FUTUREBAE – Interview

Foto-© Sebastian Madej

Was sonst als abwertendes Geschwätz abgetan wird, bekommt bei der Berliner Künstlerin futurebae ab nächster Woche eine ganz neue Bedeutung – denn dann erscheint endlich ihr Debütalbum BLA, was abgekürzt für Berlin Love Affair steht! Nach zahllosen Singles, Features und EPs in den letzten drei Jahren, nach Shows und Touren mit der Antilopen Gang, Fatoni oder Roy Bianco & den Abbrunzati Boys, nach Festivalauftritten von Fusion über Splash bis Lollapalooza und Melt ist das der Höhepunkt des zeitgeistigen Treibens der umtriebigen Künstlerin.

BLA (BERLIN LOVE AFFAIR) ist ein Kaleidoskop an Erfahrungen und Eindrücken, neu und alt, leise und laut, zart und extrem. futurebae nimmt alles mit und spinnt daraus zehn Hymnen für die Gegenwart. Sie ignoriert dabei die Genregrenzen, zieht so selbstverständlich das Outfit der Neo-NDW-Punkprinzessin über wie das der Ravequeen – und lässt ihre Songs leuchtend durch die Nacht schwirren. „Meine Musik ist wie ein großes Fest, bei dem alles seinen Platz hat“, beschreibt futurebae selbst die hypergegenwärtigen Sounds und nostalgischen Momente auf BLA (BERLIN LOVE AFFAIR), wo eine Pianoballade problemlos neben einem Club-Banger stehen kann.

Der Albumtitel referenziert aber nicht nur den Sound, sondern genauso futurebaes eigene Beziehung zu ihrer Wahlheimat. Und natürlich das eine, das große Thema: das Lieben an sich. Davon erzählt BLA (BERLIN LOVE AFFAIR) auf zehn Tracks, welche die Zweisamkeit, die Einsamkeit und alles, was Menschen sonst noch miteinander erfahren können, ergründen – immer unjudgemental, immer offen, neugierig und verletzlich. „Die Liebe hat hier einen besonderen Stellenwert“, so futurebae über Berlin. „Es gibt keine andere Stadt, in der alle Formen der Liebe so akzeptiert werden wie hier.“ Keine Zeit für Romance, eher ein Ort, um sich selbst zu entdecken, die eigene Sexualität zu ergründen und Individualität zu feiern. Aber das bedeutet eben auch: ohne Wunden geht hier keiner raus. Trotz dieser riskanten Ansage haben wir uns in den digitalen Ring gewagt und futurebae einen ganzen Fragenkatalog per Mail geschickt – hier kommt unser Interview!

Auch wenn du vielen seit deiner EP aus den letzten Jahr schon ein Begriff bist, gehört es ja zum Debütalbum auch immer dazu, einen Act etwas vorzustellen – drum zurück zum Start: Was ist deine erste Erinnerung an Musik und wann hast du selbst angefangen Musik zu machen?
Mein Papa, der mir fast jeden Abend ein Lied zum Einschlafen vorgesungen hat. Ich hab seine Stimme immernoch im Ohr. Musik war immer sehr präsent in meinem Leben, ich hatte viele main character moments in meinem Zimmer zu laut aufgedrehter Beyonce oder Rihanna. Aber bis ich mich getraut hab, selbst Musik zu machen hat es eine ganze Weile gedauert und da hat Corona eine wichtige Rolle gespielt. In der Zeit hab ich realisiert wie unglücklich ich war und wie ich mich komplett fühle, wenn ich im Studio bin und Songs schreibe. Bisschen wie Therapie 😉

Wie kamst du dann auf den Namen futurebae, was bedeutet er für dich und gibt es eine Geschichte dahinter?
Ich glaub das war so 2019 als ich angefangen hab mit Max und Yannick Musik zu machen und Songs im Studio aufzunehmen. Eher so aus Fun, als mit der Absicht sie zu releasen, das hätte ich mich ohne den Support und das Zureden von meinen Friends nie getraut. Als es dann aber wirklich soweit war, kam die Frage nach dem Namen auf und mir war klar, der wird sich schon irgendwie ergeben. Und genauso wars. Ich bin irgendwann nachts aufgewacht und dachte: futurebae. Das klingt doch cool.

Seit 2020 veröffentlichst du regelmäßig EPs und Singles – du hast also mitten während der heißen Corona-Phase angefangen dir eine Reputation aufzubauen. Wie siehst du rückblickend auf die Zeit zurück, würdest du sagen, dass das damals eine Bürde oder gibt es ggfs. sogar positive Aspekte daran während Corona Newcomer gewesen zu sein?
Für mich war das eine super intensive und wichtige Zeit, ich bin nach Berlin gezogen und hab mich endlich in meinem Leben angekommen gefühlt. Natürlich war es weird mein allererstes Konzert als Stream zu spielen, aber ich hab viel gelernt zu der Zeit und sehr viel Sicherheit bekommen. Probleme bereitet eher die Post-Corona Zeit: Es ist für alle Artists, die gerade keinen Riesenhype haben, superschwer Tickets für ihre Touren zu verkaufen und ich glaube das sind immernoch die Corona Nachwehen: Das Geld ist knapper, die Leute planen kaum im Voraus bzw sitzen noch auf Tickets von Touren, die jetzt erst nachgeholt werden. Die ganze Branche hat gerade viel kämpfen denke ich. Alles ist teurer und schwieriger als vor Corona.

