ZIMMER90 – Interview

Foto-© Stephan Strache

Wir treffen Finn und Joscha von Zimmer90 im Pressebereich vom Appletree Garden Festival. Nachdem es den Donnerstag über geregnet hat, präsentiert sich der Festivalfreitag uns angenehm mild. Ein paar Sonnenstrahlen blinzeln durch das Laubdauch.

Schön, dass ihr Zeit für uns habt. Habt ihr euch gut eingefunden auf dem Appletree Garden Festival? Habt ihr den Raum schon ein bisschen erkunden können?
Finn: Ein bisschen.
Joscha: Nur kurz. Aber so nice, dass jetzt endlich Sonne scheint. Wir waren gestern beim Rocken am Brocken und da hatte es 15 Grad und wir mussten unsere Winterkleidung wieder auspacken. Überall war Schlamm und jetzt es hier so mild und schön mitten im Wald. Es ist sehr schön.

Ihr seid gerade hier angekommen?
Joscha: Gerade vor gut einer halben Stunde.
Finn: Gerade haben wir bereits lecker gegessen und gleich nach dem Interview schauen wir uns auch noch ein bisschen das Gelände an.

Und dann geht es los?
Finn: In einer Stunde fangen wir an mit dem Aufbau.

Was passiert denn heute im Zimmer90 auf dem Appletree? Worauf können wir uns freuen?
Finn: Wir spielen ein Konzert. Dafür haben wir ein Set vorbereitet, was eine Mischung aus Songs, die wir bereits veröffentlich haben ist aber auch viele tanzbare Passagen und Partyelemente hat, weil wir es cool finden, auch da verschiedene Räume zu öffnen und Sachen zu erkunden.

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Wie unterscheiden sich diese Räume für euch wenn ihr jetzt auf so einer großen Festivalbühne spielt im Gegensatz zu „kleineren“ Clubkonzerten von denen ihr ja bereits ziemlich viele dieses und letztes Jahr gespielt habt?
Joscha: Das ist spannend und es gibt schon einen Unterschied. Bei einem Clubkonzert ist der Raum sozusagen auch optisch gegeben. Und hier ist es halt nicht so. Und es ist auch nochmal ein ganz anderes Gefühl, wenn es so ganz viele Leute sind. Wie man mit denen kommuniziert und wie man auf der Bühne performt. Bei einem kleinen Club mit 200 Leuten ist man direkt an den Leuten dran und kann sie mehr wahrnehmen, mehr spüren und wenn es diese große Masse ist, dass ist schon anders. Also ich merke schon, wenn ich auf der Bühne stehe: „Hey, ihr da hinten, kriegt ihr mich auch mit?“ Das ist immer ganz spannend. Aber ich glaube, uns gelingt es trotzdem ganz gut, diesen Raum zu öffnen, weil wir unser Set mit sehr vielen Übergangen gestalten, dass es jetzt nicht nur Song, Song, Song, Song ist, sondern wir auch oft Songs für das Set umschreiben und dann geht mal ein Song acht Minuten. Das ist eher wie ein bisschen technoider Jam und dann geht es mal wieder in den Song. Aber ich glaube, dass ist unser Ding, dass wir einen Raum kreieren, der nicht nur unsere Spotify Songs sind, sondern ein eigenes Erlebnis.

Bei der c/o pop habt ihr in der Live Music Hall gespielt. Da war es das Ummantelende. Raum schaffen, hat dort perfekt geklappt. Und hier ist es ja zumindest eine Lichtung. (Gelächter) Vielleicht könnt ihr euch ja die Baumkronen als Laubdach vorstellen.
Finn: Der Michi meinte auch schon eben, er findet die Lichtung richtig geil.

Ihr singt auf Englisch, habt euch aber einen deutschen Namen gegeben. Wie kam es dazu?
Finn: Das ist richtig. (alle lachen.)
Joscha: Die Frage wurde uns noch nie gestellt. Immer nur „Warum Zimmer90?“. Es stimmt. Wir waren damals einfach in einem Modus, wo wir gemacht haben und nicht darüber nachgedacht haben, was muss ich jetzt tun, um als Band einen Namen zu haben, der dazu passt. Es hat sich einfach richtig angefühlt und der Namen ist einfach so raus geploppt. Wir haben kein Mal darüber nachgedacht, das ist Deutsch, das ist Englisch oder groß unterschieden. Wir haben einfach gemacht.

