Foto-© Jackie Lee Young
Jenny was a warrior, Jenny was a thief
Jenny hit the corner clinic begging for relief
Never thought we’d see the day
When she wiggled free
But she did
Long before we did
Nights in crackling emerald
Signal hot and live
Fastest in production
As of 1985
Didn’t guess we’d ever come
To dread that engine’s roar
But she did
Long before we did
Nobody will ever know for certain
The names of all the secrets
She held back behind the curtain
(The Mountain Goats – Jenny Iii)
Für seine neue Platte Jenny From Thebes fällt John Darnielle, Mastermind und Frontmann von The Mountain Goats, gleich mit der Tür ins Haus – und lässt zwei Begriffe vom Stapel, die gestandene Punk- und Indierock-Fans abschrecken könnten: “Die Leute gehen gerne auf Nummer sicher, indem sie Begriffe wie ‘Konzeptalbum’ verwenden”, sagt der Singer-Songwriter. “Aber um es klar zu sagen: Dies ist eine Rockoper über eine Frau namens Jenny, die sich eine Kawasaki kauft, um so weit wie möglich von einer Stadt wegzufahren, die sie schon zu lange auf ihren Schultern trägt.” Konzeptalbum, Rockoper – wer erinnert sich da nicht mit Grusel an die bombast-affinen 70er Jahre und denkt jetzt: Oh je, so ein aufgeblasener Prog-Mist…
Aber halt. Bei den Mountain Goats handelt es sich schließlich um eine der (wenigen) Bands, die den Umgang mit thematisch verbundenen Songs wirklich drauf haben. Das konnte die Band um Darnielle schon oft beweisen, zuletzt mit Platten über Profi-Wrestler (Beat The Champ von 2015), die Düster-Rock-Szene (Goths von 2017), ein bekanntes Rollenspiel (In League With Dragons von 2019) und das Buch eines französischen Historikers (Songs For Pierre Chuvin von 2020). Und immer schafften es die “Bergziegen” aus Kalifornien, ihre absonderlichen Stoffe mit Witz und Stilsicherheit zu präsentieren.
Jenny From Thebes macht da keine Ausnahme. Mit einer Mixtur aus Folk, Indie-Rock, Power-Pop und sogar Northern-Soul wie bei den Dexys (Midnight Runners) oder Belle and Sebastian (diese Bläser! Streicher! Chöre!) erzählen Darnielle & Co. ihre wieder mal herrlich angeschrägte Geschichte, meinetwegen auch eine “Rockoper”. Das neue Werk sei thematisch “eine Fortsetzung ihres beliebten Albums ‘All Hail West Texas’ aus dem Jahr 2002”, lässt das Label Merge Records uns wissen. Und identifiziert im aktuellen Sound der Mountain Goats Einflüsse des Underground-Musicals Godspell, des Bombast-Rock-Produzenten Jim Steinman (Meat Loaf, Céline Dion, Bonnie Tyler) und der 70er/80er-Jahre-Hitband The Cars.
Man muss diese Stil-Bezüge und auch die Texte von Jenny From Thebes aber gar nicht alle kennen oder allzu ernst nehmen – und kann dennoch viel Spaß an dem Album haben. Denn auch nach über 30 Jahren Existenz dieser wunderbaren US-Band klingt ihre so ambitionierte wie lässige Musik derart frisch, dass man auf den Konzept-Überbau getrost verzichten kann. Obwohl: Am schönsten ist es dann doch, wenn man per Textblatt die Flucht-Geschichte dieser “Kriegerin und Diebin” (so wird sie im vielleicht besten Song Jenny Iii beschrieben) mit ihrer gelb-schwarzen Kawasaki im westlichen Texas nachvollzieht. Ja, so kann das auch heute noch funktionieren mit einer “Rock-Oper”.
The Mountain Goats – Jenny From Thebes
VÖ: 27. Oktober 2023, Merge Records
www.mountain-goats.com
www.facebook.com/mountaingoatsmusic