Foto-© Stephan Strache
Parallel zum Branchenriesen Hurricane/Southside bewies das Maifeld Derby auch dieses Jahr einmal mehr, dass auch bei uns in Deutschland ein anderes Festivalerlebnis möglich ist: musikalisch divers und spannend mit Qualität statt Namedropping. Kluge Nutzung von vorhandenen Infrastrukturen und Kooperation mit lokalen Partner*innen. Mitarbeitende Menschen, die einem freundlich und auf Augenhöhe begegnen und eine Festivalcrowd, die übers Feiern und die Musikbegeisterung nicht das Gespür für ein respektvolles Miteinander verliert. Egal, wer wo spielt, immer ist der Weg zur Bühne ohne Drängeln und Rempeln möglich. Die Wege sind kurz und zeitgleich entspannt zurückzulegen, da alle Besucher entspannt und rücksichtsvoll unterwegs sind. Gefühlt wird hier alles richtig gemacht und damit ein Festival auf die Beine gestellt, dass man nur lieben können.
Doch was macht das Maifeld Derby so besonders?
Samstagmorgen. Gero und ich sitzen bei einer Tasse Kaffee im Schatten eines Baumes. Achim kommt angeradelt. Aufhänger des Gesprächs ist Geros T2. Achim besitzt auch einen. Ihre Bulli-Historie weist fast schon unheimliche Parallelen auf: nahezu zeitgleich vor gut 20 Jahren zum nahezu gleichen Preis erworben. Seitdem gepflegt und immer mehr in den eigenen Wunschbulli verwandelt. Natürlich ist Geros Bulli überall ein Eisbrecher und wir kämen sicherlich auch auf dem Hurricane oder dem Southside über den Bulli ins Gespräch mit anderen Menschen. Was hier aber das Besondere an der Begegnung ist, dass Achim an der Produktion des Festivals beteiligt ist, einer der (ehrenamtlichen) Helfer*innen ist. Eigentlich müsste Achim jetzt im Stress sein. Stattdessen verfällt er bei uns in ein Gespräch über Bullis und das Maifeld und strahlt dabei diese Entspanntheit und das Familiäre aus, dass das Maifeld Derby für uns – egal wo auf dem Festivalgelände – immer ausstrahlt. Wir bekommen Anekdoten der perfekt gelebten Partizipation aller Beteiligten geschenkt. Wir vernehmen von Referenzkünsterler*innen die initiativ auf dem Maifeld Derby spielen wollen (und spielten) und wir bekommen Gänsehaut von Achims Erzählung, wie sich Booker und Festival-Chef Timo 2014 einen seiner absoluten Bookingträume erfüllte. Alles wird nochmals plastischer und nahbarer. Menschlicher.
Achim treffen wir fortan laufend wieder: hinter, neben und vor den Bühnen des Festivals. Aber es ist nicht nur Achim. Achim steht exemplarisch für alle am Maifeld Derby beteiligten Menschen. Alle hier haben ihre Maifeld Momente, Anekdoten und Geschichten. Egal ob helfend oder besuchend. Auch wir arbeiten gerade an solchen Momenten und Anekdoten.
Da Bedroomdisco aber ein Musikblog ist, wollen wir auch ein paar Worte zur Musik der diesjährigen Ausgabe verlieren. Gerade aufgrund der Diversität des Bookings nimmt jeder die musikalische Ausrichtung des Festivals subjektiv anders wahr. Feierten viele Menschen, deren Musikgeschmack ich sehr schätze, die härteren Klänge von Death Grips, Surf Curse, Viagra Boys, Pisse, Zulu, Ditz oder dem Peter Muffin Trio und die Energie von Sevadaliza, Noga Erez oder Loyle Carner, so hatte für mich das diesjährige Maifeld Derby einen viel ummantelnderen Sound. Etwas von an- und heimkommen. Einen Mix aus Dreampop und Shoegaze. Etwas das mich zum Verweilen und zeitgleich Versinken und Wegträumen einlud.
Freitags brauchte es etwas, bis mir dieser Zustand glückte: Erstmals bei Kerala Dust. So richtig dann bei Bat For Lashes und Temmis.