Und wo kommt die 90 her?
Finn: Dadurch, dass wir mit Zimmer90 diesen Raum benennen, war es uns wichtig, dass es nicht irgendein Raum ist, sondern ein bestimmter Raum, der aus uns heraus kommt, von uns geöffnet wird und nicht irgendetwas ist, sondern genau dieser Raum. Da war es das naheliegendste, den Raum einfach zu nummerieren, ihm eine Nummer zu geben.
Joscha: Wie ein Hotelzimmer. Warum es jetzt konkret die 90 ist? Es war die erste Zahl, die uns in den Kopf gekommen ist und es hat sich gut angefühlt. Zimmer90. Es lag gut im Mund.
Finn: Ich glaube, wir versuchen generell uns schon, Narrative gut aufzubauen, uns da viele Gedanken zu machen. Aber wir mögen es auch Dinge einfach zu tun, weil sie sich gut anfühlen. Das ist auch das Schöne an Musik, dass man nicht alles begründen muss, sondern einfach auch etwas machen kann, weil es sich richtig und weil es sich gut anfühlt.
Joscha: Wir haben auch oft die Erfahrung gemacht, dass die Sachen, die einfach so entstehen, die man in dem Moment richtig fühlt, über die man vorab nicht so viel nachgedacht hat, oft die sind, die uns am meisten gefallen haben und aus denen wir dann viel lernen konnten und unseren Sound daraus ziehen konnten und uns dann etwas daraus bewusst zu machen.

Ist dieses Gefühl auch etwas, was euere Bandgeschichte prägt? Wie lange gibt es bereits Zimmer90?
Joscha: Mit Sicherheit. Es ist lustig. Unsere Band gibt es erst seit Anfang 2019. Wir haben dann erst einmal nur in Stuttgart Konzerte gespielt und das hat uns mega Spaß gemacht. Aber wir hatten nie den Gedanken, wie releasen jetzt was. Dann hat unser damaliger Klavierlehrer uns ziemlich gepusht und gesagt „Hey, das ist ziemlich gut, ihr braucht einen Spotify Account.“. Und dann hat er uns einen Spotify Account erstellt. Wir saßen bei ihm zu Hause und machten es dann zusammen. Seit 2020 mit unserem Movin-Release hat es sich verändert. Das war der erste Schritt, wo Zimmer90 in die Welt getragen wurde und wir sagten, wir releasen was, wir zeigen unsere Musik allen und nicht nur unseren Freunden in Stuttgart und wollen es mal probieren. Der Startschuss war also im März 2020.

Ein Hoch auf den Klavierlehrer. Habt ihr euch bei ihm auch kennengelernt?
Finn: Ja. Es war so, dass ich bei ihm war. Es war ein Jazz Klavierlehrer aus Stuttgart. Und dann haben wir uns auf einer Party kennengelernt, weil ich dort ein bisschen gespielt habe und dich dieser Jazz Song interessiert hat. Du hattest auch schon Unterricht: Schlagzeug und Klavier. Aber es war diese Jazzwelt, die dich da interessierte. Und dann bist du auch zu diesem Klavierlehrer gegangen. Er hat schnell gemerkt, dass Josch auch so Songs schreibt und dann hat er uns verkuppelt.
Joscha: Wir waren so die zwei Schüler, bei denen es manchmal schwer war. Die nicht so viel geübt haben. Eher so das gemacht haben, worauf sie Bock hatten. Ich war dann oft so „Ich habe nicht geübt aber ich habe einen eigenen Song geschrieben“ und habe ihn dann den neuen Song anstatt des Jazzstandart, den ich hätte üben sollen, vorgespielt.
Finn: Wir verdanken ihm auf jeden Fall viel.

Ich nehme an, ihr habt auch noch Kontakt zu ihm und er ist sicherlich stolz wie Bolle, wie sich das entwickelt hat?
Finn: Wir sprechen auf jeden Fall öfter mit ihm und es immer noch schön.

