Foto-© Chris Hornbecker
Hell don’t have no worries
Hell don’t have no past
Hell is just a signpost
When you take a certain path
Hell needs no invitation
Hell don’t make no fuss
Hell is desperation
And a young man with a gun
You ask
Why like there’s no tomorrow
You ask
Why like there’s no tomorrow
(Sleater-Kinney – Hell)
Die Vorfreude auf das neueste Werk Little Rope, der legendären Indie-Rock-Band Sleater-Kinney, ist kaum in Worte zu fassen. Es ist durchdrungen von der beeindruckenden Karriere, die 1994 in Olympia, Washington, ihren Anfang nahm. Corin Tucker, Carrie Brownstein und Janet Weiss bildeten das kreative Trio (bis zu Weiss’ Ausstieg in 2019), das sich nicht nur durch musikalische Raffinesse auszeichnet, sondern auch einen einzigartigen Beitrag zur Riot Grrrl-Bewegung lieferte und in der alternativen Musikszene von großer Bedeutung ist.
Sleater-Kinney hat sich stets für feministische Anliegen stark gemacht, und ihre Texte reflektieren Themen wie weibliche Ermächtigung, gesellschaftliche Ungleichheit und persönliche Freiheit. Dabei verkörpern sie den DIY-Ethos der Riot Grrrl-Bewegung, indem sie nicht nur Musikerinnen, sondern auch aktive Gestalterinnen ihres kreativen Weges sind. Ihr roher und unverfälschter Sound spiegelt den rebellischen Geist dieser Bewegung wider. Inspiriert von der Zusammenarbeit mit anderen feministischen Künstlerinnen und Bands, wurden sie zu einer Quelle der Inspiration für junge Frauen in der Musikszene.
Das neueste Werk, Little Rope, führt die kreative Entwicklung von Sleater-Kinney fort und präsentiert einen fesselnden Mix aus roher Energie und melodischer Raffinesse. Die zehn Songs auf diesem Album reflektieren nicht nur die individuellen Talente der Bandmitglieder, sondern auch ihre kollektive Stärke als künstlerische Einheit. Es ist jedoch mehr als nur ein weiteres Album. Es ist eine kraftvolle Meditation über das Leben in einer Welt der ständigen Krise und darüber, wie wir diese Welt beeinflussen und umgekehrt. Die Oberfläche der Songs variiert von sparsam bis hymnisch, von eingängig bis unnachgiebig. Doch darunter verbirgt sich eine Komplexität und Subtilität, die Sleater-Kinney zu einer der einzigartigsten Bands ihrer Generation macht.
Im Herbst 2022 ereignete sich eine persönliche Tragödie, als Carrie Brownstein die schlimmstmögliche Nachricht erhielt: Ihre Mutter und ihr Stiefvater waren bei einem Autounfall in Italien ums Leben gekommen. In den Monaten danach suchte Brownstein Trost in der vertrauten Tätigkeit des Gitarrenspielens. Dieser schmerzhafte Prozess fand Eingang in die Songs von Little Rope, die in intensiven Gitarrensessions entstanden und die Fragen nach dem Umgang mit Trauer, den Mitstreitenden und den daraus resultierenden Veränderungen stellen.
Das Album beginnt mit dem Opener Hell, der seines Gleichen sucht. Nach einem gedämpften Prolog, der in den ersten Sekunden einen emotionalen Einblick in die Essenz von Little Rope gewährt, folgt ein musikalischer Vulkanausbruch. Es klingt wie eine eindringliche Auseinandersetzung mit der Verletzlichkeit, die notwendig ist, um der Welt so zu begegnen, wie sie ist. Die Songs überraschen bei jedem Hören, indem sie den ersten Eindruck auf den Kopf stellen. Hinter den eingängigsten Hooks verbirgt sich stets etwas Tiefgründiges. Little Rope entfaltet sich als ein Wechselspiel von lyrischen und musikalischen Stimmungen. Die Tracks agieren als eine Einheit und offenbaren eine ungeheure emotionale Tiefe. Jeder Song ist auf den Punkt gebracht.
Dafür könnte auch die Zusammenarbeit mit dem Grammy-ausgezeichneten Produzenten John Congleton verantwortlich sein, die dem Album eine zusätzliche Dimension verleiht. Die Komplexität der Atmosphäre in Songs wie Hell und Six Mistakes spiegelt Congletons Stilistik wider. Sparsame Anfänge werden gekonnt intensiviert und erreichen einen Glanzpunkt. Der Albumabschluss mit Untidy Creature ist stürmisch und intim zugleich, ein perfekter Ausklang für dieses eindrucksvolle Werk. Little Rope ist nicht nur ein Album, sondern eine künstlerische Reise durch die Höhen und Tiefen menschlicher Emotionen, ein aufrichtiges Werk, das den Hörer*innen einen Raum für Reflexion und Verbindung bietet.
Sleater-Kinney – Little Rope
VÖ: 19. Januar 2024, Concorde
www.sleater-kinney.com
www.facebook.com/SleaterKinney