dass Personen sich angewöhnen sollten, Betroffenen zuzuhören, Betroffenen zu glauben, sich selbst bei Themen zu belesen, nicht immer nur Betroffene zu fragen. So nach dem Motto erzähl du mir mal deine Erfahrungen, so als müsste man das immer aus erster Hand haben, um das nachvollziehen zu können. Man kann auch einfach mal im Internet ein bisschen Recherche betreiben, sich belesen, lesen, wie man ein guter Ally sein kann zum Beispiel. Das sind so Sachen, da muss vor allem der weiße, männliche CIS-Mann, also der hat da schon auch eine Verantwortung, einfach mal aus der eigenen Komfortzone rauszugehen und ein bisschen versuchen, sich hineinzuversetzen in andere Personen und das ein bisschen anzuerkennen, dass man das einfach vielleicht nicht nachvollziehen kann in gewissen Teilen, aber dass man trotzdem einfach offen sein muss.
Johann: Und auch einfach reflektieren, wenn man halt Dinge getan hat, dass man das auch einfach dann nochmal ins Gedächtnis ruft und darüber nachdenkt.
Lotta: Auch keine Gewalttäter schützen, weil das ist ja so der Klassiker mit Tätern schützen und mein Kumpel würde sowas nie machen etc. Oder auch von Eltern, also wir kriegen ja als weibliche Personen immer gesagt, du musst aufpassen, wenn es dunkel ist usw., da quasi die Söhne dazu zu erziehen, dass sie sich auch untereinander austauschen und das auch erkennen, wo sind Grenzen und diese übertrete ich nicht und es ist nicht in Ordnung diese Grenzen zu überschreiten. Solche Sachen sind halt finde ich alles Sachen, die da auch in der Erziehung reinspielen, aber auch gesellschaftlich in der Schule in Bezug auf Aufklärung.
Ich werde jetzt auch mal von dem Thema weggehen, weil da kriegt man auch schnell so eine innere Wut, die man einfach rauslassen mag und man kann sich dann Stunden darin verwickeln. Gehen wir weiter zu einem anderen Thema: Mental Health. Ich spreche die Songs Sims drei und Immer lustig an und in dem Sinne auch das gute Imposter Syndrom. Habt ihr das auch, dass ihr manchmal?
Lotta: Komplett!!! Gerade die Albumproduktion ist da ein gutes Beispiel, weil ich mir wirklich, ich scheiß mir ein vorm ins Studio gehen und Schlagzeug spielen. Und ich spiele seit Ewigkeiten Schlagzeug auf riesigen Bühnen. Ich habe so voll so, wenn ich mit BLOND auf der Bühne stehe, da habe ich null das Gefühl, ich muss mich beweisen oder das Gefühl, aber sobald ich in einem anderen Setting bin und jemand sagt, spiel mir mal das Schlagzeug ein, dann denke ich so, spiele ich überhaupt richtig, kann ich das? Das kickt so oft und das muss ich mir richtig abgewöhnen. Das Gefühl, das wird nicht besser.
Nina: Ich habe mir mal meine erste Gitarre gekauft und ich habe wirklich auch keine Ahnung von Gitarre obwohl ich selber Gitarre spiele und ich denke dann immer, die merken das und dann nehmen die mir die Gitarre weg und legen mir Handschellen an, ich muss ins Gefängnis, weil ich so getan habe, als ob ich Gitarre spielen würde, obwohl ich natürlich Gitarre spielen kann, wenn ich auf der Bühne bin. (lacht)
Aber schön zu wissen, dass wir alle Menschen sind und mit den gleichen oder ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Speaking of Problems, wie achtet ihr darauf, dass es euch gut geht und helft euch in Momenten, wo es euch mal nicht so gut geht, damit klarzukommen?
Nina: Man hat auf jeden Fall im Freundeskreis, aber auch familiär und auch mit der Crew einen Rahmen aufgebaut, wo man das sagen bzw. sowas ansprechen kann und man auch gesehen und unterstützt wird.
Lotta: Aber allgemein ist es natürlich auch völlig legitim, Hilfe zu holen und zu sagen, mir geht’s nicht so gut und vielleicht auch eine Therapie in Betracht zu ziehen.
Völlig richtig! Ja wow, das war ein deepes aber sehr schönes Interview mit vielen nicht so leichten Themen. Ich finde aber es sind wichtige Themen, über die man immer wieder aufs Neue sprechen muss und deswegen umso cooler von euch, dass sich eure Songs darum drehen! Vielen Dank fürs Interview und viel Spaß heute Abend bei der Show!
Band im Chor: Danke, wir freuen uns auf euch!!
Blond live:
19.-20.05.23 Konstanz, Campus Festival
26.-27.05.23 Eichstätt, Open Air am Berg
02.-04.06.23 Nürnberg, Rock im Park
02.-04.06.23 Nürburgring, Rock am Ring
20.-23.07.23 Cuxhaven, Deichbrand Festival
28.-29.07.23 Dortmund, Juicy Beats Festival
03.-05.08.23 Diepholz, Appletree Garden
11.-13.08.23 Püttlingen, Rocco del Schlacko
18.-20.08.23 Hamburg, MS Dockville
02.-03.09.23 Darmstadt, Golden Leaves Festival
20.11.23 Dresden, Tante Ju
23.11.23 München, Muffathalle
24.11.23 Stuttgart, Im Wizemann
25.11.23 Freiburg, Jazzhaus
28.11.23 Frankfurt, Sankt Peter
29.11.23 Köln, Live Music Hall
30.11.23 Hamburg, Uebel & Gefährlich – ausverkauft
02.12.23 Berlin, Astra – ausverkauft
03.12.23 Leipzig, Felsenkeller
26.01.24 Hamburg, Fabrik – Zusatzshow
28.01.24 Berlin – Huxleys Neue Welt – Zusatzshow