NAND – Interview

Foto-© Stephan Strache

Geschichten und Menschen. Monochrome Farben und falsche Gesichter. Sorgen, die man sich schon lange nicht mehr macht: Klingt schwer. Blick in die untergehende Sonne, warmer Fahrtwind im Gesicht beim Roadtrip an der Küste: Klingt leicht! Das neue Album Durch die Blume von nand umgibt genau solche Kontraste: Leichtigkeit einerseits, Schwere andererseits. Eine melancholische Euphorie. Klingt ja erst mal unsinnig und paradox. Aber irgendwie trifft es das ganz gut. Dem Sänger, Produzenten, Trompeter und frenetisch gefeierten Newcomer gelingt es einmal mehr, schwere Themen und die ganze Bandbreite menschlicher Emotionen in Musik zu übersetzen, die uns leicht erscheint, die zu Hören einfach Spaß macht, berieselt, beeindruckt und begleitet – Soundtrack unseres Alltags ist. Wir trafen nand bei bestem Sommer-Festival-Wetter auf dem diesjährigen Maifeld Derby Festival – das Interview mutiert zum Gespräch, samt Fachsimpeln auf schönste Weise.

Schön, dass Du Dir Zeit für uns nimmst. Vielen lieben Dank dafür.
Sehr gerne. Ich mag eure Seite sehr. Ich schaue mir immer das Medium an und schaue wie die Beiträge sind. Voll fluffig schön.

Dann sind wir auch nicht die einzigen, die sich vorbereitet haben. (Gelächter)</strong
Voll spannend. Was habt ihr für Fragen? (Gelächter)

Jetzt starten wir direkt unter Druck. No pressure. Aber lass uns dann direkt mit deinem Output starten. Wie krass produktiv bist du bitte? Seit 2019 hast Du 3 Alben, 4 EPs und einige Singles releast. Wir kennen kaum einen produktiveren Künstler. Wie machst du das? Und was ist dein Antrieb?
Das ist eine gute Frage. Das ist witzig, weil Joscha (Anmerkung: nands Tourmanager) eben auch schon gesagt hat „Du hast richtig viel Repertoire“. Ich glaube, ich mache einfach. Ich habe Bock, es macht mir voll viel Spaß.
Ich habe letztens erst einen kleinen Beitrag über einen Arzt gesehen, der mit 80 gemeint hat, er arbeite immer noch, weil es sich nicht wie Arbeit anfühle sondern vielmehr wie eine Leidenschaft, die ihm Spaß bereite. Das ist etwas, mit dem ich mich auch gerade identifiziere. Gerade das Producing. Abgesehen von den Liveauftritten ist das Producing das, was mir so richtig viel Spaß bereitet, das wo ich alles reinstecken kann, wo ich mich fallen lassen kann und wo ich das Gefühl habe, ich mache etwas und ich mache einen Mehrwert daraus. Ich bin ein sehr produktiver Mensch. Ich kann sehr gut und sehr schnell schreiben. Zumindest die Texte. Ich produziere alles selber. Diese Summe daraus bringt mich total in den Flow. Ich habe eigentlich nie Blaupausenprobleme. Wenn ich nicht schreibe, produziere ich. Zwischendurch mache ich Sessions. Dann schreibe ich Skizzen für diese Sessions oder wenn ich ins Studio gehe dann halt für mich. Ich mache meistens einen Song an einem Abend, texten, producen, mixen und mastern, so dass ich am nächsten Tag einfach das Gefühl habe, das ist ein Song und den kann ich dann hören und dann kann ich schon sagen, ob es geil ist. Ich habe gemerkt, wenn ich schlafe und den Song dann den Tag darauf höre, dann merke ich sofort, war das geil was ich gemacht habe oder halt nicht so gut. Deswegen bin ich echt super schnell.

Das ist wirklich rasant. Hast du dabei einen festen Ablauf, eine Struktur? Zuerst die Lyrik oder zuerst eine Melodie?
Mal so mal so. Es gibt auch, dass da lange Beats herumliegen, die ich anfangs blöd fand. Dann höre ich irgendwann wieder rein und auf einmal finde ich sie cool und schreibe dann einen Text dazu. Aber grundsätzlich würde ich sagen, dass ich alles parallel mache: ich produziere, habe eine Melodie, habe dann ein Grundgerüst schon nach einer Stunde gebaut, wo ich einen Loop habe von 20 Sekunden oder so. Dann merke ich relativ schnell ein Gefühl, dass ich mit dem Sound verbinde. Ist das jetzt das Gefühl ich chille am Strand und grabe meine Zehenspitzen im Sand ein und es bleibt Sand unter meinen Nägeln hängen oder es regnet gerade und es ist scheiße, aber ich habe mich total abgeschottet und höre diesen Song, laufe durch die Straßen und pushe mich so mit einem schnelleren Housebeat oder so. Und dann kommt ein Text und der ist dann echt schnell da. Oder zumindest ein, zwei Sätze als Grundgerüst. So ist meine Herangehensweise.

