Foto-© Shervin Lainez
Sommerpause ade, auch wenn die Newcomer-Sektion uns im August im Stich lässt haben wir wieder 5 Hochkaräter unter den Neuerscheinungen der nächsten Woche ausgemacht, die ihr nicht verpassen solltet – unsere Bedroomdisco Top Alben im August!
1. Buck Meek – Haunted Mountain (VÖ: 25.08.2023)
Auf dem neuen Solo-Album von Big Thief-Gitarrist Buck Meek (übrigens seinem ersten für 4AD, wo auch seine Hauptband und seine Bandkollegin Adrienne Lenker veröffentlichen) geht es um Liebe – und ein paar andere Dinge. Dinge, die größer sind als die Liebe, etwas, das die Liebe nicht direkt in Frage stellt, sondern im Gegensatz zu ihr steht. Eine Seelenfülle, oder eine Seele, die nach Fülle sucht. Die Songs wurden in den Bergen geschrieben: an kalten Quellen in der Serra da Estrela in Portugal, auf dem versunkenen Vulkan von Milos auf den Kykladen, im Valle Onsernone in den Schweizer Alpen (wo das Coverfoto aufgenommen wurde) und in der Santa Monica Range, wo Buck jetzt zu Hause ist – alles Orte, an denen seine neue Liebe geboren wurde. Gleichzeitig erkennt Meek selbst an, dass Liebeslieder am schwierigsten zu schreiben sind. “Keine Trennungslieder, sondern ein echtes Liebeslied, das ernsthaft geschrieben ist? Das ist heute ein Tabu”, sagt er. “Manchmal hat man das Gefühl, dass alle großen Liebeslieder bereits geschrieben wurden.” Die elf neuen des US-Amerikaners klingen mal nach der Weiten Prärie seiner Heimat, nach Country, gar Americana, mal wieder nach dem Folk-Rock seiner Hauptband oder den verfrickelten Auswüchsen, die zuletzt auch immer wieder der britische First-Class-Folker Ben Howard präsentierte – immer aber richtig gut.
Buck Meek live:
22.08.23 Berlin, Kantine am Berghain
2. Jungle – Volcano (VÖ: 11.08.2023)
Das britische Produzentenduo Jungle, bestehend aus den Londoner Jugendfreunde Tom McFarland und Josh Lloyd-Watson, präsentiert nur knapp zwei Jahre nach ihrem Erfolgsalbum Loving in Stereo (#3 in den UK Charts, #18 in den deutschen Charts, gefolgt von komplett ausverkauften Tourneen) relativ schnell ihr viertes Studio-Album. Die Entstehungsgeschichte erklärt aber auch warum das Duo so schnell nachschieben kann: Größtenteils geschrieben auf Tour, wurde das Material in einem Airbnb in Los Angeles aufgenommen und anschließend an ihrem Lieblingsort, dem Studio B der Metropolis Studios in London fertiggestellt. Der unverwechselbare Jungle-Sound entsteht dabei wie gewohnt aus zeitlosen Disco, Soul und Hip-Hop-Versatzstücken und wird durch eine neue Vielfalt an Gast-Stimmen (Erick The Architect, Bas, Roots Manuva, Channel Tres und JNR Williams) erweitert. Das Album wirkt dabei wie eine vielfältige Spielwiese für die beiden Retro-Soundtüftler, erinnert mal an die Avalanches, mal an die bisherigen Jungle-Alben – jedoch minus der Hit-Dichte der Vorgänger. Trotzdem eine konsequente Fortführung und ein weiteres gutes, wenn vielleicht auch kein großartiges Album von Jungle!
Jungle Tour:
05.11.23 München, TonHalle
06.11.23 Berlin, Verti Music Hall
13.11.23 Hamburg, Sporthalle
14.11.23 Köln, Palladium
3. Birdy – Portraits (VÖ: 18.08.2023)
Mit gerade mal 12 Jahren gewann Birdy einen Talentwettbewerb, eroberte daraufhin die Welt mit ihren gefühlvollen Piano-Covern (u.a. das Bon Iver-Cover Skinny Love), ihr selbstbetiteltes Debütalbum bescherte ihr 9-fach Platin – als sie gerade mal 14 Jahre alt war! Mittlerweile eine Dekade und drei Studioalben später ist Birdy 2023 zurück mit einem Album zurück, dass sich wie ihre musikalische Renaissance anfühlt, als Rückkehr zu ihren gewohnten Stripped-Back-Motiven, gleichzeitig aber auch immer wieder Ausflüge in die glitzernde Alt-Pop-Welt wagt. Es ist das vielleicht selbstbewussteste Album der britischen Songwriterin bisher, das durch ihr zeitliches Songwriting und die originelle Produktion besticht und Birdy als die kreative Person zeigt, die sie ist.