Wo ihr Stuttgart erwähnt habt: Gibt es eine Szene, oder so etwas wie Zusammenhalt? Mir fallen zum Beispiel direkt Rikas ein, wenn ich an Stuttgart denke. Habt ihr mit anderen Bands untereinander Kontakt?
Joscha: Mit Rikas sind wir ziemlich gut befreundet. In Stuttgart gibt oder gab es – zu der Zeit, wo wir in Stuttgart waren – nicht so viele Bands, die auch in Deutschland bekannt sind. Da waren Rikas die einzige Band. Stuttgart ist sonst immer so Einzelkünstler. Wie Cro oder so. In unserem Alter gab es nur die Rikas. Ich weiß noch, wir haben sie in einer Bar kennengelernt, da hatten wir noch nicht einmal unseren ersten Song draußen und wir hatten uns gesehen, mega laut, so ein kleines Cafe. Sie haben uns dann ein bisschen an die Hand genommen und immer mal wieder gezeigt, so geht es. Und nun ist es voll die schöne Freundschaft geworden und wir zeigen uns immer wieder, was so geht.
Finn: Aber ansonsten fühlt sich Stuttgart nicht so krass nach einer lebendigen Bandstadt oder -szene an. Wir sind jetzt ja schon ein bisschen länger nicht mehr so oft dort. Ich glaube gerade passiert auch wieder etwas mehr aber so vor zwei, drei Jahren war nicht so viel dort los.

Ansonsten fällt mir auch nur NNDW Artists ein. Edwin Rosen oder Temmis kommen aus der Ecke Stuttgart. Aber das ist natürlich ein ganz anderer Sound. “Nicht mehr so oft dort“ heißt, ihr seid weggezogen? Oder so viel unterwegs?
Finn: Ich bin nach Leipzig gezogen. Joscha nach Freiburg. Wir haben auch beide noch studiert bis vor kurzem. Seit wir beschlossen haben, die Band auch Vollzeit zu machen und wissen wollen, was passiert, wenn wir nur Musik machen, spielen wir noch öfter Konzerte. Wir spielen dieses Jahr zwei Touren und einige Festivals. In Berlin sind wir auch oft, um Musik zu machen. Mal hier mal da. Wir sind aktuell einfach sehr viel unterwegs, um Musik zu machen.

Wenn ihr geografisch getrennt lebt, wie schreibt ihr dann an neuen Songs? Wie probt ihr?
Joscha: Wir wohnen zwar getrennt aber eigentlich waren wir seit März 90 Prozent der Zeit zusammen. Entweder in Freiburg oder in Leipzig. Und auch sonst macht eigentlich jeder von uns jeden Tag Musik. Jeder schreibt Demos. Und dann zeigen wir sie uns. Wir sind dauerhaft in einem Austausch, auch wenn wir uns halt mal nicht sehen. Aber seit März war das längste, wo wir uns nicht gesehen haben vielleicht einmal eine Woche.

Und wie können wir uns das dann vorstellen, wenn ihr an neuer Musik sitzt? Habt ihr zuerst eine Melodie? Oder ein Textfragment?
Joscha: Das ist unterschiedlich. Wir arbeiten voll gerne zusammen, weil wir wie zwei Gegengewichte sind. Ich bin so ein kreatives Chaos. Ich habe eine Idee und mache dann gerne ein Skizze, dann mache ich noch eine Skizze und dann mache ich noch eine Skizze und dann ist irgendwann mein ganzer Laptop voll und ich weiß nicht mehr, welche Skizze wo war. Aber ich konnte mich richtig ausleben. Finn ist eher strukturiert. Er kann mich im richtigen Moment bremsen und ich kann Finn im richtigen Moment ausbrechen lassen.
Finn: Ich würde sagen, du schreibst viele Songs, machst viel Songwriting. Mich interessiert auch Produktion voll. Von mir kommen dann eher Instrumentalideen. Wir arbeiten es dann aber meistens zusammen aus. Wir können am besten zu zweit arbeiten, weil wir uns komplementieren.

Dürfen wir euch fragen, wie euer Weg vom Trio zum Duo wurde? Ihr habt ja gemeinsam mit Michi begonnen. Nun macht ihr zu zweit Musik, Michi ist aber weiterhin bei den Liveauftritten dabei.
Joscha: Klar. Michi ist live weiterhin dabei. Wir haben einfach für uns zu dritt beschlossen, dass das jetzt der beste Weg für uns ist. Weil Michi, an dem Punkt, wo es sich für uns professionalisiert hat, einfach gemerkt hat, dass er eine andere Lebensvorstellung, einen anderen Lebenswunsch hat, als jetzt die nächsten fünf Jahre voll in die Musik zu tauchen. Da haben wir voll den guten Weg gefunden, dass er trotzdem noch, bei dem, was ihm am meisten Spaß macht – Livespielen – dabeisein kann und wir es aber trotzdem in der Intensität machen können, in der wir es machen wollen. Es war vorher manchmal etwas schwer, weil wir uns gewünscht hatten, mehr zu machen, aber der Wunsch von Michi eher woanders lag.