Das klingt mega strukturiert und mega produktiv. Wie lange machst du schon Musik?
Wo ich jetzt etwas öfter interviewt werde, habe ich das Gefühl, ich sage immer unterschiedliche Sachen, wann ich angefangen habe, Musik zu machen. Ich sage immer so mit 9 oder 10. Also Trompete mit 10 und Klavier mit 9. Klavier war das Anfangsreinkommen in die Musik. Das ist dafür ja ein typisches Instrument. Und Trompete dann halt als eines der Blechblasinstrumente, dass man sich aussuchen kann als Kind. Was einen halt gerade anlächelt. Konstant gespielt und mit produzieren angefangen habe ich dann mit 16. Ich habe sehr viel Computer gespielt damals.
Ich gehe jetzt kommenden Monat auch in die Schule bei mir in die Umgebung. Mit 16jährigen mache ich eine gute halbe Stunde lang Songwriting. Im Anschluss werde ich in die Aula eingeladen und soll vor der 8. und 9. Klasse einen kleinen Vortrag über mich halten. Es ist jetzt ganz spontan. Ich fand es voll süß. Meine Mutter ist vor 4, 5 Jahren verstorben. Ein guter Kumpel und Arbeitskollege von meiner Mutter hatte mich angerufen und meinte, „Jetzt bist du schon einmal da, willst Du nicht auch noch einen Vortrag halten?“ und da habe ich gedacht, dass ich genau das sage. Das ich mit 16, 17 sehr exzessiv Computer gespielt habe. So 5, 6 Stunden am Tag und das kannst du jetzt ja auch mit diesen ganzen Apps, mit TikTok und so verbinden. Ich habe dann aber irgendwann gemerkt, dass ich die Zeit, die ich da reinstecke, lieber ins Selbstproduzieren reinstecken will. Das war dann die gleich Energie, nur das eben das was rausgekommen ist, was ich mir in meinem Kopf vorgestellt habe. Dass ich irgendwann einmal auf einer Bühne stehe und Leute singen das mit, was ich geschrieben habe. Dann habe ich mit 19, 20 einen Kredit aufgenommen, Geld geliehen bei der KFW. Das zahle ich gerade noch ab. Aber ich bin das Risiko eingegangen, während des Studiums und nun kann ich leben von der Musik. Das ist schon voll geil.

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Was hast du denn studiert?
Architektur, habe ich fertig gemacht.

Ungewöhnlich in der Musikbranche.
Was fertig machen. Viele brechen es ab. Das war aber für mich nichts. Ich bin super froh das studiert zu haben. Architektur hat mir den roten Faden gegeben. Ich habe durch Architektur gelernt Projekte zu konzipieren. Von Anfang bis Ende durchzudenken. Nicht nur zu entwerfen sondern auch zu schauen, kann man dass dann auch bauen. Manchmal macht man ja Entwürfe, die utopisch sind. Diese Herangehensweise, zu wissen, was will ich machen, wo will ich hin, hilft mir total. Will ich jetzt einen Track machen wie Aperol Spritz oder Wohlfühlen, die eingängig sind. Aperol Spritz ist total gescriptet. Das war absolut so, „hey, wir machen einen Track für die Atzen und Atzinnen zum Mitsingen und Alkohol“ und dann wiederum Tracks wie Lust auf Dich, wo ich Bock darauf hatte, deeper zu werden. Da kann man sich ja auch Gedanken machen. Sachen entstehen einfach irgendwie, aber man kann auch viel steuern. Das zieht sich durch. Gerade auch in der Gruppe. Wie macht man Merch? Wie und wann veröffentlich man etwas?

Studium abgeschlossen, erfolgreich mit Musik und dabei alles selbstmachend. Du hast den Kids echt viel zu erzählen. Nicht nur den Kids, natürlich auch uns.
Ja, voll. Ich wohne gerade bei meinem Papa daheim. Mein Papa ist voll der Ordnungsmensch. Ich hätte ihm auch keinen Gefallen getan, hätte ich abgebrochen und nur Musik gemacht. Und ich hätte mir auch keinen Gefallen damit getan. So weiß ich jederzeit, wenn Musik es einmal nicht mehr ist und die Leute interessieren sich nicht mehr für mich. Davon musst du ja heute noch mehr ausgehen, da alles nochmals schnelllebiger geworden ist. Das würde mich dann toxisch noch mehr kaputt machen, als zu wissen, ich habe noch was. So habe ich viel mehr Spaß. Ich kann alles auf eine Karte setzen. Ich bin jetzt im dritten Jahr der Selbstständigkeit, muss Steuern zahlen und schaffe es, bin nicht insolvent. Jeder, der in der Selbstständigkeit ist kennt das dritte verflixte Jahr. Mich beruhigt dann das abgeschlossene Studium. Ich bin ein sehr kontrollierter Mensch, auch mit mir selber, ich bin in mancher Hinsicht hin ein Perfektionist und auch ein Kontrollfreak. Und wenn alles weg brechen sollte, kann ich immer noch als Architekt arbeiten oder ich bin ein guter Quereinsteiger.

„Immer noch als Architekt arbeiten“, ist ein schöner Satz. Brauchst Du das zum „Wohlfühlen“?
Es nennt sich Absicherung. Ich finde es clever. Aber das muss jeder für sich selber herausfinden. Das ist ja bei jedem anders. Manche Leute schaffe es, über so etwas nicht nachzudenken. Bei mir macht es aber Panik. Ich fühle mich dann total unwohl. Ich bin sehr sensibel. Das habe ich heute auch im Auto gemerkt. Ich hatte da gerade einen kleinen Streit gehabt mit meinem DJ, dem Felix.

Es wirkt alles sehr strukturiert bei dir. Wenn du an einem Song arbeitest, woran merkst du dann, dass ein Song fertig ist?
Wenn ich den Song am nächsten Tag nochmals höre, wenn der Refrain und der Chorus da ist und es passt, dann passt es. Wenn ich den Song höre und denke, es ist ein Song.

Veränderst du einen Song dann später auch nochmals weiter? Oder machst du dann ein Label drauf und der ist fertig?
Das war am Anfang so, dass ich dann ein Label drauf gemacht habe und er war fertig. Das habe ich gemacht, weil ich dann auch keinen Bock mehr drauf hatte. Mittlerweile bin ich besser geworden im Produzieren und im Mixen und Mastern. Dadurch bin ich dann immer mehr in die Tiefe gegangen. Manchmal hat es aber auch einen Song für mich total kaput gemacht. Dann habe ich den Song liegen gelassen. Ein paar Monate später fand ich ihn dann oft wieder geil. Manchmal auch nicht. Mittlerweile gebe ich das Mixen und Mastering wieder ab. Mein Traum wäre natürlich, dass ich gar nichts mehr mit Mastering machen muss. Das Schöne ist, ich kann es zwar nicht gut, aber ich kann es zumindest so, dass es sich gut anhört. Das gibt mir dann bereits ein erstes Gefühl. Ich finde ein Song, der keine Struktur hat und ich könnte es nicht Mixen und Mastern und ich könnte nicht in die Tiefe gehen, auch wenn es für mich anstrengend ist, dann könnte ich nicht beurteilen, was mein Song ist, was mir gefällt. Diese Produktivität gefällt mir aber auch. Meiner Meinung nach gibt es keine größere Angst als Kreativer als nicht Produktivsein zu können. Es ist eine Angst, die da ist für viele, wenn man sich darauf einlässt. Ich bin sehr froh, dass diese Angst gerade bei mir nicht da ist.

