CULK – Ein Manifest zur Zukunft mit Fragzeichen

Foto-© Sophie Löw

Am letzten Freitag veröffentlichte die Wiener Gruppe CULK ihr drittes Album, Generation Maximum. Wieder einmal geht es um schwierige gesellschaftliche Fragen, wieder einmal schafft es die Gruppe um Sophie Löw, nicht nur zu beklagen, sondern auch an die Hand zu nehmen, zu erklären, eine Gemeinschaft anzubieten. In den Songs wird die Diskrepanz verhandelt, einerseits in der “Geburtslotterie” vermeintlich auf die Butterseite des Lebens gefallen zu sein, andererseits beim Untergang einer Welt, wie wir sie kannten (oder vielleicht nur herbeigesehnt hatten) praktisch tatenlos zuzusehen. Sei es die Klimakatastrophe, Wahlgewinne rechter antidemokratischer Parteien, Auseinanderklaffen der Schere von Arm und Reich oder nur persönliches auswegloses Herumgewurschtel im eigenen Prekariat.

Ende Oktober konnten wir mit Sophie Löw und Johannes Blindhofer über das neue Album via Zoom sprechen. Wir diskutieren, wer die Generation Maximum ist, wie man es schafft, gesellschaftliche Fragen zu verhandeln, ohne sich selbst verrückt zu machen und welche Perspektiven auf dem aktuellen Werk verhandelt werden. Wir erfahren, dass Generation Maximum ein Manifest und eine Einladung zur Vergemeinschaftung gleichzeitig ist, warum sich das Livespielen dieses Mal zu den beiden Vorgängeralben unterscheiden wird und was die schönsten Erlebnisse auf und abseits der Bühne sind. Eine Band, die sagt, wie es ist, auf Platte und im Interview.

Herzlichen Glückwunsch zu eurem dritten Album. Bevor wir über die Musik und eure bevorstehende Tour sprechen, möchte ich gerne beim Titel starten, weil der so hängen bleibt. Wer ist die Generation Maximum?
Sophie Löw: Es freut mich, dass es ankommt. Als ich die Idee zu dem Titel hatte, dachte ich mir auch, dass da ganz viel schon im Kopf abgeht, wenn man diesen Namen hört. Ich glaube, dass es eigentlich in jeder Generation Menschen gibt, die im Moment überfordert sind und Ohnmachtsgefühle haben. Aber im Prinzip ist es schon auch meine Generation, weil ich sehr viel aus meiner eigenen Perspektive schreibe. Und natürlich alle, die noch jünger sind als ich und mit dieser Zukunft mit Fragezeichen umgehen müssen.

Ist es eine Platte über diese Generation oder für diese Generation? Ist es ein Album der Vergemeinschaftung, im Sinne von: „Es gibt noch andere, die sich so fühlen wie ich“? Oder ist es eher ein Statement oder eine Beschreibung für diejenigen, die nicht dazugehören? Habt ihr darüber nachgedacht, in welchem Verhältnis das Album zu den Generationen der Hörenden steht?
Sophie Löw: Ich habe beim Schreiben nicht drüber nachgedacht, für wen das jetzt genau ist. Texte zu schreiben ist für mich immer eine Möglichkeit, mein Gefühlschaos zu kanalisieren. Prinzipiell sehe ich die Texte auch immer mehr als ein zeitgenössisches Sammelsurium. Ich bin mir sicher, dass sich vor allem viele junge Leute darin wiederfinden. Aber dadurch, dass die Texte auch aus einer beobachtenden Perspektive geschrieben sind, ist es schon irgendwie ein Manifest.
Johannes Blindhofer: Das aber auch mehr einschließt, oder? Eben auch so, wie du [Anne] es vorhin schon gesagt hast. Das war eigentlich eine Frage, aber irgendwie hast du da schon recht viel von dem ausgesprochen, was ich auch spüre. Dass es die Verbindung zwischen unterschiedlichen Personengruppen nicht nur einseitig ist. Also es ist nicht ein Manifest für eine Gruppe, sondern es kann, jeder darin etwas finden. Es kann für manche Personen eine Erklärung sein, aber es kann auch für alle einfach ein sich wiederfinden sein.

