Foto-© Lucio Vignolo
Jeder will wer sein, dann bin ich lieber nichts
Geht es um die Freiheit, dann bin ich ein Egoist
Zu einer Hälfte Geist und zur andern Hälfte Kind
Ich glaub, mein Vorbild, das war immer nur der Wind
(JEREMIAS – Egoist)
Wenn Blätter fallen, kehrt eine der vielversprechendsten Indie-Pop-Bands Deutschlands in unsere Playlists zurück – und das mit einer noch nicht gekannten emotionalen Wucht: JEREMIAS veröffentlichen am 22. September ihr zweites Album Von Wind und Anonymität.
Erst vor zwei Jahren releaste die Band aus Hannover ihr Debütalbum Golden Hour. Seitdem ging es für die vier Bandmitglieder rasant steil bergauf – und ihr funkiger Indie-Pop durch die Decke: ausverkaufte Konzerte, Interviews über Interviews, eine praktisch täglich wachsende Fangemeinde. Was von außen betrachtet wie der Musiker*innen-Traum schlechthin aussieht, führte im Inneren der Band zu immensem Druck. Wo Konzerte und Songwriting teilweise zur Belastung wurden, musste die Band loslassen lernen und sich selbst neu erfinden, um sich nicht zu verlieren.
Dabei geholfen haben Zeit und neue Orte: zwei Jahre und verschiedene Studios später stand Von Wind und Anonymität. „Der Wind kann zerstören, aber auch ein Segelboot über den Ozean treiben“, so die Band. Diese Message trägt das Album und die Band in eine neue Ära: JEREMIAS besinnen sich zurück auf das Vertrauen in ihre eigene Musik – und gehen nun stärker denn je aus einem spannenden Reifungsprozess hinaus auf die großen Bühnen.
Von Wind und Anonymität ist Schmerztherapie, Befreiung, Liebeserklärung und Hingabe zugleich. Die Band traut sich, Stille auszuhalten und Ruhe einziehen zu lassen – ihre Musik ganz für sich sprechen zu lassen. Der Schmerz ist vorbei zeigt das erste Ergebnis dieses Reifungsprozesses und nimmt uns mit auf die emotionale Reise der Erlebnisse der letzten Jahre.
Darunter der Umzug von Sänger Jeremias, der akustisch-melancholisch und leichtfüßig zugleich in Egoist verhandelt wird. Oder der Zusammenbruch von Gitarrist Oli auf einer Tour, auf den Jeremias mit einem Song antwortet, der wohl der schönste Freundschaftsbeweis aller Zeiten ist: Da für dich rührt einerseits zu Tränen und stärkt andererseits wie kein anderer Song auf dem Album. Das befreiende Gitarrensolo von Oli selbst am Ende des Songs ist der beste Beweis, dass man gemeinsam auch durch die schwierigsten Bandzeiten navigieren kann.
Unique besingt die eine besondere Liebe und wurde durch einen Remix bereits im letzten Jahr ordentlich gehyped. Auf dem hoffnunsvollen Track Julia stehen Stimme und Klavierspiel von Sänger Jeremias ganz im Vordergrund: „Und du wünschst dir den Frühling, ich wünsch‘ mir nur uns zwei / Julia, kommst du noch vorbei?“
Wie gefestigt die Band mit ihrem eigenen Sound mittlerweile ist, hört man auch auf der kürzlich erschienenen Single Goldmund: Besungen wird der ewige Freiheitsdrang, der nicht nur befreiend sein kann, sondern geht auch mit Ängsten einhergeht. Die präsentiert die Band jedoch mit einem musikalischen Selbstbewusstsein in beinahe müheloser Perfektion, sodass man spürt, dass diese Ängste einer Vergangenheit entstammen, die ihren Alltag nicht mehr bestimmt.
JEREMIAS klingen befreit von äußeren Zwängen und Einflüssen. Sie sind und bleiben auch auf ihrem neuen Album die Band mit dem einzigartigen Sound. Die Band, die sich traut, im Indie-Pop neue Wege zu gehen und anders zu sein – aber dabei immer sie selbst zu bleiben. Von Wind und Anonymität ist ein Stück Zerbrechlichkeit und Sanftheit, Hoffnung und Zuversicht, Stärke und Selbstvertrauen. Genau das Richtige, um den goldenen Herbst einzuläuten und den bevorstehenden Winter zu überleben.
Jeremias – Von Wind und Anonymität
VÖ: 22. September 2023, Vertigo Berlin
www.jeremiasmusik.de
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