Kennst du so etwas wie Müßiggang?
Voll. Ich wohne gerade bei meinem Papa daheim. Meine Freundin wohnt in Würzburg. Das ist ein kleines Dorf, wo ich wohne. Ein 800 Einwohner Dorf. Wenn ich da bin, mache ich meistens etwas. Ich gehe alle zwei Tage joggen. Ich versuche eine Routine zu haben, die aber auch oft scheitert. Aber wenn ich zum Beispiel bei meiner Freundin bin, dann bin ich den ganzen Tag in der Stadt. Spaziere dort herum, setze mich ins Cafe. Heute der Fahrer von uns, ein guter Freund von mir, der arbeitet im Cafe, macht da einen leckeren Cappuccino. Den hole ich mir gerne, dann gehen wir Minigolfen mit Freunden oder machen ein wenig Daydrinking, wenn wir Bock haben oder wir gehen spazieren. Einfach irgendetwas machen. Jetzt lese ich gerade mal wieder mehr. Und dann mache ich auch mal einen Tag gar nichts. Und das ist auch geil. Mal nichts zu machen. Dann bekomme ich auch wieder sehr, sehr schnell Lust etwas zu machen.

Kann man dich dann überhaupt noch fragen, was dieses Jahr noch ansteht? Du hattest Anfang des Jahres die Tour, dann Album- und Single Release und Festivalauftritte. Das ist ja bereits mega viel.
Klar, könnt ihr das fragen. Das neue Album kommt im Herbst. Das alte Album war letztes Jahr im Februar fertig. Ich hatte letztes Jahr im Februar meine Bachelor-Arbeitabgabe gehabt und während dessen mein Album gemixt und gemastert. Das Endmastering habe ich abgegeben. Dann hatte ich zwei Labelanfragen. Eine Woche vor meiner Bachelorarbeit-Abgabe hatte ich dann die Termine für die Labels. Ich habe mir dann gesagt, ich muss eine Woche früher mit meiner Bachelorarbeit fertig werden, damit ich – ohne mir deswegen Stress zu machen – denen mein Album präsentieren kann.
Erste Releases des Albums kamen dann Ende letzten Jahres. Das war ziemlich schade, da ich es eigentlich bereits im Februar releasen wollte, weshalb ich auch so gesprintet bin. Aber die Vertragsverhandlungen haben einfach sehr lange gedauert. So habe ich die Zeit bereits für ein neues Album genutzt und weiterproduziert. So war es dann bereits dieses Frühjahr komplett fertig. Ich bin dann vor anderthalb Monaten nochmals ins Studio gegangen. Ich habe zum allerersten Mal mit einem Mixing-Engineer nochmals zusammen frisch gemixt. Der Sound hat damit nochmals einen riesen Sprung gemacht. Das Ergebnis finde ich richtig geil. Im Studio ist dann auch nochmals ein neuer Song entstanden. Wir spielen auch heute bereits sehr viele von den neuen Tracks. Und das mag ich auch so. Das ist auch so ein Push für mich. Es gibt für mich nichts schlimmeres als immer das Gleiche zu spielen. Das hasse ich. Dann würde ich nicht live spielen wollen, wenn ich nur so 5 Tracks oder 8 Tracks hätte und nicht einmal 50 Minuten füllen könnte und das dann irgendwie anders füllen müsste, dass würde mich total stressen. Es ist meine Motivation den Leuten immer wieder etwas neues zu geben, etwas neues zu bieten. Aus dieser Motivation heraus habe ich dann auch einmal eine CD gemacht, die kann man bei mir kaufen. Das ist eine CD mit unreleasten Beats und ein paar Songs, auf die ich gesungen habe und die man nirgendwo findet. Was auch so ein Geschenk ist. Weil ich immer denke, wenn ich ein Musiknerd wäre und ich wäre Fan von mir selber, dann würde ich mich voll freuen, wenn ich weiß, ich habe die schon 3 oder 4 mal gesehen, aber es war irgendwie immer anders mit neuen Songs. Ich bin ja auch keine Band live, sondern wir sind DJ plus ich, der Keyboard spielt, Trompete spielt, singt und ein paar Sachen macht und dann möchte ich den Leuten auch ein bisschen mehr geben, als nur dahin stellen und ein paar Songs spielen. Das finde ich geil. Weil das sind Überraschungen und das liebe ich so. Das ist das Schöne, glaube ich.

Hast du dann selbst ein Lieblingslied?
Von den unreleasten Tracks ja. (Gelächter) Hört ihr heute zu?

