Vom 20.-23.04. war deutschlandweit wieder Fantasy Filmfest… einzig Frankfurt durfte erst eine Woche später vom 27.04. – 30.04. den abseitigen Film feiern. Da unser Stammkino die Harmonie in Frankfurt ist, mussten wir und somit nun auch ihr etwas länger auf das Festival und den Festivalbericht warten. Gelohnt hat sich das aber auf jeden Fall. Nachdem wir die letzten Male schon immer den Internationalisierungstrend (siehe White Nights 2023 und Nights 2022) gelobt hatten, melden sich dieses Mal auch die größeren englischsprachigen Produktionen nahe des Mainstreams zurück.
So gab es zum Auftakt den neuen Evil Dead-Film zu sehen. Regisseur Lee Cronin hatte vor Evil Dead Rise mit The Hole in the Ground nur einen (Horror-)Film abgeliefert und der war zwar nicht besonders gut, aber immerhin etwas Besonderes. Denn mit seinem Fokus auf irische Folklore, einer alleinerziehenden Mutter und dem kaum fassbaren Grauen, wenn die Bedrohung aus dem Inneren der Familie kommt, war er erfrischend anders. Zum Glück haben Sam Raimi und Bruce Campbell, Erschaffer und nunmehr Hüter und Produzenten der Evil Dead-Reihe das Potential erkannt – das Potential dieser Elemente, vor allem aber das Potential von Lee Cronin. Evil Dead Rise bringt wie Scream VI oder Jason Takes Manhattan sein Franchise in die Großstadt, wird dabei aber anders als die ikonischen Slasher, persönlicher denn je. Anstatt einer Gruppe Teenager in einer Blockhütte (wobei auch die vorkommt), wird eine alleinerziehende Mutter mit ihren drei Kindern in einer heruntergekommenen Apartmentwohnung von dem Bösen heimgesucht. Fans kriegen dabei eine nahezu perfekte Mischung der bisherigen vier Teile, nicht so ernst und brutal wie Teil Eins und Vier, nicht so überdreht wie Teil Zwei und Drei, aber eben von allem etwas. Eine herrliche, komplett neue Balance. Sehr brutal, sehr dreckig und derbe, definitiv nichts für schwache Nerven und dennoch in einigen Momenten überraschend komisch und durchgehend berauschend…absolut groovy eben.
Ebenfalls groß und in Englisch gedreht, aber inhaltlich wie auch vom Team her durch und durch finnisch ist Sisu. Ein Film, so stylisch, dreckig, wortkarg und effektiv wie sein Protagonist Aatami, der unsterbliche Nazi-Zerstörer. Wobei, unsterblich ist er nicht, er weigert sich nur zu sterben. Herrlich schwarzhumorig und mit einer brennenden Liebe zum Trash- und Genrekino inszeniert. Weniger John Wick, mehr Inglorious Basterds und auch wenn er das (Genre-)Kino nicht neu erfindet, ein bis zwei Arten, auf die man Nazis noch nie hat sterben sehen, wird hier jeder mitnehmen, ebenso wie Überlebenstricks und Selbstmedizin, bei der sogar Rambo zusammen zucken würde. Und der hat immerhin Stichwunden selbst genäht und Schusswunden mit Schwarzpulver ausgebrannt.
