Foto-© Danny Clinch
Well I kicked and I screamed from zero to four
And I still don’t know what for, maybe gored from matadorin
Or dreaming on the rails of angels dead drunk in the snow
And a train that never blowed, took my legs and I bled out slow
Evening, Evening Star Supercharger
Even, though she’s dying getting larger
Peace without pill, gun or needle or prayer appear
Never found sometimes near but too fleet to be clear
Never roam never flown raked the tracks of my fears
And the grinding metal gears from a carnival of tears
Evening, Evening Star Supercharger
Even, though she’s dying getting larger
(Sparklehorse – Evening Star Supercharger)
Suizide in der Rockmusik – ganz trauriges Thema. Da sind für die vergangenen drei Dekaden natürlich Kurt Cobain (1994), Elliott Smith (2003) und Chris Cornell (2017) zu nennen. Und – obwohl nicht ganz so berühmt, aber kaum weniger wichtig für die US-Indie-Szene – der brillante Alternative-Folkrocker Mark Linkous von Sparklehorse. Während der Arbeiten zu einem Album mit dem Nirvana-Produzenten Steve Albini erschoss sich der an Depressionen leidende 47-Jährige im März 2010. Und man dachte: Wie unfassbar schade – das war’s dann wohl mit Sparklehorse (die ganz sicher nicht zufällig von KollegInnen wie PJ Harvey, Thom Yorke und Tom Waits hoch geschätzt wurden).
Logischerweise gibt es nun keine Wiederauferstehung dieses Bandprojekts – der eigenbrötlerische Singer-Songwriter Mark Linkous war ja praktisch Sparklehorse. Aber es gibt dennoch einen Nachfolger des bisherigen Farewell-Albums Dark Night Of The Soul, das 2010 als Gemeinschaftsarbeit von Danger Mouse und Sparklehorse herauskam. Dass Bird Machine nun veröffentlicht wird, ist nicht zuletzt ein Segen für alle Linkous-Fans, die ihren Helden noch einmal auf der Höhe seiner Kunst erleben können. Denn dieses posthume, fünfte Sparklehorse-Werk ist alles andere als Kommerz-Schund oder gar Leichenfledderei.
Schon der Vorbote Evening Star Supercharger erfüllt alle Hoffnungen der Sparklehorse-Verehrer. Im Stil seiner besten Stücke vom Durchbruch-Album Good Morning Spider (1998) und dem Karriere-Highlight It’s A Wonderful Life (2001) fließen hier bezaubernde Spieldosen-Folk-Harmonien, ein herrliches Arrangement mit Alan Weatherheads prägnantem Mellotron und Linkous’ besinnlicher, fragiler Gesang zu einem perfekten Indiepop-Song zusammen.
Von dieser melodischen Qualität hat Bird Machine – neben den bei Linkous üblichen kleinen Widerborstigkeiten wie dem Opener It Will Never Stop oder dem punkigen I Fucked It Up – noch so einiges zu bieten: die zarten, melancholischen Balladen Kind Ghosts, Falling Down, The Scull Of Lucia und Stay etwa, oder den üppigen Folkrock-Track Daddy’s Gone, oder Chaos Of The Universe, das mit amtlicher Neil-Young-Stromgitarre wie ein verschollenes Crazy-Horse-Stück klingt. Ein sperriger, feedback-intensiver Song wie Everybody’s Gone To Sleep, bei dem Linkous’ Vocals im Lärm versteckt sind, bildet eher die Ausnahme.
Und wem haben wir diesen nach 13 Jahren gehobenen Schatz nun zu verdanken? Zuvorderst seinem jüngeren Bruder Matt Linkous, der mit Mark 2009 über dessen Pläne für eine weitere Sparklehorse-Platte gesprochen hatte. “Matt kann sich noch gut an die Gespräche erinnern, an Marks Begeisterung über die Einflüsse, die in das Album einflossen, und an die Art und Weise, wie die Songs allmählich Form annahmen”, schreibt das Label Anti-. “Es waren diese Gespräche, zu denen Matt und Melissa – Marks Schwägerin, die beide mit Sparklehorse gearbeitet hatten – Jahre später zurückkehrten, als sie begannen, Kisten mit Tonbändern zu durchsuchen, um Marks unveröffentlichte Aufnahmen zu katalogisieren und zu bewahren (…).”
Also begannen Matt, Melissa und Bryan Hoffa, ein Spezialist für Audiokonservierung, irgendwann damit, die Bänder in Ruhe anzuhören. Einige Lieder waren praktisch komplett, “während andere nur noch einer vorsichtigen Ermutigung bedurften – die Hinzufügung einer subtilen Instrumentierung und eines begleitenden Gesangs in einigen Fällen, eine weitere sorgfältige Abmischung in anderen, um sich zu entfalten”, erklärt Melissa Moore Linkous. “Wir haben einfach unser Bestes getan, um sie zu übertragen.“
Dennoch: Die Ergänzung und letztendliche Veröffentlichung dieses Materials war “die schwerste Entscheidung, die ich je getroffen habe”, sagt Matt. “Es ist schwierig, eine Entscheidung über die Kunst eines anderen zu treffen, selbst wenn man ihn sein ganzes Leben lang kennt und mit ihm gearbeitet hat, selbst wenn er dein Bruder und bester Freund war.” Dass aus diesem Prozess ein “echtes” Sparklehorse-Album geworden ist, das dem großen Indie-Folkrock-Musiker Mark Linkous gerecht wird und seine Fans glücklich macht, gehört wohl zu den berührendsten Geschichten dieses Musikjahres.
Sparklehorse – Bird Machine
VÖ: 08. September 2023, Anti- Records
www.marklinkous.com
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