Foto-© Marieke Macklon
If tomorrow starts without me, I’m with you
If today begins a day too soon
I’ve a sense of shame when it feels alright
So I’ve played some games but it ends tonight
As I’m fading into blue
Let’s just hope that somehow I’m with you
If the monsters call you names, then I’m with you
I’ve had monsters play games with me too
And if I told you just in time how you’re the one
Would you come or just pass through my arms?
And that sense of shame names itself anew
Was it worth the wait? What’s it worth to you?
And it feels alright to be passing through
Give it one more night
Give me somеthing true
Something you’ll regrеt
In that way you do
Well, I’ve had a good one
And I’ve scored a few
(Bill Ryder-Jones – When Tomorrow Starts Without Me)
Auf manche Künstler wirkt die kaum übertreffliche Leistung der Vorbilder einschüchternd bis hin zur Schreibblockade. Bei Bill Ryder-Jones, einem Hochtalentierten des Liverpooler Indiepop, war es ein frühes eigenes Werk, das ihm nicht mehr erreichbar schien und ihn daher in seiner Entwicklung hemmte.
A Bad Wind Blows Through My Heart, das vor elf Jahren veröffentlichte zweite Album des Singer-Songwriters, Gitarristen und Pianisten, war tatsächlich überragend. Seine Klasse wurde mit den (keineswegs schwachen) Nachfolgern West Kirby County Primary (2015) und Yawn/Yawny Yawn (2018/2019) auch tatsächlich verfehlt. Nun unternimmt Ryder-Jones, seit dem vorigen August gereifte 40 Jahre alt, einen weiteren Anlauf, den hohen Ansprüchen an sich selbst gerecht zu werden.
Und das gelingt ihm auf ganzer Linie mit dem grandiosen, schwelgerischen Sophisticated Pop von Iechyd Da – was Walisisch ist und ungefähr so viel wie “Gute Gesundheit” bedeutet. Diesmal passt in den 13 Stücken alles zusammen: die prächtigen Melodien, der verträumte, manchmal charmant schüchterne Gesang, die wunderbaren Arrangements (wer üppige Chöre, teils mit Kinderstimmen, nicht mag, dürfte hier freilich manchen Zuckerschock erleiden).
Der elegante Sixties-Barockpop von The Zombies, der seufzend-romantische Eighties-Britrock von Echo & The Bunnymen (deren Schlüsselsong The Killing Moon im Text von This Can’t Go On direkt zitiert wird), der balladige Nick Cave, der tolle Bombast von Italowestern-Soundtracks, aber auch britischer Folkrock und Merseybeat der Liverpooler Schule (Gerry & The Pacemakers, The Beatles, The Pale Fountains, Shack, The Coral) – all das lässt sich bei Iechyd Da heraushören. (Weil er sich seiner pophistorischen Einflüsse nicht schämt, hat Bill Ryder-Jones dazu kürzlich gleich eine eigene Spotify-Playlist zusammengestellt.)
Wie sehnsüchtig dieser Musiker nach einer Perfektion strebte, die er in seiner Vergangenheit bereits mal erreicht hatte, wird schon an zwei äußerlichen Aspekten deutlich: Das Albumcover von Iechyd Da ähnelt rein farblich sehr dem von A Bad Wind Blows… (2013), und es gibt auf der neuen Platte sogar einen Song mit dem Titel A Bad Wind Blows in My Heart Pt. 3. Klare Rückbezüge also, die aber zum Glück weder ratlos noch peinlich nostalgisch wirken.
Die beiden ersten Solo-Werke nach seiner Karriere als Gitarrist von The Coral (1996-2008) hätten eine besondere Magie gehabt – “a magic that I didn’t feel I was able to get on the two records that came after them”, sagte Ryder-Jones jüngst dem britischen Uncut-Magazin (das Iechyd Da zum “Album des Monats” kürte). Diesen besonderen Dreh habe er über Jahre bei sich vermisst: “I think for a time I lost my wonk. (…) I’ve definitely got my wonk back now.”
Das kann man wohl sagen. Für das grenzenlos kreative Songwriting von Iechyd Da kommt im Opener I Know That It’s Like This (Baby) ein Sample der brasilianischen Sängerin Gal Costa zum Einsatz, die Liverpooler Indiepop-Legende Michael Head liest im kurzen Spoken-Word-Track …And The Sea… ein Stück aus dem Ulysses von James Joyce, es gibt wie erwähnt reichlich Streicher, Bläser und Kinder-Chöre zu hören. Und im Pop-Walzer How Beautiful I Am (dem vielleicht herrlichsten Song auf einem Album voller schöner Lieder) feiert der lange unter Mental-Health-Problemen leidende Ryder-Jones sich auf ermutigende Weise selbst. Am Ende gibt es ein zartes intrumentales Piano-Streicher-Goodbye mit Nos da (Walisisch für “Gute Nacht”).
Bill Ryder-Jones hat früh im neuen Jahr eine fabelhafte Platte vorgelegt, mit der er nun endlich zufrieden und glücklich sein kann. Eine Platte, die am ehesten mit dem kürzlich auch hier bejubelten Barockpop-Meisterwerk Sirenesque (2023) vom Glasgower Langzeitprojekt The Bathers vergleichbar ist – und im nächsten Dezember, wenn die Albumbestenlisten für 2024 geschrieben werden, noch nicht vergessen sein dürfte.
Jetzt, da er sogar sinfonische Strings und helle Kinderstimmen in seinen Brit-Folkpop-Sound integriert habe, könne er zur Abwechslung durchaus mal etwas Wohlstand vertragen, sagte der Musiker aus West Kirby/Merseyside im Uncut-Interview augenzwinkernd. “I’ve been fine being skint since I left The Coral, but it’s getting a bit boring now. So a sync deal would be nice – a John Lewis advert.” Wir drücken Bill Ryder-Jones die Daumen.
Bill Ryder-Jones – Iechyd Da
VÖ: 12. Januar 2024, Domino Recordings
www.billryderjones.co.uk
www.facebook.com/bryderjones
Bill Ryder-Jones Tour:
24.03.24 Hamburg, Hafenklang
25.03.24 Berlin, Kantine am Berghain