Samstag waren wir mit Beginn des Musikprogramms schon da. Entsprechend verzauberten uns zeitlich bereits viel früher, viel intensiver die ersten Bands: Sorcha Richardson und Caroline Rose waren wunderbar und nahmen uns beide bereits sehr intensiv mit. Noch mehr in den Sog zog mich dann aber Hope. Es war viel zu warm im Hüttenzelt. Und doch wollte ich nicht gehen. Zumindest Dave Gahan und Martin Gore scheinen meine Begeisterung für die Berliner zu teilen. Dachte ich da noch, mehr Ummantelung und mehr Vereinnahmung gehe nicht, wurde ich wenig später eines Besseren belehrt. Und das sogar in den Weiten der Open Air Bühne. Warpaint nutzten die mittlerweile laue Sommernacht, um uns alle mit auf eine Reise zu nehmen.
Ganz ohne Kritik kommt aber selbst diese Lobhudelei des Maifeld Derby nicht aus:
Warum zum Henker mussten Phoenix & The Haunted Youth nahezu zeitgleich spielen? Zweiteilen geht immer noch nicht. Entscheiden zwischen beiden ebenfalls nicht. Also etwas Phoenix, dann etwas The Haunted Youth und dann nochmal etwas Phoenix. So oft ich im Anschluss auch vernahm, dass mich dieses Pendeln einen grossartigen kompletten Phoenix Auftritt kostete, so oft erwiderte ich, dass das kein großer Verlust war, sondern das mir vielmehr ein Verschmelzen mit Musik im Hüttenzelt geschenkt wurde. So war ich bei Teen Rebel zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und war ich von The Haunted Youth nach ihrem Auftritt im Bumann und Sohn bei der c/o pop bereits vollends verzaubert, so setzten sie hier nochmals ein Schippchen drauf. Sie können auch größere Bühnen, ohne auch nur etwas von ihrem Zauber einzubüßen.
Zum sonntäglichen Finale schafften wir es dann endlich auch wieder einmal häufiger und länger zum Parcours D’Amour. Kein Maifeld Derby ohne diese heimliche Hauptbühne. Einem Ort zum Durchatmen, Verweilen, Krafttanken und Verzaubert werden. Indigo Sparke, Jungstötter und Florist waren wunderbar und zauberten uns ein Lächeln auf die Lippen. Einfach nur Sitzen und phantastischer Musik lauschen. Die Welt kann so wunderbar sein. Überraschung unseres Maifeld Sonntags waren aber M83. Hatten wir sie vorab nur auf ihre Überhymne Midnight City reduziert, kann M83 live so viel mehr und verzauberte uns mit unheimlich dichten, komplexen Soundstrukturen.
Blicke ich jetzt nochmals ins Programm, so komme ich nicht mehr aus dem Schwärmen. Was wir sahen war ausnahmslos gut bis überragend. Manche Künstler*innen passten aber einfach nochmals besser in die eigene Stimmung und Verfassung. Wobei ich nach dem Blick noch unbedingt Baxter Dury und Ekkstacy aus dem Sonntagsprogramm erwähnen mag. Sie stachen aus einem bereits extrem ambitionierten Line Up nochmals hervor.
Das diesjährige Maifeld Derby meinte es nur gut mit uns. Bei durchweg strahlendem Sonnenschein war es – obwohl erst unser zweites Derby – ein Zurückkehren, Ankommen und unmittelbars Daheimfühlen. Dafür können wir allen Beteiligten nicht genug danken.
Und auch wenn im diesjährigen Programmheft für das kommende Jahr bereits einige „Neuerungen, Spinnereien und Überraschungen“ angekündigt werden, widerspricht sich das für uns nicht mit dem Ankommen und Daheimfühlen, mit dem Spirit vom Maifeld Derby. Vielmehr wollen wir auch diese Reise mit bestreiten: nach dem Maifeld Derby ist vor dem Maifeld Derby. Wir sind uns sicher auch 2024 wird das Maifeld Derby phantastisch voll von guter Musik und wir können alle Musikliebhaber*innen nur so ermutigen nach Mannheim aufs Maifeld Derby zu fahren.