Ja, klar. Wir freuen uns schon.
Geil. Das freut mich sehr. Wir spielen heute Abend ja um halb eins. Das ist sehr spät. Das habe ich noch nie gemacht. Deswegen bin ich auch müde. Aber ich werde wieder wach. Deswegen auch ein Kaffee. Und dann geht es los.
Ich fange mit einem Ambient Track an mit Trompete und Improvisation und dann gehen wir über in einen Track, der ist auch sehr ambientlastig. Das ist einer meiner Lieblingstracks. (Nand singt) „Hey Girl, ich habe dich stundenlang vermisst.“ Der ist sehr ruhig, sehr ambientlastig. Den mag ich sehr. Und in der Mitte des Sets kommt noch ein Beat, den haben wir spontan im Studio gemacht. Wir haben eigentlich drei Tage im Studio eingeplant, um das Album zu mixen. Wir haben vorab schon angefangen zu mixen und zu überarbeiten. Wir haben 15 Tracks in zwei Tagen komplett gemixt zusammen. Durchgeballert, ich glaube locker so 11, 12 Stunden am Tag, weil ich so Bock hatte, am dritten Tag zusammen im Studio was zu machen. Das war so ein netter Typ. Da habe ich gesagt, wir müssen zusammen Musik machen am dritten Tag. Da haben wir dann am dritten Tag im Studio gechillt. Kennt Ihr das Produzententeam Jugglerz?

Nein, die kenne wir nicht.
Die machen sehr, sehr viel so Reggae. Der Jo, der auch mit im Studio war. Das war nicht der, der mit gemixt hat. Er hat das Studio mit dem David, der mit mir gemixt hat. Der Jo hat damals den Tour DJ für Kool Savas gemacht. Er hat dann mit sehr vielen Rappern produziert. Wir haben dann einen Beat gemacht, der sehr viel fluffiger ist. Bounciger Breakbeat. 80s, 90s Summer mit Trompete. Der kommt dann in der Mitte. Vielleicht ist er sogar ein bisschen kitschig, aber es sind gerade meine Lieblingstracks.

Jetzt freuen wir uns noch mehr auf deinen Auftritt. Es ist einfach nur krass, wie vielfältig Du bist. Auf der Fahrt hierhin haben wir Nightrain gehört. Mega gutes Lied zum Verlieren. Perfekter Soundtrack zum Fahren.
Wie geil.

Mega guter Soundtrack zum Unterwegssein. Und dann gibt es von dir so einen Track wie Sonnenblumenfeld, was ich lyrisch einfach nur toll finde. Ich finde deutsche Texte oft schwer.
Ja, ich auch. Das fühle ich voll.

Aber du machst es mega gut.
Danke. Ich finde, wenn man Deutsch Muttersprachler ist und deutschsprachige Musik hört, ist man sehr schnell nackt. Es ist dann super schwierig. Super oft wird dann schnell die Energie aus den Segeln genommen, wenn jemand dir zu viel erzählt, so dass du schon alles weißt. Es wird dir da dann schon alles vorgelebt, was du fühlen sollst. Gedichte haben im Vergleich zu Essays die Energie, dass du selbst auch etwas hereininterpretieren kannst, während eine Geschichtenerzählung dir bereits alles vorgibt. Das ist für mich das gleiche bei Musik. Bei englischsprachiger Musik ist es oft so, dass es sehr, sehr einfach ist. Du kannst plumpe, plattitüdenhafte Sachen machen, ohne das es groß auffällt. Aber bei deutschsprachiger Musik hörst du ja als Muttersprachler sehr genau drauf. Da war es mir sehr wichtig zu sagen, ich muss es schaffen, textlich nicht cringe zu werden, nicht unangehm zu werden und trotzdem aber Gefühle zu vermitteln. Deswegen bin ich zum Beispiel auch mit Sonnenblumenfeld oder Dachlatte so glücklich. Ich bin sehr stolz auf den Text von Dachlatte, weil er super schön mit Reimen ist. Nicht, dass ich so ein toller Lyriker bin und krasse, verschachtelte Reime könnte. Aber ich mache nicht diese Haus-Maus-Klaus Reime und das ist schon meiner Meinung nach ein großer Sprung der die Crinchness aus deutschsprachiger, nackter Musik herausnimmt.

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Wenn du selber etwas hörst? Was läuft in deiner Bedroomdisco?
Schön verpackt. Ein bisschen Namedropping. Es ist aber eine gute Frage und eine wichtige und spannende Frage. Was nämlich für Musik die Leute hören, die selbst Musik machen. Oder was die Leute, die schreiben, selber auch lesen.
Ich mag viele deutschsprachige Musik nicht. Genau aus dem Grund, weil ich finde, dass ein Großteil genau diese Energie vorwegnimmt. Ich verstehe, dass es in der Popmusik und der Mainstreamwelt so funktioniert und ich finde es auch in Ordnung. Aber mein Ziel ist es, auch die deutsche Sprache wieder etwas internationaler zu machen. Das habe ich teilweise schon geschafft. Ich habe im kyrillisch sprachigen Raum zum Beispiel mit Wohlfühlen – also in Russland, Moldawien, Ukraine – super viele Fans dazu gewonnen. Ich habe aber auch Leute, die mir aus Spanien, England oder den USA schreiben. Das finde ich richtig schön. Ich selbst inspiriere mich viel durch internationale Musik. Auch durch Musik, deren Sprache ich nicht verstehe. Natürlich ist es mir wichtig, die Basis hier unter Muttersprachlern zu haben und den Text so gestalten, dass sie es mögen. Zeitgleich freue ich mich aber auch über internationale Resonanz. Ich weiß, ich schweife ab. Ich komme gleich zurück zu dem, was ich höre…

Sehr gerne. Vorab aber zweimal dazwischen gegrätscht von uns. Einmal direkt zu Wohlfühlen. Wohlfühlen wurde ja für einen Werbespot genutzt. War das für dich mehr Fluch oder Segen?
Segen. Ich fand es voll geil damals als ich angefangen habe zu produzieren auch Musik zu machen für Jingles. Ich finde Jingles eigentlich total geil, wenn man es gut und clever macht. Als ich Wohlfühlen geschrieben habe, dachte ich „Fuck, dass funktioniert echt gut in einem Werbespot.“ Das war kein Gelaber. Eine Woche nach diesem Gedanken kam dann diese Anfrage. Es war dann bei Germanys Next Model, Pro 7 und Sat 1. Ich war bei 20.000, 30.000 monatlichen Zuhörer*innen. Und dann war ich bei 100.000 monatlichen Zuhörer*innen. Und dann heißt es auf einmal, “bam”. War aber cool. Aber nur ganz kurz. Weil die Leute von den 100.000 gemerkt haben, krass das wird auf einmal kredibil. Das wird was. Das ist nicht nur ein Hobbytyp. Dann ist es wieder von selber weitergegangen. Das war die ganze Zeit organisch. Das fand ich richtig cool.

