Foto-© Eimear Lynch
You think I’m about you
Well, I’m not
The center of my world, is a hotspot
You think that you know me
You’re belong me
And you don’t
All of the people
They can fly
Straight to the white hotel
Up In the sky
I’m hard as my money
Yeah, you’re soft as a lie
Well, a smile could be made so endless
Just happy, free and friendless
No paper lending
Just time, spending
Yeah
(Grian Chatten – All Of The People)
Es geschah 30 Meilen nördlich von Dublin, an einer windgepeitschten Promenade bei einem kleinen, versteckten Spielcasino, dass Grian Chatten als Songwriter seine ganz sanfte Seite entdeckte. Vielleicht hatte es auch damit zu tun, dass er zu einem Tribute-Album für den tragischen Folk-Sänger Nick Drake (1948-1974) den Beitrag Cello Song mit seiner Post-Punk-Band Fontaines D.C. zu liefern hatte – jedenfalls flossen dem jungen irischen Rock-Großtalent die melancholisch-melodischen Lieder nur so aus der Feder.
“I was walking along Stoney Beach at night and it came to me on the waves”, erinnert sich Chatten. “I just stood there and looked at them and I heard the whole fucking thing. Every part of it, from the chord progressions to the string arrangements.” Das Ergebnis ist eines der schönsten, auch unerwartetsten Singer-Songwriter-Alben des bisherigen Musikjahres. Oft sind Soloalben von Frontleuten erfolgreicher Bands nicht wirklich notwendig – aber hier ist es mal so. Chaos For The Fly ist anders, aber kein bisschen schwächer als Chattens Platten mit den Fontaines D.C., von denen zuletzt Skinty Fia (2022) auf Platz #1 der Album-Charts im UK und in Irland kam.
Schon in The Score, dem ersten Track seines Solo-Debüts, kommt der Sänger mit akustischer Gitarre, ploppendem Bass und seinen lieblichsten Vocals daher. In Last Time Every Time Forever gibt er den tieftraurigen Crooner, in Fairlies lässt er die Irish-Folk-Fiddles auf den Hörer los. Bob’s Casino, der überraschendste Track von allen, bezaubert mit prachtvoller Burt-Bacharach-Trompete, zarten Strings, Grian Chatten im Lee-Hazlewood-Modus und dem tollen Co-Gesang seiner Lebensgefährtin Georgie Jesson – all das zusammen ergibt eine goldene Sixties-Atmosphäre.
Schon nach vier von neun Stücken ist klar: Fans von Damon Albarn und Richard Hawley, denen der junge Dubliner auch stimmlich ähnelt, von Billy Bragg und Arctic Monkeys (deren opulentes Meisterwerk The Car aus dem Vorjahr gleich mehrfach anklingt) sollten hier unbedingt hinhören. Dabei schafft es Chatten scheinbar mühelos, an all diese Britpop-Ikonen zu erinnern, ohne sie je zu kopieren.
All Of The People schürt die Begeisterung als souverän majestätische Ballade, der mit fünf Minuten längste Song East Coast Bed bleibt danach in der Barock-Pop-Spur mit Chattens erneut brillanter Gesangsleistung und melancholischer Trompete. Salt Throwers Off A Truck hat ein freches Akustik-Punk-Folk-Flair, ehe I Am So Far eine Mundharmonika (von Chatten selbst gespielt) und erneut Jessons edle Background-Vocals für ein cineastisches Klangbild aufbietet.
Season For Pain ist dann der angemessen epische Abschluss-Track eines fantastischen Albums, das im UK und in Irland neben euphorischen Kritiken sehr gute Verkäufe einheimst. Mit Chaos For The Fly setzt Grian Chatten ein Ausrufezeichen im Britpop- und Singer-Songwriter-Segment, ehe Blur (VÖ The Ballad Of Darren 21.07.) und Dexys (früher Dexys Midnight Runners; VÖ The Feminine Divine 28.07.) in diesem Sommer mit ihren Comebacks (Achtung: Spoiler!) ebenfalls nachhaltig begeistern werden.
Grian Chatten – Chaos For The Fly
VO: 30. Juni 2023, Partisan Records
www.grianchatten.com
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