THE QUIET GIRL – Filmkritik


Foto-© Neue Visionen Filmverleih

We’ll keep the child gladly.

(Eibhlín – The Quiet Girl)

Irland in den frühen 80er Jahren. Cáits Vater (Michael Patrick) ist ein Tunichtgut, ihre Mutter (Kate Nic Chanaonaigh) herzensgut, aber mit vier Töchtern, einem Baby und einem weiteren auf dem Weg sichtlich überfordert. Als jüngste der vier Schwestern zieht sich Cáit (gespielt von Catherine Clinch) zunehmend aus allem zurück und verbringt den Tag vor sich hinträumend. Ohne Schule und Betreuung dank Sommerferien und mit der Mutter kurz vor der Geburt des ersten Bruders schieben die Eltern das Mädchen auf zunächst unbestimmte Zeit zu den relativ wohlhabenden, abseits der Stadt lebenden und kinderlosen Tante (Carrie Crowly) und Onkel (Andre Bennet) ab. Vielleicht das Beste, was dem Mädchen passieren konnte.

Ob sarkastisch, lebend oder schlicht beobachtend, muss zunächst festgehalten werden, dass The Quiet Girl wie das titelgebende Mädchen ein sehr ruhiger Film ist. Es passiert oberflächlich wenig, während wir im Verlauf eines Sommers Cáit beim Auftauen und Aufblühen zusehen. Dabei fängt Regisseur Colm Bairéad zwei verschiedene Perspektiven ein, die beide eben dieser Ruhe bedürfen und dabei so einfühlsam wie selten portraitiert werden. Zunächst die Lebensrealität eines sehr jungen Menschen, der Spielball der Entscheidungen, Probleme und Charakterzüge der Erwachsenen um sie herum ist. Eine Situation, der sie tatsächlich über weite Strecken ausgeliefert ist, während sie sich mangels Lebenserfahrung dafür verantwortlich sieht. Neben diesem seltenen Einblick wird aber auch gezeigt, wie sehr Kinder auch ohne weitere Erklärungen Situationen und Emotionen von Erwachsenen in ihrer Komplexität komplett erfassen zu können, eben diese doch instinktiv verstehen. Mehr noch gehen sie auch den nächsten Schritt und trauen sich aufgrund ihrer Aufrichtigkeit und vielleicht auch Naivität nicht nur die richtigen Worte zu finden, sondern sie auch auszusprechen, und dadurch Konflikte, egal ob offener Streit oder innere Zerrissenheit zu lösen oder zumindest ein Stück weit zu heilen.

Als würde dies den Film nicht schon wertvoll genug machen, ist er auch noch komplett in Gälisch gedreht, als erster solcher zumindest auf der Liste potenzieller Nominierungen für einen Oscar und voll von Irischer Kultur und Eigenheiten.

Jeder, der sich diesen Herbst auf einen ruhigen Irischen Sommer einzulassen vermag, sollte sich einen Abend mit dem ruhigen Mädchen beschäftigen. Ebenso wie die Gefühlslage der Protagonisten ist dieser Sommer zwar zunächst bewölkt und durchwachsen, wird euch aber mit ein paar Tränen und einem sehr wohlig warmen Gefühl und der Hoffnung, dass alles gut werden könnte in die Winter- und Weihnachtszeit entlassen.

The Quiet Girl (IR 2022)
Regie: Colm Bairéad
Besetzung: Carrie Crowly, Andre Bennet, Catherine Clinch, Michael Patrick, Kate Nic Chanaonaigh
Kinostart: 16. November 2023, Neue Visionen Filmverleih

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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