Foto-© Ebru Yildiz
When memories snow
And cover up the driveway
I shovel all those memories
Clear the path to drive to the store
And when memories melt
I hear them in the drainpipe
Drippin’ through the downspout
As I lie awake in the dark
And if I break
Could I go on break?
Be back in my room
Writin’ speeches in my head
Listenin’ to the thousand hands
That clap for me in the dark
(Mitski – When Memories Snow)
Ein dramatischer Albumtitel, ein dramatischer Auftritt auf dem Plattencover, und dann auch noch großteils dramatische Musik: Mitski, das Songwriter-Naturtalent aus New York, geht auf ihrem neuen Studiowerk in die Vollen. Dabei nähert sie sich zeitweise dem großformatigen Pop einer Angel Olsen oder einer Natalie Mering alias Weyes Blood an – ohne ganz die Wirkung von deren jüngsten Meisterwerken zu erreichen. Ein Zeugnis der stetig wachsenden Reife und Klasse dieser 32-jährigen Musikerin ist The Land Is Inhospitable And So Are We aber allemal.
“Das Land ist unwirtlich, und wir sind es auch” – diese ungemütliche These stellt die 1990 als Mitski Miyawaki in Japan geborene, laut Pass nun Mitsuki Laycock heißende Sängerin zunächst mal lässig in den Raum. Und verbiegt sich für das Cover-Artwork, auf einer Treppe balancierend, in einer ungemütlich wirkenden Tanztheater-Pose. Der Opener Bug Like An Angel bestätigt sogleich den selbstbewussten Ansatz des siebten Albums seit dem im Eigenvertrieb veröffentlichten Lush von 2012: Zu spartanischen Gitarrenakkorden und Mitskis schöner, klarer Stimme gesellt sich, wie aus dem Nichts, ein mächtiges Chorarrangement. Also es gibt Platten, die mit weniger Überwältigungspozenzial starten.
Auf den vergleichweise unaufälligen Folkrock von Buffalo Replaced folgen die wunderschönen Balladen Heaven und I Don’t Like My Mind – zwei Lieder, die mit seidigen Streichern und Pedal-Steel-Gitarren die Vergleiche zu Angel Olsen und Weyes Blood fast unvermeidlich machen. Der letztgenannte, selbstkritische Songtitel deutet an, dass Mitski eine mehr als ernstzunehmende Texterin ist – auch When Memories Snow, My Love Mine All Mine oder I Love Me After You ragen deutlich aus der Masse von Pop-Plattitüden hervor, die man sonst oft so hört.
Die großorchestral auftrumpfenden Tracks When Memories Snow und Star sind letztlich die besten Lieder dieses spannenden Albums – zwei an die epische Grandezza des Scott Walker der späten 60er gemahnende Geniestreiche von allerdings nur knapp zwei beziehungsweise drei Minuten Dauer. The Frost könnte vom Titel her kühl und abweisend klingen, ist aber mit seinem Country-Folk-Flair das genaue Gegenteil.
Mitski lässt sich eben nicht immer einfach durchschauen und schon gar nicht leicht kategorisieren. Das macht ihr neues Album über die gesamte kompakte Spielzeit von rund 30 Minuten zu einem gelegentlich rätselhaften, aber stets nachhaltigen Vergnügen.
Mitski – The Land Is Inhospitable And So Are We
VÖ: 15. September 2023, Dead Oceans
www.mitski.com
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