Und weil Nazis zerstören immer eine gute Idee ist, gab es mit Blood & Gold auch einen deutschen Beitrag, der zunächst ähnlich gelagert zu sein scheint. Da Genre in Deutschland immer etwas schwierig ist, drängt sich die Erwartung an einen schlicht etwas weniger stylischen Sisu oder einen hölzernen Inglorious Basterds auf, ihr bekommt aber einen innovativen (Anti-)Nazi-Western. In der Filmhistorie irgendwo nachdem die Spaghetti-Western aufhören, aber eine Weile bevor Tarantino anfängt, da hat Regisseur Peter Thorwarth viel Blut und Gold gefunden. Nachdem sein Netflix Vampirfilm Blood Red Sky schon sehr geil, aber noch ein bisschen „sehr geil für einen deutschen Genrefilm“ war, ist Blood & Gold einfach nur ein sehr geiler Genrefilm und sogar noch besser, weil er ein deutscher Genrefilm ist. Besonders, da er gekonnt moderne Stilmittel benutzt, um eine deutsche Geschichte zu erzählen. Jeder der schon einmal gedacht hat, „schade, dass wir auf internationalem Niveau nur bei Nazifilmen mithalten können“, darf sich freuen, denn hier halten wir locker auf internationalem Niveau mit und das mit einem Film, mit Nazis. Hoffentlich geht Herr Thorwarth weiter mutig voran, um voller Diversität und Innovation und zur Not mit Raketenwerfern den Staub aus der deutschen Filmlandschaft zu blasen. Ab dem 26.05. könnt und solltet ihr euch von dem Film auf Netflix überzeugen lassen und die Wartezeit gerne mit dem ebenfalls sehr sehenswerten Blood Red Sky überbrücken.
Mit Smoking Causes Coughing sei euch dann noch Quentin Dupieuxs zugänglichster und lustigster Film ans Herz gelegt. Mit der Tabacco Force nimmt er Sendungen wie Power Rangers, Captain Planet und Teenage Mutant Ninja Turtles auf die Schippe. Der Humor ist trocken, schwarz und absurd, die Handlung irgendwie sinnlos und die 77-minütige Laufzeit für eine Aneinanderreihung von Sketch-Show Gags genau richtig.
Ein bisschen Kritik muss aber euch sein, denn nachdem uns Ti Wests X in 2022 extrem positiv überrascht hat, war dies bei Pearl leider nicht der Fall. Eigentlich erfährt man hier nichts, was nicht schon in X recht klar angedeutet wurde. Man merkt, dass Hauptdarstellerin Mia Goth das Drehbuch mitgeschrieben hat, denn in Ti Wests X-equel bekommt sie ausgiebigst Gelegenheit dazu, zu zeigen, was sie kann (und das ist ohne Zweifel spektakulär). Stilistisch in einem Wizard of Oz-artigen, idyllisch ländlich, unschuldig anmutenden Anstich gehalten, bietet das Setting den perfekten Kontrast für Pearls emotionale Labilität, die dadurch durchaus gleichermaßen Spaß und Angst bereitet. Die Gewaltexzesse steigern den Puls allerdings kaum und letztendlich verlässt der Film weder wörtlich noch sprichwörtlich Kansas.
Auch der Abschlussfilm von Keishi Kondo überzeugte nicht auf ganzer Linie. Sein sperriger Debütfilm New Religion lässt sich mit jeder Szene so viel Zeit, dass es sich oft wie Zeitlupe anfühlt. Selbst nach diesem Maßstab dauert es lange, bis die ersten Horrorfilmelemente auftauchen. Was genau passiert, abgesehen davon, dass eine junge Frau durch den Tod ihrer Tochter von Trauer und Schuldgefühlen geplagt wird, bleibt vage. Man hat viel Gelegenheit, seinen eigenen Film zu drehen, so wie uns Kondo in seiner Videobotschaft aufforderte, während man sich von diesem Kunstwerk berieseln lässt.
Insgesamt auf jeden Fall ein Lineup, auf das wir gerne eine Woche länger gewartet haben, voller Filme, die man im Auge behalten sollte, um sie im Laufe des Jahres im regulären (Heim-)Kino zu genießen. Im September kommt dann wieder die volle Ladung mit einer ganzen Woche Fantasy Filmfest. Und es geschehen noch Zeichen und Wunder, dieses Mal schreitet Frankfurt gemeinsam mit München voran, während die Hamburger und sogar die Berliner, zumindest wörtlich, das Nachsehen haben.