So ging mir das beim Hören auch und ich finde es immer interessant, das mit dem zu vergleichen, was auf eurer Seite passiert. Wie war das denn im Entstehungsprozess? Wird das erst einmal zusammen ausgehandelt oder kommst du, Sophie, schon mit dem Thema der Platte? Es ist ja kein Konzeptalbum im klassischen Sinne. Wie passiert das, dass sich das Thema dann so durchzieht?
Johannes Blindhofer: Dieses Mal war es schon so, dass du [Sophie] sehr viel Text mitgebracht hast. Aber wie sich dann langsam das Gesamtbild erschlossen hat, das war schon ein kollektiver Prozess. Da hat mitgespielt, was wir in den letzten Jahren alle gemeinsam erlebt haben und worüber wir gesprochen haben. Als dann die ersten Textbrocken kamen, hat das auch einen Twist für die Musik gegeben und daraufhin dann wieder für die Texte…
Sophie Löw: Der erste Text war der erste Song des Albums, Willkommen in der Hedonie. Das war ein großer Schritt für mich, um zu wissen, worum es auf dem Album gehen sollte. Für mich war das schon sehr konzeptionell, weil ich diese Keypoints der Überforderung kannte: Man fühlt sich so überfordert, man fühlt sich auch einsam in der Gesellschaft. Diese Eckpunkte sind einfach gerade große Themen in unserer Gesellschaft. Und dann wusste ich einfach auch relativ früh den Albumtitel. Und dann habe ich gesagt, ich kann diesen ganzen Themenkomplex nicht für mich erzählen, wenn ich nicht zum Beispiel den Aspekt des Internets und auch der Radikalisierung im Internet mit einbeziehe. Für mich war es dann schon so, dass ich bei den Texten so ein bisschen in Kapiteln gedacht habe.

In den Texten gibt es oft diesen Perspektivwechsel in Form der Ansprache. Es gibt Texte, die vom Wir sprechen, also von der Vergemeinschaftung, von der ich vorhin gesprochen habe. Manchmal sind sie aus der Ich-Perspektive, manchmal wird ein Du angesprochen. Worauf kommt es da an?
Sophie Löw: Mir war es bewusst, dass ich ein Augenmerk auf das Wir setzen will. Aber wo und wie das stattfindet, war total intuitiv.

Ihr macht sehr politische Songs und Platten, die sich oft auf ein Thema konzentrieren. Woher nehmt ihr die Kraft, immer wieder dorthin zu gehen, wo es weh tut? Das ist schon heftig, wenn man sich während der Entstehung eines Albums monatelang und wahrscheinlich noch länger rational und emotional damit auseinandersetzt. Wie geht das? Wie macht man das?
Johannes Blindhofer: Es gab so einen Moment, als wir das Album aufgenommen haben. Sophie stand in der Aufnahmebox für die Vocals und ich dachte, wie muss sich das jetzt anfühlen, mehrere Takes zu machen. Das ist eine sehr intensive Erfahrung, die ich so nicht habe. Weil wir im Proberaum gemeinsam schreiben und es einfach teilweise sehr laut ist, passiert die Auseinandersetzung mit den Texten irgendwie gleichzeitig. Es kommt schon ein bisschen durch diesen Filter. Es ist für mich nicht alles sofort erkennbar, aber das ist eben meine Perspektive. Ich weiß, für dich [Sophie] ist das viel intensiver und viel näher.
Sophie Löw: Ja, das letzte Album war da vielleicht noch intensiver. Und auf diesem Album? Ich weiß nicht. Vielleicht kenne ich das jetzt einfach so, weil wir schon fünf Jahre die Band sind und das immer ein Thema ist. Vielleicht gewöhne ich mich auch daran. Ich glaube einfach, dass ich diese gesellschaftlichen Themen, die in den letzten Jahren so intensiv waren, sonst auch in meinem Alltag so intensiv spüren würde. Zukunftsängste und Sicherheitsängste habe ich generell sehr stark. Für mich ist es dann eher schön, weil ich diesen Sorgen und Ängsten einen Zweck geben und sie in etwas Schönes umwandeln kann.

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Der Fokustrack des Albums ist das Stück Eisenkleid. Was bei mir hängen geblieben ist, ist die Stelle „Begraben alles, das uns nicht befreit.“ Diese radikale Kompromisslosigkeit finde ich sehr inspirierend. Gleichzeitig geht es um Selbstschutz, um Verletzlichkeit. Was macht diesen Track zu einem Herzstück des Albums? Was bedeutet der Track für euch?
Sophie Löw: Es ist ein Song, der für mich sehr befreiend ist. Ich habe ihn geschrieben, als der Krieg zwischen Russland und der Ukraine ausbrach. Warum müssen einzelne Menschen das Leben so vieler Menschen zerstören? Selbst wenn man nicht betroffen ist, macht das ja so viel mit einem. Dieser Gedanke ist eigentlich sehr banal, aber ich wollte ein Lied daraus machen. Dass man im Leben viel stärker ist, wenn man Verletzlichkeit zeigt. Und wie sähe eine Welt aus, in der das mehr wert wäre als gerade in so einer patriarchalisch strukturierten Welt, in der wir leben? Das ist auch ein utopischer Gedanke von mir.

