Foto-© Mason Rose
Lipstick lover
My lipstick lover
I like lipstick on my neck
Let me know I’m ya number one select
I like lipstick on my neck
Hands around my waist so ya know what’s coming next
I wanna feel ya lips on mine
I just wanna feel a little tongue
We don’t have a long time
Ooh, ya talkin’ nasty, and I like it
Whisper in my ear, only me and you can hear
I seen it from the back, and I’m excited
Tell me what you doing when we walk up in the room
I hope it’s something nasty, we can try it
Bite me on my neck, and you know what’s coming next
We can make a movie, I can write it
Let’s just make a move, baby
‘Cause for your love, I’ll take my time
Just wanna feel your hips on mine
I really got a thing for my lipstick lover
I’ll do anything for my lipstick lover
(Janelle Monáe – Lipstick Lover)
Genderfluides Auftreten, Sexpositivität und coole Blackness, queere/nonbinäre Selbstfeier, Mut zur Nacktheit, explizite Videos und explizite Sprache: Schon vor der Veröffentlichung von Janelle Monáes neuem Album sorgte das ganze Drumherum für reichlich PR-Thermik. Die Sängerin, Tänzerin und Schauspielerin aus Kansas City hat sich entschieden, nach einigen bereits unverblümt erotischen Songs auf The Electric Lady (2013) und Dirty Computer (2018) nun gar kein Blatt mehr vor den Mund zu nehmen. “Freer than ever” betitelte der US-amerikanische Rolling Stone ein tatsächlich nur wenig verhüllendes Cover-Porträt und eine schwärmerische Story, Monáe bezeichnete ihre erste Single Lipstick Lover selbstbewusst als “our freeassmothafucka anthem”.
Und ist der Anlass – ein Album, das natürlich The Age Of Pleasure heißen muss – die ganze Aufregung nun wert? Auch auf die Gefahr hin, den Partycrasher beim Janelle-Monáe-Festival diesen Sommers zu spielen und den vielen absehbaren Lobeshymnen zu widersprechen: Wer diese Künstlerin vor 13 Jahren mit dem phänomenalen Album The ArchAndroid entdeckte, könnte diesmal enttäuscht sein. Denn während Monáe damals (und teilweise auch noch auf den folgenden Studioplatten) mit einem Genre-übergreifenden Soul-Jazz-Funk-Pop-Hybrid in Prince– oder Stevie Wonder-Manier glänzte und sich sogleich als eine der wichtigsten afroamerikanischen Musikerinnen ihrer Generation etablierte, ist The Age Of Pleasure ein ziemlich laues Lüftchen.
Etwas Afrobeat (im Opener Float mit dem Nigerianer Seun Kuti & Egypt 80), eine Prise Jazz (in den zugegebenermaßen virtuos arrangierten Bläsersätzen), gelegentliche HipHop-Exkursionen (nichts Neues bei Monáe, sie ist zusätzlich zu all ihren anderen Talenten auch eine hervorragende Rapperin), und ganz viel sonniger Reggae: The Age Of Pleasure übertreibt es mit dem Vergnügen und macht es dem Hörer zu einfach. Verbale Anzüglichkeiten (die üblichen “bitches” und “fucks”) und offensiv formulierte Geilheit (“I’m feeling so sexy, hmmmmm….” oder “I’m horny…”) prägen die Texte, denen eine politische Botschaft in Zeiten von Black Lives Matter fehlt.
Janelle Monáe inszeniert sich zu einem milden karibisch-afrikanischen Cocktailparty-Sound als lustbetonte LGBTQI-Stilikone – ihr gutes Recht, für meinen Geschmack aber zu wenig bei einer Musikerin diesen Formats, die sich hier als Songwriterin und auch als Sängerin unterfordert. Fast hat man den Verdacht, dass ihre Rolle im federleichten Streaming-Filmhit Glass Onion, gedreht unter der Sonne Griechenlands, die neuen Stücke beeinflusst hat. Den Aufstieg der 37-Jährigen in die Superstar-Liga wird dieses höchstens mittelmäßige Album natürlich nicht stoppen. The Age Of Pleasure ist eine gut gemachte, sexy Sommerplatte – nicht weniger, aber leider auch nicht mehr. Beim nächsten Mal darf Monáe also gern wieder als mutige Black-Music-Erneuerin auftreten.
Janelle Monáe – The Age Of Pleasure
VÖ: 09. Juni 2023, Warner Music
www.jmonae.com
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