Foto-© Edward Bishop
I need a thicker skin
This pain keeps getting in
Tell me what to do
‘Cause I’ve always listened to you
And I’m here at your door
And I’ve been here before
Tell me what to do
‘Cause nothing works without you, oh
I know the hour is late
And I know you’ll make me wait
I can sit outside
I set fire to my pride
What is left to lose?
Nothing left to lose
What is left to lose?
Nothing left to lose, no
(Everything But The Girl – Nothing Left To Lose)
Sie hatten mit Missing nur einen einzigen internationalen Riesenhit (und der ist auch schon sehr lange her), sind aber alles andere als so ein berühmt-berüchtigtes One-Hit-Wonder: Tracey Thorn und Ben Watt alias Everything But The Girl machen seit 40 Jahren erfolgreich Musik, sie sind hochrespektierte Künstler auch jenseits der Charts-Szenerie. Daher verwundert es nicht, dass nun gerade um dieses Comeback zweier 60-jähriger englischer Popmusiker ein ungewöhnlicher Hype entstanden ist. Das Beste daran: Die Vorfreude auf das erste Album von Everything But The Girl seit fast einem Vierteljahrhundert war berechtigt. Denn Fuse ist eine Rückkehr nach Maß, weil es verschiedene Elemente dieses Bandprojekts in zehn edel schimmernde Electro-Pop-Songs übersetzt und damit ganz viele EBTG-Fans glücklich macht.
Der jazzige akustische Folkpop der Anfangszeit mit Eden (1984) ist hier zwar nicht mehr zu hören, aber die für Thorns vornehme warme Alt-Stimme maßgeschneiderten Torch-Balladen liefert Fuse durchaus. Und auch smarte Beats und Grooves (Marke Old School, aber in gut) hat Watt wieder aus seinen Keyboards gezaubert – manches ist fast so relaxt tanzbar wie seinerzeit Missing im treibenden Todd Terry Club Mix. Die Comeback-Single Nothing Left To Lose aus dem Januar deutete bereits an, dass Everything But The Girl nach zwei voneinander unabhängigen Solo-Karrieren mehr als nur eine bescheidene Reunion planen, dass sie immer noch als bestens eingespieltes Paar (sowohl künstlerisch als auch im wirklichen Leben mit drei gemeinsamen Kindern) unterwegs sind.“I need a thicker skin / this pain keeps getting in / tell me what to do / ’cause I’ve always listened to you” – schon die ersten Textzeilen von Fuse enthalten diese für das Duo so typische Melancholie bei tiefer gegenseitiger Verbundenheit.
“We sort of became quite strictly independent of each other. This is my work, I’m going to finish it, you can hear it and make helpful comments, but you’re not part of it”, sagte Thorn dem britischen Guardian kürzlich über die Zeit seit dem bisher letzten Album Temperamental (1999). Mit dieser unabhängigen Ausrichtung ist es nun wieder vorbei, und das ist angesichts der Qualität von Fuse eine gute Nachricht. Eine stilistische oder klangtechnische Weiterentwicklung findet zwar nicht statt – aber hatte man das ausgerechnet von Everything But The Girl ernsthaft gewünscht?
Zumal ja der Gesang der längst auch als Solo-Albumkünstlerin und Buchautorin erfolgreichen Tracey Thorn neue Seiten bietet, weil er auf faszinierende Weise gereift und nachgedunkelt ist. “Meine Stimme hat sich im Laufe all der Zeit nur wenig verändert, und dann, in den letzten fünf Jahren, ganz plötzlich“, sagte sie dem Rolling Stone (April-Ausgabe). “Jetzt klingt sie nicht mehr so glatt, und das finde ich toll. Es gibt ein paar Tracks auf dem Album, bei denen ich buchstäblich an den unteren Rand meines Stimmumfangs gehe.“ Ben Watt, der mit feinen Songwriter-Platten und als gefragter DJ ebenfalls keine Langeweile hatte, fügt hinzu: „Traceys Stimme galt vielen als sakrosankt, als unantastbar.“ Daher sei allen klar gewesen, dass der Gesang teilweise verfremdet, verzerrt und in der Tonhöhe verschoben werden musste.
Thorn erzählt über die Entstehung von Fuse, einem Album, mit dem viele EBTG-Fans aus den 80er und 90er Jahren nun wirklich nicht mehr gerechnet hatten: “Natürlich waren wir uns des Drucks bewusst, den ein so lang erwartetes Comeback mit sich bringt. Wir versuchten, in einem Geist offener Verspieltheit zu beginnen, noch ohne klare Richtung und offen für Neues.”
Das ist dem Paar mit wunderbaren Liedern wie Caution To The Wind, Run A Red Light oder Lost (eine kongeniale Verbeugung vor großen Pop-Melancholikern wie The Blue Nile oder David Sylvian) geglückt. “Es war aufregend. Eine ganz natürliche Dynamik entstand”, so schildert Watt seine Eindrücke von den Aufnahmen in den Riverside Studios Bath. “Wir konnten ohne viele Worte, oft nur über flüchtige Blicke kommunizieren und instinktiv zusammen schreiben. Es wurde ganz von selbst zu mehr als der Summe unserer beiden Persönlichkeiten – eben zu Everything But The Girl.“ Schöne Worte – schöne Platte.
Everything But The Girl – Fuse
VÖ: 21. April 2023, Virgin Records
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