Es geht viel um das Ausgeliefertsein, ob es nun Kriegsmächte sind oder Generationen, die anderen Generationen eine kaputte Erde hinterlassen… Ist Generation Maximum auch ein Aufruf, aktiv zu werden? Seht ihr euch als Band, die aktiv aufrufen will?
Johannes Blindhofer: Ja, wir haben auf jeden Fall einen Aufruf zu machen. Für mich geht es viel um Gemeinschaft: Sich mit Leuten zusammensetzen und Themen diskutieren, sich bewusstwerden und sich organisieren! Daraus zieht man Kraft. Gerade wenn einem alles zu viel wird. Und diesen Aufruf, den spüre ich auf dem Album sehr stark. Das ist auch ein schöner Aspekt. Dadurch, dass Sophie mit den Lyrics oft in den Vogelblick wechselt oder Dinge von weitem betrachtet, kann man es auch als Anleitung sehen, wie man es besser machen könnte, ohne dass wir uns herausnehmen, es zu wissen. Ich glaube, wenn man Probleme aufzeigt und das kann man in Songs tun, dann bringt das die Leute zusammen und die Musik ist der Träger.
Sophie Löw: Ja, die Musik ist einfach so eine schöne Community. Gerade bei Konzerten, wenn man einfach gemeinsam ist. Das ist einfach so ein schönes Gefühl. Das ist eigentlich das Coolste, was Musik machen kann.
Johannes Blindhofer: Es ist auch ein Album, das auch rein musikalisch im Hinterkopf für das Livespielen geschrieben ist und für den Kontakt mit Menschen bei Konzerten. Das ist eigentlich immer schon unsere erste Ausrichtung.

Manchmal passiert es auch andersherum, dass Dinge aus den Live-Auftritten in das Songwriting einfließen. Testet ihr Songs vorher live, verändern sie sich dann?
Johannes Blindhofer: Das ist ein großer Unterschied zu den anderen beiden Alben. Die haben wir aus einem Guss geschrieben und gespielt. Da konnten wir nicht wirklich differenzieren. Und jetzt war einfach aus verschiedenen Gründen ein relativ großer Abstand zwischen Schreiben und Live spielen. Die Songs werden sich auf jeden Fall noch verändern. Das ist auch voll okay und schön und wichtig. Aber es ist auch ein bisschen scary, weil man sich jetzt quasi versteinert hat, bevor man sie überhaupt in einem gewissen Rahmen gehört hat. Aber das ist einfach so.

Wenn ihr live spielt, was ist das, was ihr mitnehmen wollt? Worauf wartet ihr, was ist euer perfekter Moment? Worauf arbeitet ihr hin?
Sophie Löw: Worauf ich warte ist, dass alle mitsingen. Das wäre voll cool. Die Vorstufe dazu ist, wenn die Leute nach dem Konzert zu mir zum Merch kommen und sagen: „Wow, deine Texte geben mir so viel Kraft.“ Weil wir das Vorgängeralbum während der Pandemie rausgebracht haben, konnten wir lange nicht spielen. Dann kamen die Leute und sagten, das Album hätte sie durch den Lockdown gebracht. Das finde ich immer am schönsten.
Johannes Blindhofer: Man sieht es auch anders. Ich brauche auch nicht die direkte Anerkennung, man merkt es am Publikum und an der Energie beim Spielen. Ob die Leute einfach gemeinsam da sind oder nur in einzelnen Teilen. Wenn man das merkt, dass man für einen Zweck verantwortlich ist, warum die Leute zusammenkommen, das ist einfach ur schön.
Sophie Löw: Stimmt ja.
Johannes Blindhofer: Und das dann noch in unterschiedlichsten Städten zu merken, ist einfach echt ein schönes Gefühl.

Vielen Dank für das Interview!

CULK Tour:
06.12.23 Nürnberg, Z-Bau
07.12.23 Mainz, Schon Schön
08.12.23 Augsburg, SoHo Stage
02.02.24 München, Milla
03.02.24 Stuttgart, Merlin
05.02.24 Köln, Bumann & Sohn
06.02.24 Hamburg, Hafenklang
07.02.24 Berlin, Urban Spree
08.02.24 Darmstadt, Centralstation
09.02.24 Jena, Trafo
10.02.24 Landshut, Alte Kaserne
27.04.24 Karlsruhe, Kohi

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