JUNGSTÖTTER – One Star


Foto-© Clemens Schmiedbauer

Everything in me is new and light like air
Every thing is freed
It is new and free of care
A dead start

True longing heart enters your hand
For I weave the way this one will turn out
To be called
To lose and mend and what I see
Every ache in me is air

(Jungstötter – Air)

Er macht auf Fotos einen so ernsten, introvertrierten Eindruck, dieser Fabian Altstötter – vielleicht wirkt sein scherzhaft modifizierter Künstlername auch deswegen irritierend: Unter dem Alias Jungstötter hat der einstige Frontmann von Sizarr, der wohl auf ewig einzigen bedeutsamen Rockband aus Landau in der Pfalz, bereits mit seinem ersten Soloalbum Love Is (2019) aufhorchen lassen. One Star, der in der Indie-Szene mit Spannung erwartete Nachfolger, dürfte ebenfalls begeisterte Reaktionen hervorrufen.

Was sicher nicht zuletzt an der phänomenalen Stimme des zuvor in Berlin, jetzt in Wien lebenden Singer-Songwriters liegt. Jede Menge ehrenvolle Vergleiche wurden für Jungstötters dunklen, warmen Gesang bemüht, der auf Love Is in eine entsprechend getragene, ja plüschige Produktion (Max Rieger/Die Nerven) eingebettet war.

Von einem deutschen Nick Cave war die Rede, vom großen Scott Walker natürlich, auch mal von Mark Hollis (Talk Talk) oder von der grabestiefen Stimme schlechthin – Leonard Cohen. Zu Air, einer Single-Auskopplung auf dem Weg zum neuen Album, wurden ebenfalls bereits begeisterte Assoziationen geäußert: “Gorgeous. In the time of David Sylvian retirement, this kind of music is much needed”, so lautet eine davon, Hayden Thorpe (früher Wild Beasts) oder Tamino fielen einem anderen Youtube-Nutzer als Vergleiche ein.

Hält One Star nun auch beim Songwriting den Kritiker- und Fan-Lorbeeren für Jungstötters Vocals stand? Nicht jeder Track erschließt sich so rasch wie die Lieder des Debüts, die zumindest beim Autor dieser Review-Zeilen besser ins Ohr gingen. Fabian Altstötter alias Jungstötter hat es sich (und manchen Verehrern der ersten Stunde) offenkundig nicht leicht gemacht mit dem berühmt-berüchtigten zweiten Album. Den einfachen Weg wählt er mit vertrackten, komplexen Liedern wie Ribbons oder My Fear Is But A Looting Game jedenfalls nicht. Die PR-Ankündigung, hier gehe es um “ein Gebirge von einem Album”, trifft es ganz gut – Berge sind halt meist eher mühevoll zu meistern.

Der Opener Know mit seinem getragenen, gewiss nicht an schnellen Spotify-Clicks orientierten Einstieg gibt gleich schon mal die Richtung vor – Jungstötter zieht eine magische Sogwirkung inklusive atonaler Sound-Elemente der glatten Zugänglichkeit vor. Auch das darauf folgende Crooner-Stück Sensation nimmt sich Zeit – der Vergleich zum David-Sylvian-Meisterwerk Secrets Of The Beehive (1987) oder zu den späten Japan-Alben liegt hier nahe, ebenso bei Thrashers Swath.

Nothing Is Holy klingt experimentell im Talk-Talk-Modus – auch wenn sich manche Fans wohl schon jetzt etwas mehr Abwechslung wünschen werden. Aber Jungstötter, der in Wien mit der ebenfalls sehr eigenständigen Indiepop-Musikerin Anja Plaschg alias Soap&Skin zusammenlebt, zieht sein Programm durch: wenige Beats, viel Atmosphäre, der Fokus immer auf dieser vollen, faszinierenden Stimme und den raffinierten Streicher/Bläser- Arrangements. One Star ist eine mutige, selbstbewusste, auch kompromisslose Art-Pop-Platte. Und sie dürfte wachsen.

Jungstötter – One Star
VÖ: 28. April 2023, PIAS
www.jungstotter-one-star.com
www.facebook.com/jungstotter

Jungstötter Tour:
03.05.23 Leipzig, UT Connewitz
04.05.23 Köln, Kulturkirche
05.05.23 Berlin, Volksbühne
16.05.23 München, Ampere

YouTube Video

Werner Herpell

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