GHOSTWOMAN – Hindsight is 50/50


Foto-© Tom Persyn

I found You rocking behind the door
I took You dancing though
You couldn’t find me, I didn’t show
I took You dancing though

I won’t hurt You
Need You
Bleed You
You won’t unite Your answers though

(Ghostwoman – Yoko)

Im Juan-Songvideo und in den Konzerten von Ghostwoman sieht man, dass sich Schlagzeugerin Ille van Dessel und der kanadische Gitarrist Evan Uschenko, einander gegenüber sitzend/stehend, beeindruckend ergänzen. Ihr garagenrockiger Krach hat etwas Kunstvolles, und das entsteht nicht von selbst. Nur aus diesen beiden Musikern besteht die Band mit Sitz in den USA – was sie an stoischen Drumbeats und psychedelischen Soundeffekten aus dem Duo-Konzept herausholen, erfordert Konzentration und Koordination. Das neue Album bildet da keine Ausnahme, auch wenn van Dessel und Uschenko stilistisch schon wieder zu neuen Ufern unterwegs sind.

Hindsight Is 50/50 ist bereits das dritte Album von Ghostwoman (aktuelle Schreibweise laut Albumcover – die Version Ghost Woman findet man im Netz aber auch) innerhalb von 18 Monaten, es kommt nur gut ein halbes Jahr nach Anne, If heraus. Die Empfehlung des deutschen Rolling Stone (“Für das nächste Album darf Uschenko sich aber gern etwas länger als sieben Monate Zeit lassen”) ist dem Sänger, Songwriter und Multiinstrumentalisten also wohl am Hintern vorbei gegangen. Im kreativen Duo mit seiner quirligen Drummerin folgt er offensichtlich den Fußstapfen von The White Stripes, die in ihren ersten Jahren auch alles schnell rauslassen mussten und sich (zum Glück) nicht an Karrierepläne vom Reißbrett hielten.

Es gibt nur ein Problem mit Hindsight Is 50/50 (im klaren Gegensatz zum genialen Fühwerk von Jack und Meg White): Zwar entwickeln einzelne Tracks wie Highly Unlikely, Yoko, Juan oder Bulk durchaus einen hübschen Postpunk-, Shoegaze- und Bluesrock-Sog, aber insgesamt bietet die Platte in ihren zehn Stücken zu wenig Abwechslung. Da werden diverse rohe Feedback-Gewitter erzeugt, Uschenkos (Sprech-)Gesang ertrinkt oft im Hall, das Schlagzeug treibt teilsweise monoton von hinten an (obwohl van Dessels Performance optisch durchaus eine coole Show ist). Und nach eingängigen Harmonien muss man schon ein bisschen suchen – da war das am Sixties/Seventies-Rock orientierte Vorgänger-Werk vom Anfang dieses Jahres zugänglicher.

Allerdings sagt Uschenko selbst, dass “die ersten beiden Alben nie als Alben gedacht waren: Sie sind wie Seiten aus Tagebüchern, die längst verbrannt sind. Mit der Einführung von Ille van Dessel als Co-Autorin/Drummerin fühlt sich das Projekt an, als ob es eine Richtung hätte.” Auch die Album-PR spricht von nur “wenigen verdaulichen Gesangsmelodien” – die leicht abgedrehte Ruppigkeit der Geisterfrau ist also wohl Absicht. Noch ein Uschenko-Zitat, das eine gewisse Leckt-uns-am-A….-Attitüde zu spiegeln scheint: “Es gibt nie ein Konzept, wenn es darum geht, etwas zu erschaffen, und keine Absicht hinter dem, was wir erschaffen – außer Krach zu machen und ein Album fertigzustellen.” Immerhin: Das ist Ghostwoman zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit geglückt. Auch wenn das Resultat Hindsight Is 50/50 zumindest diesen Hörer teilweise etwas ratlos zurücklässt.

Ghostwoman – Hindsight Is 50/50
VÖ: 24. November 2023, Full Time Hobby
www.ghost-woman.com
www.facebook.com/ggghostwoman

Ghostwoman Tour:
22.01.24 München, Milla
24.01.24 Nürnberg, Z-Bau
25.01.24 Köln, Bumann & Sohn
26.01.24 Bremen, Lagerhaus
27.01.24 Berlin, Lido

YouTube video

Werner Herpell

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