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Wann wurde die Sache mit der Musik dann für dich ernst bzw. wann war dir klar alles auf die Karte Musik zu setzen, wie gehst du jetzt damit um ein Teil der Musikindustrie zu sein?
Naja, ich darf ja gerade zum ersten Mal meinen Traum leben und verdiene mit dem Geld, was mir Freude bereitet. Zum ersten Mal bin ich so richtig glücklich und hab das Gefühl irgendwohin zu gehören. Die Musikindustrie hat auf jeden Fall ihre Schattenseite, Kapitalismus und Kunst lassen sich eben nicht so easy miteinander verknüpfen. Aber ich bin überzeugt von dem was ich mache und hab die Hoffnung noch lange nicht aufgegeben, das sich das System irgendwann ändern wird.

In welchen Situationen/Stimmung schreibst du am besten deine Lyrics? Hast du einen bestimmten Work-Flow beim Schreiben deiner Songs – wenn ja, welchen?

Das variiert extrem. Oft fallen mir mitten in der Nacht Zeilen ein, aber ganze Songs schreib ich eigentlich immer im Studio, während zeitgleich das Instrumental entsteht. Bin ich traurig, kann ich tatsächlich auch nur traurige Songs schreiben, aber gut gelaunt geht alles. Ich liebs auch irgendwie sehr mich in ein Gefühl fallen zu lassen.

Eine Besonderheit bei deinen Songs ist auch, dass du dich überhaupt nicht auf eine Genre festlegen willst und jeder Song andere Einflüsse / Sounds beinhalten kann bzw. daran laut deiner Aussage viel widerspiegelt, was du selbst gerade hörst und magst. Ist das nicht auch eine große Herausforderung klanglich so vielfältig zu bleiben, so lange an Sounds zu tüfteln, statt einen Sound herauszuarbeiten?
Also tatsächlich absolut garnicht. Ich geh nie mit der Idee ins Studio: Heute Rock, heute Rap, heute 80s oder so… sondern es ist bisschen wie Spazieren gehen ohne Ziel. Die Strasse, die sich gut anfühlt, erkenn ich daran, das mir Zeilen und Melodien einfallen. Dann weiss ich, das war die richtige Abbiegung. Ich will im Studio über garnichts nachdenken müssen, ob der Song irgendwie irgendwo reinpasst usw. Am Ende bin ja all das ich. Weisst du wie ich meine? Ich zieh ja auch nicht jeden Tag die gleichen Klamotten an, aber egal ob ich Jogger oder Kleid trag, da drunter bin ich ja immer ich. Und so verhält sich das für mich auch mit den Genres.

Welche Musik/Künstler haben dich beeinflusst beim Schreiben von BLA (BERLIN LOVE AFFAIR), welche Alben befinden sich gerade bei dir auf Dauer-Rotation?
Ich liebe das neue Album von Raye (my 21st century blues) das hab ich aber tbh gerade erst entdeckt, da war das Album schon lange fertig.  Im Studio inspirieren wir uns irgendwie alle gegenseitig.

Kannst du ein bisschen vom Produktionsprozess von BLA (BERLIN LOVE AFFAIR) erzählen, wie das Album entstanden ist, was der beste/schlimmste Moment während dieser Zeit für dich war und welche Anekdote du darüber am meisten erzählst?
Ein paar Songs sind letztes Jahr im Herbst entstanden, zB sLay QuEen*. Das war glaub ich sogar der Allererste. Eigentlich gings mir zu der Zeit gerade nicht so gut, weil ich ein bisschen Liebeskummer hatte. Das kann man eventuell aus dem ein oder anderen Song auf dem Album raushören 😉 Als ich an dem Tag ins Studio kam, wollte ich mich einfach wieder stark fühlen und das durch sLay QuEen* auch geschafft! Was ihr auf dem Album hört, ist tatsächlich die allererste Demo. Der Song war einfach direkt fertig. Manchmal hat man ja so Songs, da feilt man länger dran. Ändert nochmal Melodien, Textzeilen, Arrangements,… aber sLay QuEen* war direkt perfekt so wie er ist.
Während des Albumprozesses hab ich auf jeden Fall zum ersten Mal mit  Versagensangst gekämpft, es ist einfach ein Unterschied, ob man aus Freude Musik macht oder ob davon die Miete bezahlt werden muss. Sich von dem Druck zu befreien, hat einen Moment gedauert.  Aber da war mir mein Team eine sehr große Stütze, die mir superviel Liebe, Halt und Zuversicht gegeben haben.