Was ich jetzt sehr, sehr gerne höre. Ich sage immer klischeehaft, Flavien Berger. Das ist ein französischer Musiker, der auch viel für Kunstfilme macht. Den höre ich jetzt nicht die ganze Zeit und ich bin auch nicht der krasseste Fan. Aber ich habe ihn im Moment meiner Progressivität und Anfangsphase sehr viel gehört. Ich höre querbeet. Ich liebe alles. Ich gebe mir auch die Mühe und schaue warum funktioniert etwas. Dabei versuche ich mir dann die Elemente rauszupicken, die mir vielleicht dann auch nochmals mehr Aufmerksamkeit geben könnten. Ich finde zum Beispiel PinkPantheress ein sehr spannendes Projekt, das zum Mainstream geworden ist, weil ich es geil finde, dass Drum’n’Bass es so geschafft hat. Ich finde auch Rap super cool und kann mich damit auch super identifizieren. Ich weiß nicht, ob ihr Rap hört und ich möchte euch jetzt nicht wehtun in eurem nand-Bild. Ich bin aus einer akademischen Familie und habe mich selbst nie als Rapper gesehen und fand das die Interpretation meiner Musik in Rapform nicht passt. Also habe ich mich dagegen entschieden. Aber ich finde Rap sehr nice. Ich finde den Kontrast zwischen diesen – vor allem oldschool – fluffigen Breakbeats damals und den superharten Spitts geil. Und das habe ich übernommen, diese Kontraste: zu sagen ich mache sehr einfache Texte und dann habe ich aber manchmal sehr verquirlte Beats. Ich mag diese Kontraste.

Wie spannend. Ich musste jetzt gerade an Francesco Wilking denken, der im Interview mit uns erzählt hat, dass HipHop für ihn das mit Abstand spannendste Genre sei, da es so offen ist. Wenn du jetzt zum Beispiel Conscious Rap nimmst, wie Chance The Rapper oder Tyler The Creator oder du schaust ein bisschen weiter zu Frank Ocean.
Eh. Genau: Frank Ocean oder Tyler The Creator sind einfach Leute, die ich so oft gehört habe. Ich habe so oft Frank Ocean Songs analysiert und geschaut, wie macht er das. Wie bekommt er diese so krasse Energie hin, diese so geilen, verschachtelten Texte. Bei denen es, wenn man sie übersetzt, dann doch nur um Liebe geht.
Wenn ich in meine Playlist gehe, finde ich deutschsprachig die Düsseldorf Düsterboys und International Music eben als Pendant super. Ich fand Edwin Rosen am Anfang super spannend. Jetzt mittlerweile wiederholt er mir sehr viel. Das finde ich nicht mehr so spannend.

Liegt das nicht vielleicht auch im Genre? Neue Deutsche Welle hat als Genre vielleicht schon was repetitives. Vielleicht liegt es also auch am Genre im Vorbild?
Absolut. Voll. Ich persönlich bin halt ein Fan von Neuentdeckungen und deswegen habe ich mir von Anfang an das Genre offen gehalten. Ich glaube mit Wohlfühlen und Gut gehen und meinen ersten beiden Alben würden mich viele in die Neue Neue Deutsche Welle einordnen aber was dann dazwischen gekommen ist und dann kam zum Beispiel auch Aqui so ein Elektrotrack, bei dem Ceyolia, eine Freundin draufgesungen hat. Der hat ja gar nichts damit zu tun. Der läuft ja im Club oder so. Das war mir aber wichtig. Sofort auszubrechen, bevor überhaupt das Projekt größer werden könnte, damit die Leute nicht denken, jetzt erfindet er sich aber neu.

Das bringt uns direkt zu einer nächsten Frage: wenn – vollkommen fiktiv und ohne jeglichen Budgetzwang – ein Festival buchen könntest, dass du auch selbst spannend findest. Wer dürfte da spielen?
Deutschsprachig die Düsseldorf Düsterboys. Jetzt müsste ich mal kurz überlegen und vielleicht durch meine Playlist scrollen. Das würde mir helfen. Loyle Carner. Daphne. Delegatio. Die haben einen Track Oh Honey. Auch wenn ich nur einen Track so richtig nice finde. Aber für einen Track Kerosin95 mit Futter. Den finde ich richtig geil. Gorillaz als schönen Headliner.

Bis jetzt aber nur Pimmel. (Gelächter)
Das stimmt. Leider. Nur Pimmel. Ich schaue jetzt mal. Fibel. Die haben auch voll oft in Köln gespielt. Die fand ich super geil. (Scrollt durch seine Playlist.) Phil Collins alter. Jetzt auch noch alte weiße CIS Männer. Ich finde Connan Mockasin richtig krass. Alter. Krasser Musiker. Ariel Pink fand ich nice. Aber politisch geht der nicht mehr. Mit Trump und Co. Kennt ihr Paul Hardcastle? Ich weiß nicht, ob ihr so etwas mögt? (Nand spielt 19 von Paul Hardcastle an) Der macht so Breakbeats so typische Musik. Der ist super krass. Nation of Language habe ich jetzt erst entdeckt und die finde ich richtig, richtig stark.
Als DJ – und jetzt habe ich eine Frau – Sofia Kourtesis. Sie hat Good Times von Jungle geremixt. Ein mega Track. The Prodigy. Gheist. Peggy Gou feiere ich die Mucke aber ich finde, was ich so höre, sie als Person nicht so nice. Aber man hört einfach auch viel. Vielleicht muss man die Person auch besser erst einmal selbst kennenlernen. Otha falls euch das was sagt. Otha – I’m on Top. Auch super. Die hat schon länger nichts mehr gemacht. Von 2019 ist ihr letzter Release. Aber ich kann es euch nur so empfehlen. Das ist super geile Musik.

