Foto-© Yuka Tanaka
I’ve never seen those kinds of blue jeans
the one with the lace up down the side
I’ll never go inside the movies
I can watch it all from my bed
From my bed
from my bed
from my bed
I will rise
rise and shine
(David Hedderman – Blue Jeans)
Irgendwie ungerecht: Die Liebe, ihr Wachsen, Vergehen und Scheitern werden im Pop unendlich oft besungern – die Freundschaft dagegen führt ein Schattendasein bei der musikalischen Darstellung intensiver menschlicher Nähe. Klar, Ü70-Leser (gibt’s die hier?) werden sich vielleicht noch an das Tankstellen-Trio Heinz Rühmann/Willy Fritsch/Oskar Kartweis erinnern, das 1930 schmetterte: “Ein Freund, ein guter Freund, das ist das Beste, was es gibt auf der Welt.” John Lennon und Paul McCartney erwiesen dem sängerisch eher unbegabten Beatles-Drummer Ringo Starr 1967 den Freundschaftsdienst With A Little Help From My Friends. Und dann war da natürlich That’s What Friends Are For, 1985 geschmachtet von Dionne Warwick.
Soviel zu den wenigen (Welt-)Hits über dieses große Thema. Warum nun die lange Vorrede? Weil das hier empfohlene Album Pulling At The Briars eben gerade nicht ein Ergebnis der Liebe oder ihres Endes, sondern der Freundschaft ist. Denn dass der seit langem in Berlin lebende irische Maler David Hedderman – trotz seiner Vergangenheit in der talentierten Indierock-Truppe The Immediate während der Nuller-Jahre – nochmal als Musiker ins Rampenlicht treten würde, war nicht zwingend zu erwarten. Doch dann kam sein Immediate-Kreativpartner daher, der herausragende Singer-Songwriter Conor O’Brien von den Villagers, trieb Heddermans Comeback-Projekt voran und veredelte das Solo-Debüt schließlich in den Sonic Studios der irischen Hauptstadt als Produzent.
“Wir trafen uns auf ein Bier in Dublin, und er schaute mich an und sagte: Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, wenn du dieses Album machen willst”, erzählte Hedderman jüngst dem deutschen Rolling Stone über die Wiederbegegnung mit dem als Musiker vielbeschäftigten Jugendfreund O’Brien. Dieser spielte dann für die Aufnahmen auch noch das Schlagzeug, hinzu kamen Sound-Tupfer von Klavier, Bass, Pedal-Steel, Klarinette und Streichern. Die 1962er Gretsch-Gitarre, die Hedderman auf Pulling At The Briars so raumgreifend spielt, war ein weiteres Geschenk von O’Brien, der zuguterletzt auch noch Live-Auftritte des Künstler-Kumpels anregte: “Nachdem wir das Album gemacht hatten, sah er mich an uns sagte: Mann, die musst du jetzt auf Tournee mitnehmen, das ist dein Sound”, so David Hedderman mit spürbarer Dankbarkeit.
O’Brien verdanken wir also fast ebenso sehr wie Hedderman eine wirklich wundervolle Singer-Songwriter-Scheibe – und man kann auch gut heraushören, warum der wesentlich berühmtere Dubliner Freund daran gern mitmirkte. Es sind zehn zarte, träumerische, nie übertrieben üppige Folkpop-Lieder, die auf Pulling At The Briars zu hören sind – in Stimmung und Ausführung denen der Villagers nicht unähnlich, wenn auch mit weniger Drang (Mut?) zum elektronischen Experiment. Das herrlich poppige Blue Jeans, The Rolling Wave oder What We Do beispielsweise wären vor allem auf den frühen Platten der “Dorfbewohner” nicht unangenehm aufgefallen. Heddermans Stimme ist ähnlich fein und fragil wie die von O’Brien, ebensowenig männlich auftrumpfend, manchmal auch charmant windschief – aber nie belanglos.
“Eine tolle bunte Schar von Musikern versammelte sich, um die Lieder mit der Zärtlichkeit zu behandeln, die sie verdienten (….) – wie in den alten Tagen”, erinnert sich Conor O’Brien an die Sessions in Dublin. “Es fühlte sich himmlisch an, wieder hinter einem Drum-Kit zu sitzen und einen Backbeat zu liefern für meinen alten Buddy und seine neue Band. Ich denke, dass Dave hier etwas Besonderes gemacht hat.” Wer O’Brien schon ein paar Mal persönlich erlebt hat in all seiner Freundlichkeit und Bescheidenheit (wie dieser Schreiber), der weiß, dass die liebevollen, wertschätzenden Worte aus dem PR-Text genau so gefallen sein dürften.
Die Aufnahmen für Pulling At The Briars gingen in fünf Tagen über die Bühne – die Entwicklung der Songs hatte indes lang gedauert, sie erstreckte sich über eine 15-jährige Periode. Also praktisch die Zeit seit dem Ende von The Immediate, in der Hedderman nach und nach als Maler in Berlin Fuß fasste, wo er jetzt mit der Künstlerin Yuka Tanaka lebt. “Diese Lieder waren ziemlich therapeutisch, und in den ersten Jahren des Schreibens und Spielens sah ich sie irgendwie auch gar nicht als Songs für eine Veröffentlichung”, sagt er. Dank Herbert Grönemeyers Auskenner-Label Grönland kommen die sanft funkelnden Singer-Songwriter-Juwelen des fast schon im Musiker-Ruhestand befindlichen David Hedderman nun einem hoffentlich großen Publikum zu Ohren. Eine bessere Einstimmung auf die (Achtung, Spoiler: grandiose!) neue Villagers-Platte That Golden Time (VÖ 10. Mai 2024) ist kaum denkbar.
David Hedderman – Pulling At The Briars
VÖ: 09. Februar 2024, Grönland Records
www.davidhedderman.com
www.instagram.com/david_hedderman