Das nächste Fantasy Filmfest ist bereits angekündigt (Tickets für und Infos rund um die Fantasy Filmfest White Nights 2024 vom 27.01.-04.02.2024 bekommt ihr hier), Halloween ist vorbei und für alle, die immer noch nicht genug von dem Horror haben beziehungsweise es nicht abwarten können stellen wir im Folgenden ein paar Highlights des Fantasy Filmfests aus dem September noch einmal genauer vor:
Die Highlights kamen mit Vincent Must Die und The Animal Kingdom dieses Mal aus Frankreich. Vincent (Karim Leklou), Protagonist von ersterem, ist ein unscheinbarer Typ. Doch plötzlich wollen ihn, völlig aus dem Nichts, wahllos und wie hypnotisiert irgendwelche Leute umbringen. Aus der Trance befreit, können sie sich jedoch nicht mehr erinnern, was über sie gekommen war. Mehr sollte man nicht verraten, außer vielleicht, dass es noch einige spannende Twists in der knapp zweistündigen Hetzjagd gibt. Neben viel Spannung gibt es auch ein wenig schwarzen Humor, aber insgesamt nimmt der Film die zunächst durchaus satirisch startende Prämisse sehr ernst und regt eher zum Nachdenken über unseren Umgang miteinander an, denn zum Lachen. Stellt euch also auf einen eher ernsten, ruhigen Film mit einer abgefahrenen Idee ein, dann werdet ihr nahezu perfekt unterhalten. Ein paar Länge gibt es zwar, aber die Ruhephasen braucht und nutzt der Plot – es lohnt sich dranzubleiben.
Auch The Animal Kingdom beginnt mit einer plötzlichen Veränderung des Status Quo. Scheinbar zufällig mutieren Menschen zu Tiermischwesen und verlieren dabei zunehmend ihre Menschlichkeit und damit auch die Fähigkeit zu sprechen. Regisseur Thomas Cailley legt dabei den Fokus auf eine Familie, deren Mutter und im Verlauf des Films auch der Sohn (Paul Kircher) „Opfer“ dieser Mutation werden, und springt dabei zwischen den Perspektiven von letzterem und dem Vater, gespielt von Romain Duris (hierzulande bekannt unter anderem aus dem französischen One Cut of the Dead-Remake: Final Cut of the Dead). Dabei bewegt der Film sich thematisch und emotional zwischen den ruhigeren Momenten der frühen X-Men Filme sowie Werwolf Klassikern wie Ginger Snaps oder Wolf. Die Stimmung ist dabei eher fantastisch und der Fokus auf dem menschlichen Drama, nicht dem Horror. Ein sehr mitreißender, emotionaler Film, der zum Nachdenken über die Verbindung von Mensch und Tier und dem was Menschen ausmacht und was sie anrichten können anregt. Locker eines der, wenn nicht das Highlight des Fantasy Filmfestes 2023.
Wem das alles viel zu optimistisch und bunt ist, der sollte sich an Pandemonium wagen. Der Film beginnt mit zwei Männern in einer nebligen Zwischenwelt nach dem Leben aber vor dem Jenseits. Fühlt sich zunächst an wie Silent Hill, wird aber noch viel düsterer und lässt euch an der Sinnhaftigkeit des Seins zweifeln. Schnell drängt sich die Vermutung auf, dass unser posthumer Protagonist Nathan (Hugo Dillon) wohl nicht in den Himmel kommen wird, während er zwischen Resignation und herrlich französisch stoischem Protest schwankt. Seine Protestreden sind dann auch die wenigen erheiternden Momente, während wir seinem und durch ihn wahrgenommene Kurzgeschichten noch weiteren Schicksalen folgen müssen. Ob am Ende dann doch noch ein Fünkchen Hoffnung aufkeimt oder schlicht alles verloren ist, wird euch noch lange nachdem der Film vorbei ist, beschäftigen, ebenso wie manch verstörendes Bild, das der Film auf die Leinwand zeichnet.
