Foto-© Maclay Heriot
Stars fall from their lofty places
Earth has been put through her paces
Cosmic surgeons cut the cable
Make a new world if you’re able
(King Gizzard & The Lizard Wizard – Swan Song)
King Gizzard & The Lizard Wizard blicken auf ein für ihre Verhältnisse ruhiges Jahr zurück: Mit The Silver Cord haben sie gerade ihr zweites Studioalbum 2023 veröffentlicht – nach fünf Langspielern 2022 quasi eine Nebentätigkeit. Umso mehr Zeit blieb den notorisch kreativen und produktiven Australiern für den wieder einmal fantastisch absurden, überladenen konzeptionellen Überbau ihrer diesjährigen Projekte:
Während auf dem im Sommer erschienenen Metal-Album PetroDragonic Apocalypse; or, Dawn of Eternal Night: An Annihilation of Planet Earth and the Beginning of Merciless Damnation ein von der fossilen Gier der Menschen geschaffenes Drachenmonster die Erde zerstörte, besingt Stu Mackenzie auf The Silver Cord nun die (Wieder)Geburt der Erde und des menschlichen Bewusstseins, irgendwo zwischen astralem Wirrsinn und Mythologie (ägyptisch, griechisch, chinesisch, alles dabei).
Hinterlegt sind die prophetischen Ideen und Nacherzählungen verschiedener Mythen mit einer rein elektronischen Instrumentalisierung. Nach dem fast schon orthodoxen (und handwerklich einwandfreien) Heavy-Metal-Album vor gerade einmal fünf Monaten ist das selbst für King Gizzard ein wilder Schritt. Dutzende Synthesizer von den Achtzigerjahren bis heute kommen auf dem neuen Album zum Einsatz, und ergeben ein buntes Elektropop-Bild, das irgendwo zwischen Space Opera und Techno-Parodie landet. Wie genau man das Produkt dieser manischen Party genießen möchte, bleibt dann auch noch der Hörerin und dem Hörer selbst überlassen: The Silver Cord gibt es einmal in einer knackigen 28-Minuten-Version, und einmal in einer ungehemmten 88-minütigen Extended Version.
Allein der eingängige Opener Theia wird so zu zwei vollkommen verschiedenen Songs: Die radiotaugliche Variante ist ein Retro-Synth-Pop-Hit, die Langversion eine Roboter-Improvisationssession, die jeden Gedanken endlos ausspielt. Die Liebe der fünf Ursprünglich-mal-Rock-Musiker zu ihrem neuen elektronischen Labor wird in den zwanzig Minuten Mega-Theia zweifellos deutlich, doch weder stellt sich über diese Zeit eine Trance ein, wie ein Techno-Track sie provozieren würde, noch entwickelt sich die Geschichte über den Zusammenprall der Erde mit einem Urplaneten vor ein paar Milliarden Jahren wirklich weiter.
Die ersten Songs funktionieren in der Kurzversion als Feuerwerk der neuen Ideen der Lizard Wizards, während die Extended Editions manchmal zu sehr danach klingen, als wäre das Aufnahmegerät bei der Jamsession zu lang mitgelaufen (was wieder einmal sehr nah an der Wahrheit liegt). Die dunkleren, techno-inspirierteren Tracks The Silver Cord oder Swan Song machen in beiden Varianten Spaß, und besonders letzterer hält sein Energielevel in der Langversion die vollen zehn Minuten durch.
Hört man das neueste Projekt als Teil eines KGLW-Marathons, hat die zehn liebsten Fun Facts zur jüngsten Bandgeschichte dabei und ist zufällig gleichzeitig Metal-Fan und Connaisseur der gesamten Yamaha-Produktpalette, ist The Silver Cord sicherlich ein Fest. Ansonsten ist der Elektro-Ausflug der Marathon-Band nicht die zugänglichste Kennenlernmöglichkeit, und bei vielen Spielereien und Easter Eggs bleibt ein etwas verkopftes Hörerlebnis.
Das Gute ist: Wenn die Synth-Wizards nichts für einen waren, kommt als nächstes sicherlich ein Soul-Album oder eine Spoken-Word-Performance zur Wiedergutmachung. Und Spaß beiseite, es ist wahrlich beeindruckend, mit welcher Hingabe die Band das Versprechen eingelöst hat, auch mit diesem ungewöhnliches Album-Zyklus ein komplementäres, kosmisches Bild zu schaffen.
King Gizzard & The Lizard Wizard – The Silver Cord
VÖ: 27. Oktober 2023, KGLW
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