Und wo steigt das Festival?
In Würzburg natürlich. (Gelächter) Alter, hallo. Da, wo das OMD Gelände ist. Das ist ein wunderschönes Gelände. Da ist ein Platz, eine ehemalige drei, vier spurige Straße direkt am Fluss. Gegenüber gehen die Weinberge hoch, oben mit einer kleinen Burg. Das ist meiner Meinung nach eine der schönsten Locations. Na klar, im Wald ist immer schön oder auch das Appletree ist super schön. Aber es geht ja jetzt auch um extra ordinary. Aber ich will jetzt auch nochmals schauen. Ihr habt mich jetzt mit der Frage halt auch getriggert.
Gigi Masin. Ambient. Ich empfehle es euch auch. Das ist ein venezianischer Producer, der auch viel in Hotel Lobbies und so spielt. Der macht viel Ambient Stuff. Ich muss auch sagen, dass ich durch Felix, meinen DJ, musikalisch nochmals neue Sachen entdeckt habe, weil der super viel diggt, was keiner kennt. Die sind teilweise nicht einmal bei Spotify. Haben nur 1000 oder 2000 Plays. Das ist sein nerdi Ding halt. Durch ihn habe ich zu Drum’n’Bass und Ambient gefunden und eine Offenheit für Genrewechsel innerhalb eines Sets bekommen. Das werdet ihr auch später sehen. Habt ihr mich schon einmal live gesehen?

Im April bei der c/o pop. Jedoch leider nicht das komplette Set.
c/o pop ja, das war ja nicht so ein offenes Konzert für mich. Wir stehen heute beide am Tisch, ich spiele viel Keyboard. Er bringt viel so Tracks rein, die gar nicht von mir sind, wo ich ein bisschen Shaker. Das finde ich richtig geil, das ist nice. Das gibt dem ganzen Set eine Bühne.

Ich habe manchmal das Glück – oder auch Pech – das ich Künstler*innen in einem „Once in a lifetime“-Konzert sehen durfte. Gefühlt kann ich sie dann aber danach nie wieder sehen. So durfte ich die Grandbrothers bei ihrem Auftritt im Kölner Dom sehen. Da passte einfach alles. Und das sogar bei einem Event zum 750. Geburtstag der Chorweihe. Nur der Anlass passte nicht. Im Mai gab es mal wieder so etwas. Dort haben in der Kulturkirche Hendrik Otremba, der Sänger von Messer zusammen mit Jungstötter gespielt. Ich komme jetzt von Steinchen auf’s Stöckchen. Messer haben ihr letztes Album einem finnischen Dub-Produzenten gegeben, der kein Deutsch kann. Er hat es phonetisch auseinandergenommen und daraus was ganz anderes gebastelt. Messer, beziehungsweise Hendrik Otremba, ist neben dir einer der wenigen Künstler, die mich in deutsch kicken, da es phonetisch einfach voll kickt. Ich habe sehr lange gebraucht um meinen Frieden mit deutschsprachigen Texten zu finden. Mittlerweile gibt es ein paar. Es bleibt aber immer noch etwas besonders für mich, deutschsprachige Lieder zu feiern.
Sich darauf einzulassen. Es ist auch so ein „sich darauf einlassen“ Ding. Ich glaube, wenn man sich viel mit Musik international befasst ist das nochmals schwieriger. Am Ende ist es aber einfach nur wichtig, dass die Zuhörer*innen damit eine gute Zeit haben und das verzeiht eigentlich das meiste. Ich weiß aber genau, was du meinst. Ich sperre mich auch gegen einfache deutsche Musikkost. Weil es für uns einfach nackt ist. Es ist einfach so und es ist auch in Ordnung. Man muss am Ende des Tages sich halt fragen als Musiker*in: “Was will man? Wo will man hin?” Viele machen einfach ihr Ding. Das ist unheimlich wichtig und cool. Ich habe mich halt aber immer gefragt „Was ist mein Mehrwert?“. Ich habe ja mit Aperol Spritz meinen Hass-Track. Ich hasse diesen Track mittlerweile. Aber es ist okay. Er ist gescriptet und ich habe damit meine Reichweite aufgebaut. Aber das ist ja auch in Ordnung. Ich könnte jetzt immer artsy bleiben, unique bleiben und die ganzen Musiknerds, wie ich selber bin, würden das feiern. Aber ich will ja auch davon leben langfristig und damit muss man immer einen Tod sterben und einen Spagat finden. Das ist für mich ganz wichtig. Ich möchte nicht wie van Gogh oder so nichts davon haben und 200 Jahre später finden es die Leute voll cool, weil man es dann versteht. Ich habe ja auch Bock mir einen T2 zu holen. (Gelächter) Ne Spaß.

Wir sind halt alt genug. Da gab es den noch günstig.
Ich will es mir halt leisten können. Irgendwann vielleicht. Und nicht noch während dessen in einer Bar arbeiten müssen und gestresst sein.

Ich mag auch diese Vorstellung nicht, dass Musiker*innen nur real sind, wenn sie underground sind. Natürlich freue ich mich, wenn Musiker*innen, die ich mag, Erfolg haben und davon leben können.
Ich glaube die Energie geht raus. Wenn man jemanden von Anfang an verfolgt. Ein gutes Beispiel sind da Düsseldorf Düsterboys mit International Music daneben. Die sind immer noch super undergroundy gerade releasetechnisch.

