Foto-© Alexa Viscius
In the long grass, in the long grass
By the train tracks, by the train tracks
Oh, let me shimmer in the sunlight
How can I hide myself from your eyes?
I found it fading in my mind
(I found it fading in my mind)
The final place I feel alive
(The final place I feel alive)
Let me stay, let me stay, let me stay
Oh, let me stay here
Let me stay, let me stay, let me stay
Oh, let me stay here
(Will Butler + Sister Squares – Long Grass)
Es gibt nicht wenige, die meinen, dass sich Will Butler direkt nach den Aufnahmen zum bisher letzten Arcade-Fire-Album WE (2022) rechtzeitig vom Acker gemacht hat. Einerseits war die Rezeption des teilweise wieder arg poppig geratenen Werks durchwachsen, die Kanadier schienen weder an frühere Kritiker- noch Kommerz-Erfolge anknüpfen zu können. Und dann kam auch noch während der großen WE-Tournee ein hochnotpeinlicher Strudel um Sex-Missbrauchs-Anschuldigungen gegen Wills Bruder und Band-Frontmann Win Butler hinzu.
Bis heute fragt man sich als kritischer Beobachter, erst recht aber als Fan von Arcade Fire, wie es weitergehen soll – zumal der beschuldigte Sänger und Songwriter ja mit dem weiblichen AF-Aushängeschild Régine Chassagne verheiratet ist und eine Familie bildet. Sei’s drum – Will Butler scheint Arcade Fire nicht groß hinterherzutrauern, obwohl er von dem Split als der “vielleicht schwierigsten Entscheidung meines Lebens” spricht. Zumindest strahlt sein neues, sehr eigenständiges und doch gelegentlich angenehm an die Montrealer Stadionrock-Gruppe erinnerndes Album viel neues Selbstbewusstsein aus.
Denn das selbstbetitelte Werk von Will Butler + Sister Squares knüpft mal beim treibenden, hymnisch-euphorischen Sound der 2001 gegründeten Indierock-Bigband an (Stop Talking, Long Grass, Arrow Of Time), dann wieder gibt es tollen tanzbaren Pop (Saturday Night), interessante Vokal-Experimente (Me & My Friends), Klang-Frickeleien (I Am Standing In A Room, Hee Loop) und ätherische Klangbilder (in der tastenden Piano-Electronics-Ballade The Window am Schluss) zu hören. Als Debüt stellt sich diese Will-Butler-Platte (nach mehreren echten Soloalben des Sängers und Multiinstrumentalisten) wegen der Mitwirkung von Sister Squares auf – das sind die Ehefrau des 40-Jährigen, Jenny Shore, deren Schwester Julie Shore, Sara Dobbs und Miles Francis.
“Ich lernte Jenny – meine Frau – im College kennen, ein Jahr bevor ich zu Arcade Fire kam”, sagt Will Butler. “Als ich eine Band brauchte, um mit Policy (dem Solo-Debüt von 2015) auf Tour zu gehen, bat ich Julie, mitzumachen, weil ich ihr musikalisch vertraute. Und ich fragte Sara, Jennys und Julies Jugendfreundin, weil ich wusste, dass sie super talentiert ist.” Als Schlagzeuger und Mitsänger wurde schließlich Miles Francis gefunden, der zuvor mit der Band Antibalas einige Arcade-Fire-Konzerte eröffnet hatte.
“Nach Generations von 2020 habe ich überlegt, eine seltsame Solo-Platte zu machen”, erzählt Will Butler. “Ich allein im Keller und so weiter. Meistens wurde mir klar, dass ich genau das Gegenteil wollte.” Also wandte er sich zunehmend an die Band, “um Feedback zu Texten und Songstrukturen zu erhalten”, wie sein Label Merge berichtet. Und er fragte schließlich Miles Francis, ob er die Platte produzieren wolle. Der Schlagzeuger resümmiert: “Will und ich entdeckten unsere Beziehung als Produktionsduo organisch (…). Wir mussten nicht allzu viel über die Dinge reden, denn die Musik floss einfach.”
Ein gänzlich homogenes Werk ist der Erstling von Will Butler + Sister Squares dennoch nicht geworden – es gibt so manche Stil-Eskapaden und auch einige lose Enden im Verlauf der 45 Album-Minuten. “Aber, ehrlich gesagt, hatte ich ein gutes Gefühl bei der Platte”, sagt Will Butler im Rückblick. Und damit hat er Recht – diese 14 Tracks zeigen eindrucksvoll, dass es für ihn ein Leben nach Arcade Fire gibt (zumal er eine reizvolle sängerische Nähe zu seinem Bruder Win, zu David Bowie und David Byrne vorzuweisen hat).
Im Herbst wollen Will Butler + Sister Squares auf Tournee gehen, um dieses spannende Album live zu präsentieren, und dabei am 10. November im Berliner Privatclub sowie am 11. November beim Rolling-Stone-Beach-Festival Weissenhäuser Strand vorbeischauen. Lohnt sich bestimmt – gerade auch für Fans, die sich zuletzt aus unterschiedlichen Beweggründen von Arcade Fire verabschiedet haben.
Will Butler + Sister Squares – Will Butler + Sister Squares
VÖ: 22. September 2023, Merge
www.butlerwills.com
www.facebook.com/butlerwills
Will Butler + Sister Squares live:
10.11.23 Berlin, Privatclub
11.11.23 Weissenhäuser Strand, Rolling-Stone-Beach Festival