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Wenn ihr sagt, ihr lasst euch ein bisschen treiben und schaut, was passiert? Habt ihr irgendwelche Ziele oder Ideen, was euch vorschwebt?
Joscha: Wir haben schon extrem Lust, ein Album zu schreiben. Bislang haben wir uns aber noch nicht getraut, uns konkret an ein Album zu setzen. Zu sagen, wir nehmen uns jetzt viel Zeit und probieren etwas, von A bis Z an einem Album zu arbeiten. Wir hätten genug Songs, um jetzt ein Album zusammenzukleistern. Aber das ist nicht unser Anspruch. Wir wollen ein Konzept haben.
Finn: Wir beide haben nie aufhören an Musik zu arbeiten. Wir arbeiten eigentlich jeden Tag an neuer Musik. Daher ist es ein Wunsch von mir, so viel wie möglich, davon auch weiterzuentwickeln und natürlich dann auch zu veröffentlichen.

Dann können wir uns also noch auf viel Musik von euch freuen. Wie toll. Wo wir gerade auf einem Festival sind. Wenn ihr selbst ein Festival kuratieren dürftet: wo soll es sein und wer soll dort alles spielen?
Finn: Gute Frage. Eigentlich spielen nur wir. Wir eröffnen, dann spielen wir den Hauptslot und dann legen wir noch auf.
Joscha: Mein Traumfestival wäre auf jeden Fall irgendwo am Meer. Direkt am Meer mit Hügeln im Hintergrund und ein bisschen Pinienwald. Dann wären auf jeden Fall mit dabei Tame Impala, Men I Trust, Parcels. Wir würden auch spielen. Aber so gemütlich irgendwann mittendrin, relativ am Anfang. Ich müsste aber glaube ich nicht mal spielen müssen.
Finn: Wir hätten auf jeden Fall auch eine Stage, auf der viel getanzt wird, weil wir elektronische Musik sehr lieben. Wo es auch clubbig werden kann. Was ich auch cool fände, wäre auch Musik auf die Bühne zu bringen, die alternativer ist. So gab es auf der Fusion einen Act, ich weiß nicht, wie der hieß, aber der war wie ein Chor. Sie haben nur mit ihren Stimmen gearbeitet. Das war super spannend. Vielfalt ist wünschenswert.

Das klingt voll schön. Wir kommen auf jeden Fall gerne. Schaut ihr euch hier noch andere Acts an?
Finn: Ja. Alter, das Line Up hier ist mega geil. Wir sind auch traurig. Wir spielen morgen etwa acht Stunden entfernt und müssen noch die Hälfte der Strecke fahren. Gerade spielt Dolphin Love. Bombay Bicycle Club finde ich richtig nice. Strongboi und Biig Piig. Das ist richtig nice. Wir versuchen auf jeden Fall noch richtig viel aufzusaugen.

Und wie schaut eure Bedroomdisco aus? Normalerweise geht es darum, welche Songs euch gerade begleiten. Aber wenn ihr Räume kreiert, könnt ihr natürlich auch den Raum dazu erschaffen. (Alle lachen)
Finn: Es gibt so viel. Wir hören gerade viel Fred again.., dann hören wir ganz viel Men I Trust. Ich glaube, dass ist meine Lieblingsband. Ich höre Men I Trust wahrscheinlich täglich. Ring of Past von Men I Trust ist sicherlich gerade ein Lied, dass ich viel höre. Ein toller Song.
Joscha: Tame Impala höre ich viel. Aber ich mag auch so Classics. Ich höre immer mal wieder Pink Flyod.

Vielen lieben Dank für die schönen und interessanten Eindrücke und das angenehme Gespräch.
Finn/Joscha: Danke Euch. Es war auch für uns sehr schön.

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Dominik

Bedroomdisco-Gründer, Redaktions-Chef, Hans in allen Gassen, Golden Leaves Festival Booker, Sammler, Fanboy, Exil-Darmstädter Wahl-Hamburger & happy kid, stuck with the heart of a sad punk - spreading love for great music since '08!

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