Wer es hingegen etwas trashiger mag, ist bei Slotherhouse, We Are Zombies und Mad Cats gut aufgehoben. Ähnlich wie bei (dem wesentlich lustigeren) Zombieber stand bei Slotherhouse auch hier wohl der Pun am Anfang der Konzeption. So bekommt man zwar einerseits das, was man erwartet, ein Teenager mordendes, irgendwie dennoch süßes Faultier, aber obendrauf einen völlig überladenen und dennoch belanglosen Plot über eine „Woman Only“ Studentenverbindung, Social Media und Influencer-Kritik und ein bisschen Umweltschutz. Kann man machen, muss man aber auch nicht. Das trifft leider auch auf Mad Cats zu, in dem ein Taugenichts (Sho Mineo) auf der Suche nach seinem Bruder (So Yamanaka) ist. Zwischen der Wiedervereinigung der beiden steht ein Haufen Katzen / Assassinen, die titelgebenden Mad Cats, mit Namen wie: The Chill Monster (Asachill), The Insane Nunchaku (Ruice Mori) und The Mac-11 Twins (Older – gespielt von Mio und Younger – gespielt von Yae). Mit Microbudget in Japan ge- und überdreht und auf amerikanisch gemacht, sollte der Film ein Fest für jeden sein, der auf übertriebene durchgestylte, blutige Japano-Action steht. Trotz viel Liebe zum Genre will der Funke irgendwie nicht so recht überspringen. Dafür wirkt vieles einfach zu gewollt. Grindhouse Feeling kann eben nur ungewollt oder mit viel Können entstehen. Letzteres fehlt Debutregisseur Reiki Tsuno…noch, denn viel Herzblut und Leidenschaft spürt man in dem Film, aber am handwerklichen Geschick mangelt es an allen Ecken und Enden leider noch etwas! Hoffen wir auf eine Fortsetzung! Denn sehenswert, kreativ und voller Potential ist Mad Cats definitiv.
Bleibt noch We Are Zombies, in dem sich das Regie-Trio François Simard, Anouk Whissell und Yoann-Karl Whissell, nach dem sehr quatschigen, postapokalyptischen Turbo Kid und dem düsteren Nostalgie Horror Summer of 84, am Zombiegenre abarbeitet. Sie schaffen es dabei tatsächlich, mit dem Sci-Fi Szenario um die Co-Existenz mit den „LIVING-IMPAIRED“, und nicht aggressiven Zombies, dem völlig überlaufenen Genre wieder etwas Neues abzugewinnen. Dabei folgen wir drei liebenswerten Verlierern, die wider Willens in eine Verschwörung rund um die Untoten gezogen werden. Das könnte alles besser aussehen und geschrieben sein, macht aber eine Menge Spaß. Den gibt’s zwar auch bei Slotherhouse und Mad Cats, aber hier eben eine gute Spur runder.
Daneben gab es zum Beispiel noch den überraschend ergreifenden Raging Grace, der das Schicksal philippinischer Arbeiter in England mit einer Geisterhausgeschichte verbindet oder den sehr kreativen tschechischen Sci-Fi Film Restore Point, dessen Noir-Krimi-Geschichte um Wiederbelebung basierend auf konstantem Backup sich vor keiner Black Mirror-Folge verstecken müsste. Zum Abschluss gab sich auch noch der Dauergast des Festivals – Nicolas Cage (nicht persönlich, sondern in Filmform) – die Ehre und unterhielt prächtig mit dem oberflächlich an Collateral (2004) erinnernden Sympathy for the Devil, der jedoch, wie zu erwarten, wesentlich abgedrehter als das Tom Cruise Vehikel daherkommt. Aber zu dem schreiben wir demnächst mehr, wenn er dieser Tage seinen Heimkino Release hat.
Insgesamt war es ein Festival, bei dem man die Highlights ein wenig suchen musste und sie hauptsächlich abseits der „echten“ oder zumindest der klassischen Horrorfilme finden konnte. Der erste angekündigte Film der White Nights When Evil Lurks scheint da eher wieder klassisches Horrorkino abzuliefern. Schön also, dass man dieses Mal einen etwas anderen Schwerpunkte gewählt hatte, ebenso schön, wenn man dann Anfang nächsten Jahres wieder zum klassischen Horror zurückkommt. Wegen genau diesen vielen Facetten des Genrekinos lieben wir das Fantasy Filmfest.