Foto-© Munachi Osegbu
Things are either black or they are white
Things are either wrong or they are right
Things are either good or they are bad
Things are either happy or they’re sad
Can a person say that they exist
When so far they managed to resist
Any definition, any key
You are like the fog there from the sea
I’m at a loss
Because, oh, you’re not that well defined
A sketch where someone’s erased the lines
I’d say that you’re not that well defined
A photograph after too much wine
(Sparks – Not That Well-Defined)
Klar, man kann die Sparks als schrille ältere Herren abtun, die seit 50 Jahren das Schrillsein zu ihrem Markenzeichen erhoben (und dabei auch so manches Mal die Grenze zur Peinlichkeit überschritten) haben. Man kann sich fragen, ob Keyboarder Ron Mael (77) und Sänger Russell Mael (74) im Mittsiebziger-Alter nicht etwas seriöser rüberkommen und musizieren könnten, als es auch die neuesten PR-Bilder und Songs hergeben. Aber das führt bei diesem hochverdienten Artpop-Projekt, dem wohl langlebigsten überhaupt, nicht zum Kern. Auch nicht bei The Girl Is Crying In Her Latte, dem Studioalbum Nummer 26 in fast doppelt so vielen Karriere-Jahren.
Was mit dem Glamrock-Hit This Town Ain’t Big Enough For Both Of Us und dem Album Kimono My House 1974 begann, ist als innovativ schräges Brüder-Duo längst in der Hochkultur angekommen. Damals trug Ron Mael noch ein Charlie-Chaplin-Bärtchen (heute Menjou) und Russell Mael ein wilde Lockenmähne, die inzwischen zu einem dunkel gefärbten Topfschnitt gebändigt wurde. Beide wirken mittlerweile seltsam alterslos, und musikalisch können die Sparks ohnehin nichts mehr falsch machen mit ihrem herrlich abgedrehten, zeitlosen Sound für Discos, Gay-Bars, Galerien, Arthouse-Kinos und Feuilletons gleichermaßen.
Auch für die 14 Tracks von The Girl Is Crying In Her Latte (was für ein Albumtitel mal wieder) liegen ihnen Kritiker und Fans bereits zu Füßen. Quietschende Synthie-Fanfaren, bollernde Dance-Beats, bonbonbunte Melodien, ironische Texte und Russells manirierter, ewig junger Diven-Gesang – mehr braucht es nicht für eine neue Hyper-Pop-Mixtur der “Funken”.
Aber was so leicht und mühelos klingt, auch wieder auf diesem Album, ist letztlich ein über Jahrzehnte gewachsenes, ambitioniertes Konzept, dem viele große Acts – von Queen über Duran Duran und Pet Shop Boys bis zu Franz Ferdinand – wichtige Inspirationen verdanken. Die Sparks knüpfen damit nahtlos an die vorherigen Spätwerke Hippopotamus (2017) und A Steady Drip, Drip, Drip (2020) sowie an ihren Musicalfilm-Soundtrack Annette (2021, mit Marion Cotillard und Adam Driver in den Hauptrollen) an.
Aktuelle Tracks wie das fantastische Not That Well-Defined, das programmatische We Go Dancing oder Take Me For A Ride wachsen schnell zu Kandidaten für die eigene Best-of-Sparks-Playlist heran. Und originelle Songtitel wie den des Titelstücks, The Mona Lisa’s Packing, Leaving Late Tonight oder Gee, That Was Fun macht ihnen sowieso keiner nach.
Das Album ist zwar keine neuerliche Wendung in dieser zuletzt durch den Dokumentarfilm The Sparks Brothers von Edgar Wright zusätzlich in Hollywood-Kreisen geadelten Laufbahn – “nur” wieder mal ein irre kurzweiliges Vergnügen. Die Maels bleiben die ultimative Kultband – “the greatest band You’ve never heard of” (so unkte noch vor zwei Jahren die altehrwürdige BBC) sind sie aber sicher nicht mehr. Dafür kennen längst viel zu viele Pop-Fans in der ganzen Welt die wunderbar unkonventionellen Sparks.
Sparks – The Girl Is Crying In Her Latte
VÖ: 26. Mai 2023, Island Recors
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