Ein Song, der uns auch extrem überrascht hat war SueChtiG als Pianoballade – wie passt dieser für dich ins Album und war der Gesang auf den Song eine besondere Herausforderung, da er sich ja schon sehr unterscheidet vom Gesang auf deinen sonstigen Liedern?
Der Song ist irgendwie zufällig entstanden, als Momme sich ans Klavier gesetzt und vor sich hin gespielt hat. Da kam das einfach so raus. Auch das sind die allerersten Takes, die ihr da auf dem Album hört.

Das Album und der Titel sind eine Hommage an deine Liebe zu Berlin bzw. für das Lieben in Berlin – kannst du das ein wenig beschreiben, wie die Stadt, die auch in vielen Songs von Berlinern Künstlern nicht immer so gut weg kommt, dich in der Hinsicht bewegt und was du besonders daran findest?
Berlin ist die Stadt der quasi unbegrenzten Möglichkeiten, das kann befreiend aber auch überfordernd sein, wenn du selbst noch garnicht weisst, was du willst und wer du bist.

Selbstliebe spielt als Thema auch eine große Rolle in deinen Songs – wie ist es insgesamt für dich, so offen und nahbar in deinen Songs zu singen und soviel von dir Preis zu geben, bei Shows ggfs. auch immer wieder mit Themen aus den Songs konfrontiert zu sein?
Also ehrlich gesagt ist es eines der schönsten Gefühle der Welt, wenn ich merke, das meine Musik jemanden berührt. Das sich durch meine Texte jemand verstanden oder empowered fühlt.  Ich möchte das meine Musik eine Art save space ist, in dem man auch mal traurig oder wütend sein kann, oder an sich zweifelt. Doch man ist nie alleine.

Darf man fragen, was die Groß- und Kleinschreibung der Titel des Albums bedeutet?
Die ganze Albumästhetik ist ja von dieser 90/2000er Sehnsucht geprägt und da fand ich das irgendwie sehr passend.

Du warst zuletzt mit Acts wie Provinz, der Antilopen Gang, Fatoni oder auch Roy Bianco & den Abbrunzati Boys live unterwegs – wie war das für dich gerade auch bei letztgenannten, die ja mit ihrem Italo-Schlager schon eine besondere Show fahren da als Support einen Eindruck zu hinterlassen?
Roy Bianco & die Abbrunzati Boys sind einer der stärksten Live Acts, die ich je gesehn habe, es war mir eine riesige Ehre mit diesen tollen Menschen auf Tour zu sein. Und obwohl meine Musik ja doch echt anders ist, hat es irgendwie ganz gut funktioniert. Schön am Supporten ist, das ja erstmal niemand wegen dir da ist, aber am Ende hoffentlich die Leute rausgehen und deine Musik auch feiern. Und selbst wenn es nur eine Person ist: a win is a win 🙂

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Was steht bei dir als nächstes an?
Am 03.11. kommt mein Debutalbum und am 09.11. startet meine Tour, auf beides freu ich mich richtig dolle. Ich vermisse schon den Festivalsommer und freu mich für die Tour endlich wieder live zu spielen. Jeder Gig ist ein Highlight für mich, ich lieb das so wahnsinnig! Kommt bitte einfach alle und habt die beste Zeit eures Lebens!

Was machst du wenn du nicht Musik machst?
Ich bin wohl das, was man eine extrovertierte Introvert nennt, dh ich ziehe meine Kraft aus dem Allein sein, liebe es aber auch mich mit Menschen auszutauschen. Aber wenn ich viel unterwegs bin, brauch ich auch immer die Zeit meine social batteries wieder aufzuladen. Dann lieg ich sehr viel und sehr gern in meinem Bett, lese oder bingewatche irgendwas und -sorry guilty- verlier Lebenszeit auf Tiktok.

Welcher Song bringt dich immer zum Tanzen?
LCD Soundsystem – Dance Yrself Clean

Was hast du in 2023 gelernt?
Liebe kann richtig doll schön sein.

Wie würde deine Bedroomdisco aussehen?
Keine Disco ohne Discokugel! Kerzenlicht. Sehr viele Kissen. Der fluffigste Onesuit auf dem Planeten. Eine Flasche Champagner. Ich, mein Babe und meine Lieblingsmusik aus verdammt geilen Boxen.

futurebae Tour:
09.11.23 Erfurt, Kalif Storch
10.11.23 München, Ampere
15.11.23 Köln, Yuca
16.11.23 Frankfurt, Brotfabrik
17.11.23 Berlin, Frannz Club
18.11.23 Hamburg, Uebel & Gefährlich (Turmzimmer)

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Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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