4. Wolf & Moon – To Get Lost (VÖ: 11.08.2023)
Das deutsch-niederländische Indie-Pop-Duo Wolf & Moon zeigt sich mit ihrem dritten Album To Get Lost auf der Spitze ihres Schaffens und auf den Spuren von Acts wie Oh Wonder, Angus & Julia Stone, The xx oder Lola Marsh! Mal melancholisch, mal euphorisch erzeugen sie auf ihrem zutiefst persönlichen und ehrlichen Album große Indie-Pop Momente, erzeugt von der Reise des Duos durch eine Reihe großer Rückschläge und Herausforderungen, denen sie zwischen 2020 und 2022 ausgesetzt waren. Stefanie teilt mutig ihre Erfahrungen mit zwei Fehlgeburten und der Diagnose Endometriose, um Licht in diese wichtigen Themen zu bringen und das Tabu und die Scham, die sie umgeben, zu brechen. Für Wolf & Moon war der Entstehungsprozess dieses Albums dadurch eine Form der Therapie, indem sie ihre Gefühle und Gedanken auf eine Art und Weise in ihrer Musik zum Ausdruck brachten, die ihre Zuhörer:innen mitnimmt. Das Album befasst sich mit einer Reihe von Themen, wie persönlichen Verlusten, den Auswirkungen des Klimawandels, dem Kampf gegen die Sucht, dem Streben nach Glück und der Vergänglichkeit des Lebens. Trotz der Schwere dieser Themen versprühen Wolf & Moon in ihrem Sound Positivität und Optimismus und schaffen so eine einzigartige Mischung aus entspannten Indie-Songs mit einem mal verträumten und mal eher lebhaften Sound.
Wolf & Moon live:
13.10.23 Leipzig, Moritzbastei
17.10.23 Berlin, Privatclub
22.10.23 Hamburg, Nochtwache
23.10.23 Köln, Blueshell
24.10.23 München, Backstage
22.12.23 Bielefeld, Bunker Ulmenwall
5. My Ugly Clementine – The Good Life (VÖ: 11.08.2023)
Wien, immer wieder Wien! In der österreichischen Metropole geht wieder etwas, wenn es um Indie-Rock-Musik geht – gefühlt immer und bei allen Projekten irgendwie beteiligt oder mittendrin: Sophie Lindinger, Mira Lu Kovacs und Nastasja Ronck. Solo, mit verschiedenen Bandprojekten oder mit ihrer gemeinsamen Supergroup My Ugly Clementine! Mit diesem veröffentlichen sie im August das neue Album The Good Life, das mal roh und schroff daher kommt, mal treibend, intensiv und voller Energie – doch immer scheint man sich den Hang zum Humor und zur Agilität beibehalten und sich zwischen den Grenzen zu bewegen. So klingt die Vorab-Single Feet Up nach Wet Leg, nach 90s Grunge und liefert thematisches Kontrastprogramm: “Boredom muss ja nicht immer negativ sein, manchmal ist es auch gut langsam zu leben. Nach einem Konzert zum Beispiel sitzen wir auch gerne noch im Backstage, trinken einen Gin-Tonic und spielen Brettspiele.” Die dritte Single Would Do It Again plädiert für Selbstakzeptanz und das Vertrauen in die eigenen Entscheidungen – damit sowie mit den anderen Songs des Albums beweist das Trio auf jeden Fall mal wieder die eigene Geschmackssicherheit!
My Ugly Clementine Tour:
30.09.2023 München, Ampere
01.10.2023 Wiesbaden, Schlachthof
10.10.2023 Köln, CBE
11.10.2023 Hamburg, Knust
12.10.2023 Berlin, Hole44
13.10.2023 Dresden, Groove Station
Wiederkehrer: Olivia Dean – Messy (VÖ: 30.06.2023)
Heiß erwartet ist untertrieben, wenn es um das Debütalbum der Britin Olivia Dean geht. Virale Live-Videos, vielbesprochene Shows, Millionen von Streams, das Flair vom coolsten Mädchen der Straße und viel authentischer Soul haben die Erwartungen geschürt, die nun auch erfüllt wurden. Ende Juni erschien Messy dann endlich. In die Musik verliebt hat sie sich schon als Kind, schon mit 8 Jahren wusste sie, dass sie Sängerin werden möchte. Mit 19 veröffentlichte sie ihre erste EP Ok Love You Bye, es folgten What Am I Gonna Do On Sundays? (2020) und Growth (2021). Sie sagt, dass sie sich beim Schreiben von Messy lange mit dem Gedanken aufgehalten hat, dass ein Debütalbum zeigen müsse, wo man angekommen sei – das Wachstum als Künstlerin belegen. Dann habe sie angenommen, dass ihre Entwicklung nie abgeschlossen sein wird und Messy einfach nur abbildet, wo sie gerade steht.
Die Sorglosigkeit, die sie dem Entstehungsprozess der Songs darauffolgend zuschreibt, ist laut und deutlich zu hören. Schicht für Schicht, Detail für Detail nimmt Dean uns mit auf eine harmonische Reise durch Geschichten und Gedanken über das Verliebtsein (Dive und Danger), das Gefühl, vielleicht allein doch besser dran zu sein (No Man) und die Freude über weiblichen Zusammenhalt (Ladies Room). Das klingt jetzt erst einmal recht generisch, die Geschichten sind aber zu intelligent und witzig, um als belanglose Pop-Lyric abgetan zu werden. Der Sound von Messy ist alles andere als unordentlich, sondern warm, einnehmend und voll. Man findet Elemente von Rock und Bossa Nova (Danger), minimalistische atmosphärische Klänge mit wunderbarer Gitarrenbegleitung (UFO), bluesige E-Gitarren und funkigen Bass (Dangerously Easy) und wunderbar beschwingten Soul-Pop in Carmen. Der Track ist eine Hommage an Deans Oma Carmen, die mit 18 in ein Flugzeug stieg und als Teil der Windrush-Generation nach England kam. Er schließt ein Album ab, das Genregrenzen zur Perfektion zerfließen lässt, ohne jemals angestrengt zu wirken.