Wobei ihre Tour – glaube ich – komplett ausverkauft war.
Voll. Aber das ist ja eh immer eine andere Geschichte. Wie ist das releasetechnisch und wie ist das live. Das ist oft unterschiedlich. Aber wenn du überlegst, der Hype war mainstreamtechnisch noch nicht da. Aber wenn jetzt der Hype kommt und es wird voll die Kultband und auf einmal haben die 2 Millionen monatliche Hörer*innen und die 16 Jährigen kommen in Scharen weil der letzte Hit bei TikTok total abgegangen ist, dann ist es wahrscheinlich auch für die meisten, die die Band in ihren Anfangstagen gehypt haben seltsam. Vielleicht feiern sie es immer noch. Oft finden es aber die Fans der Anfangstage nicht so. Der Drive ist dann oftmals anders.

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Aber ist es nicht eh mittlerweile so, dass du als Musikschaffender mit Konzerten weitaus mehr verdienst als mit Streaming?
Voll. Es hängt natürlich immer auch mit deinen Deals ab. Was für Deals hast du mit deinem Label. Bist du überhaupt bei einem Label. Hast du einen Vertrieb oder machst du vieles selber? Ist es organisch? Ist es nicht organisch? Bei vielen ist das Livegame komplett der finanzielle Grundbaustein. Bei mir ist es schon ziemlich ausgewogen. Ich habe am Anfang, als ich ohne Vertrieb unterwegs war sogar ganz gut mit Streaming verdient. Weil ich während Corona ganz gute Plays hatte. Damals hatte ich ja erst einmal gar keine Livegigs. Nachdem die Coronaauflagen gelockert worden, bin ich dann erst in das Livespielen hineingerutscht, habe vieles ausprobiert. Ich war dann zuerst DJ, ich habe dann aufgelegt während ich gesungen, Klavier oder Trompete gespielt habe. Dann kam Felix dazu und es wurde mehr und mehr, weil wir auch Bock auf Livespielen haben. Bei uns ist das ziemlich ausgewogen. Das ist auch mega nice, so habe ich nicht zu viel Pressure auf einer Seite.

Ich hoffe auch, dass diese Energie nie bei mir verloren geht. Das wäre voll traurig. Ich versuche deswegen immer meine Genrediversität aufrecht zu erhalten. Weil ich glaube, dass ich dadurch das Unerwartbare offenhalte.

Aber nur weil du gegebenenfalls einem Genre zugeschrieben wirst, heißt das ja noch lange nicht, dass du es selbst tust.
Ich will es auch nicht. Weil ich einfach so viele Genres mag. Und ich finde es persönlich auch strategisch clever. Oft ist es ja auch so bei einer Musik, die auf einer Bandstruktur aufgebaut ist, durch Gitarren, Schlagzeug, Bass das Fundament hat, dass im Sound wenig Unterschied besteht. Dann sind es ja eher die Texte oder die Monotonie des Riffs. Dann geht es eher in die Details. Bei mir sind es dann ja immer komplett die Beats. Wenn Du in ein Album hineingehst und du hast dann Nighttrain, der dann auf einmal auf Englisch ist. Und ich traue mich selten auf Englisch zu singen, weil ich das mittlerweile selten bei mir mag. Und dann hast du andere Tracks auf dem Album wie den Technotrack mit Heiß, wo ich ja gar nicht singe. Da habe ich von Klaus Kinski, als er Woyzeck gespielt hat einen Vers herausgenommen. Das war ein ganz absurder Vers, da geht es darum, dass sie am Fluss steht und Woyzeck sie im Rausch umbringt. Es ist total absurd. Techno. Dann hast du aber mit Nighttrain so etwas lowfi housiges. Wobei ich bei Nighttrain auch fast schon etwas an TwoTone dachte.

Ja, das stimmt. Und mit dem Zug als Element. Und dann hast du was breakiges drinnen, ein Intro drinnen und mit Schütten hast du fast schon was progressives, rockartiges drinnen. Es drückt gut. Du hast also komplett unterschiedliches Genres auf einer Platte. Und wie machst du dann die Tracklist für deine Alben? Wie die Reihenfolge?
Ich produziere meistens immer komplett querbeet, probiere dies und das und dann habe ich ein Sammelsurium an so 10 bis 15 Tracks, dann schaue ich am Ende, wie ich die strukturieren kann. Jetzt habe ich zum Beispiel ein Intro und ein Outro gebastelt für’s Album, was ich super schön finde. Das Intro ist total schön, das ist mit Trompete. Total ambient. Da habe ich geweint, als ich das gespielt habe, weil es so schön ist. Ich bin gerade bei meinem Papa in seinem ehemaligen Architekturbüro oben drinnen einquartiert. Das ist wunderschön. Da steht so ein Bild von meiner Mutter nebenan. Dann habe ich es so gespielt und dabei das Bild gesehen und musste Rotz und Wasser heulen. Und das war so schön. Diese Energie auch. Es ist wieder was komplett anderes. Dann kommt eine Gitarre. Ich mache wenig mit Gitarre. Es fliegt weg. Es ist kitschig. Ich habe dann ein ähnliches Outro. Aber halt auch einen Technotrack mittendrin. Mit Raumschiffsounds und dem Kampf zwischen den Mächten als Endtrack vor dem Outro. Ich wollte dabei die Wucht des Technos wiederherholen, ein Statement setzen. Techno wurde vermainstreamt in den sozialen Netzwerken und ich wollte dann ein Statement setzen.

Es ist schön, wie dein Album deine Persönlichkeit abbildet. Die Energie auf der einen und die Sensibilität auf der anderen Seite und ganz viel dazwischen.
Danke. Oder Kaffee und Kuchen. Das ist ja voll der Neue Neue Deutsche Welle Track. Wieder so ein progressiver, plumper Track über das Cafe Edeltraut, das Cafe in dem mein Fahrer arbeitet und ich meinen Kaffee hole, wenn ich nichts tun möchte. Und dann hast du aber diesen Technotrack, das Intro und Outro oder Ich finde nie mehr weg. Der ist super Mainstream. Aber ich mag ihn so, weil er diese Kopfstimme hat. Der hat auf einmal diesen Summer Jam Vibe. Für mich ist es total schön, dass nand Tracks in Playlists sein könnten, die nichts miteinander zu tun haben. Die ihr nicht anfassen würdet. Und doch ist ein nand Track drin. Und dann habe ich wieder einen Track über Momo und die grauen Männer, was dann wieder dunkler ist. Die AI raubt dir deine letzten Sachen, die du selber machen kannst und wir werden alle zu Robotern.

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Mir hat irgendwer vor kurzen erzählt, dass jemand die kompletten Lyrics mit AI gemacht hat.
Ja klar, Beats, Lyrics. Das gibt es alles mittlerweile. Ich habe einmal einen Kumpel von mir, der Raumgestalter ist, gesagt, ich finde es voll cool so im Boilerroom Style eine Bühne zu haben, die aber ebenerdig ist. Wenn ich runter gehe von dieser Bühne peilt so eine Lichtsäule auf, die dann aufzeigt, wie viele Meter in welcher Richtung ich bin. Das war die Überlegung. Er hat es dann aber etwas anders umgesetzt und von AI Bühnen in diesem Stil generiert. Das ist schon super wild.

Könntest du dir vorstellen mit AI einen Clip zu generieren? Ist AI eher Fluch oder Segen?
Es macht mir Angst, deswegen finde ich es einen Fluch.

Das fühle ich voll. Ich habe immer gedacht, wenn es mal Roboter gibt, dann nehmen sie uns eher unangenehme Arbeiten und nicht kreative Tätigkeiten ab. Das ist voll krass.
Das finde ich auch ganz schwierig, dass AI nun auch das Kreative macht. Das ist ja das, worüber wir Menschen uns identifizieren und verarbeiten können. Es kann ein gutes Mittel zum Zweck sein. Ich teile aber die Skepsis und sehe die Gefahr. Ich bin viel bei den SciFi Filmen der 2000er. Weil Technik ja auch von Menschen gemacht wird und Menschen kontrollieren immer auch gerne andere Menschen. Das ist schon sehr besorgnisserregend. Es gibt aber immer sehr viel mehr gute Menschen als schlechte Menschen und das sollte man sich auch immer bewusst sein. Man gibt den schlechten Energien immer zu viel Aufmerksamkeit. Das ist nie gut.

Vielen lieben Dank für das Interview. Wir sind vollkommen glückselig, haben ganz viele Eindrücke und ganz viel neuen Musik zum Kennenlernen.
Danke euch, es war voll schön und spanned und anders. Ich hoffe, mein Set gefällt euch heute. Ich komme heute nicht ganz so in die Höhe. Manchmal komme ich nicht ganz so hoch. Im Idealfall schon. Mittlerweile mache ich mir dann nicht mehr so einen Stress. Ich singe eine Stunde, entertaine die Leute. Das passt schon. Ich bin mittlerweile offener zum Publikum, entertaine die Leute mehr und nehme sie mehr mit, habe mehr Spaß. Gestern war zum Beispiel sehr anstrengend. Wir haben in Düsseldorf auf dem Uni Campus gespielt. Wir spielten bereits gegen 18 Uhr und haben gute 80 Minuten gespielt. Es war super anstrengend, weil die Leute bei uns erst ankamen und wir mussten schauen, wie fangen wir die Leute auf. Das Set begann sehr ruhig und das war perfekt. Ich bin da so aus meiner Rolle herausgekommen und habe diese Weirdness, dass die Leute stehen und selber erst einmal ankommen und mich kennenlernen mussten und viele mich auch nicht kannten, total aufgesogen und mich selber weird gemacht. Das hat voll Spaß gemacht. Ich habe dann gemerkt, wie wichtig es ist, dass du dich selber wohlfühlst und dich an die Leute und die Situation anpasst und nicht nur deinen Stiefel durchspielst.

Ich fühle das, aber es gibt es Artists, die komplett ohne Interaktion auskommen. Ich habe mal Tame Impala auf dem Melt! gesehen, die hatten so gut wie keine Ansagen und Interaktion und es war trotzdem mega gut. Es hat mich von vorne bis hinten mitgenommen. Anderhalbstunden wunderbare Musik.
Voll. Selbst das gibt es aber bei uns. Gestern habe ich viel dazwischen erzählt. Auch Bullshit. Es gibt auch einen Track der heißt U-Bahn Hof und da geht es darum, es gibt gute und schlechte Menschen schon immer in dieser Welt und da habe ich dann am Ende den Track verändert und meinte „fickt alle Menschen, die scheiße sind, die blödes wollen“. Es haben dann ale die Mittelfinger hochgetreckt. In jedem Bereich gibt es gute und schlechte Leute. Und dann gibt es auch Shows, da sage ich gar nichts. Das ist ja das Tolle, jede Show ist anders. Ganz am Anfang habe ich auch viel zu meinen Songs erzählt. Das mache ich jetzt nicht mehr so. Das finde ich super. Nicht einfach seinen Stiefel durchziehen. Da haben wir livetechnisch zu zweit als DJ und ich als Musiker die Freiheit, einfach jedes Mal unser Set zu ändern. Das ist natürlich viel einfacher als als fünfköpfige Band. Wir stehen uns gegenüber und können dann spontan reagieren.

Schreibst du denn vorab eine Setlist?
Ja, das schon. Sie gibt auch Sicherheit.

Es klingt auf jeden Fall super spanned und wir freuen uns und sind neugierig, welchen nand du uns später hier präsentierst?
Ich freue mich auch schon. Es wird zur Uhrzeit passen.

nand Tour:
02.11.23 München, Technikum
03.11.23 Erlangen, E-Werk
04.11.23 Konstanz, Kulturladen
05.11.23 Freiburg, Waldsee
06.11.23 Köln, Gloria
07.11.23 Heidelberg, Karlstorbahnhof

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