Winterzeit ist Fantasy Filmfest White Nights-Zeit und so wurde auch dieses Jahr wieder abseits der Oscar-Ankündigungen und des Mainstreams der abseitige Film für ein Wochenende in allen größeren Städten Deutschlands gefeiert. Wir waren am 2. und 3. Februar in der Harmonie in Frankfurt und haben wie immer eine Auswahl an Empfehlungen mitgebracht.
So weit abseits des Mainstreams ist Dream Scenario jedoch letztlich gar nicht. Nicolas Cage mimt einen abgehalfterten Dozenten, der primär durch seine unglaubliche Durchschnittlichkeit auffällt. Das ändert sich jedoch, als er anfängt, landesweit in den Träumen unterschiedlichster Menschen aufzutauchen. Nicht als Killer à la Freddy Kruger, sondern schlicht als passiver Zuschauer und Kommentator. Der Film beginnt dabei unglaublich lustig, dreht sich aber ab der Hälfte stark in Richtung Horror und Gesellschaftskritik mit einem leichten Science-Fiction-Sahnehäubchen. Ein Film, so wandelbar und vielfältig, wie sein Hauptdarsteller Nicolas Cage, der hier einmal mehr zeigt, wie vielfältig und vielschichtig er spielen kann. Denn von sehr menschlich und verletzlich, bis überheblich und comichaft überzeichnet wird wieder einmal alles geboten, wobei die sanfteren Töne überwiegen. Klare Empfehlung für diesen Ausnahmefilm, der ab dem 21. März zum Glück auch noch einen regulären Kinostart hat.
Relativ fernab des Mainstreams stachen noch zwei Filme sehr aus dem üblichen Genre-Mix heraus und müssen sich daher eine Gegenüberstellung gefallen lassen: die – im weitesten Sinne – Komödien von Quentin Dupieux und Mike Cheslik: Daaaaaalí! und Hundreds of Beavers. Die Erwartungen an den ersten waren nach Smoking Causes Coughing dann doch zu hoch, denn trotz seines Sujets und seiner nur 77 Minuten Laufzeit wurden durch ihre Eintönigkeit die Witze schnell alt, Dalís Allüren nur noch nervig, alles in allem der Verlauf zu vorhersehbar bis es zum Schluss kaum noch für ein Schmunzeln reicht. Nach großartigem Start nudelt Dupieux schon nach 20 Minuten nur noch lustlos das selbst definierte Schema ab. Im Gegensatz dazu sprüht Hundred of Beavers nur so vor Kreativität und schafft es auf über 100 Minuten immer wieder, sich selbst zu übertreffen. Für Fans von Looney Tunes, Buster Keaton und unverschämtem, wenn auch für manche vielleicht etwas zu infantilem Humor ein absolutes Muss!
Der Preis für am härtesten auf Kante genähte Spannung geht an Francis Galluppis Langfilmdebut The Last Stop in Yuma County. Zweifelsohne hat er eingängig The Hateful 8 studiert, denn hier kommt die virtuose Wüsten-Variation auf das Schnellkochtopf-Ensemble-Spiel. Aus der Festival-Auswahl schafft es nur noch der eingangs besprochene Dream Scenario, eine so glaubwürdige Welt zu erschaffen und sie mit so natürlich wirkenden und gleichzeitig skurrilen Figuren zu füllen.
Einen ähnlichen Anspruch hatte auch Red Rooms, worin lediglich die Hauptdarstellerinnen brillierten: Juliette Gariépy als Hackerin Kelly-Anne und Larie Babin als Angeklagten-Groupie Clémentine. In diesem Gerichtsthriller rund um einen Snuff-Filmemacher geht es um Empathie(losigkeit), Vorurteile und Selbstjustiz, was eigentlich ergiebige Themen sind. Jedoch konnte Pascal Plantes Beitrag keine wirkliche Anteilnahme generieren und die Inszenierung wirkt sehr wie die kalte Kelly-Anne. Wenn die Stärken eines Thrillers sich auf die lustigen Momente beschränken, muss man zugeben, dass dieser Beitrag von dem sonst unkonventionell überzeugenden Regisseur Gabriel Abrantes nicht lohnt. Er hatte schon in seiner kurzen Videoansprache erklärt, dass er sich an den Konventionen des Genres orientiert hat, nur leider sollte sich herausstellen, dass er sie weder gekonnt umgesetzt hat noch aus ihnen ausgebrochen ist. So fühlt sich auch Alienoid: Return to the Future an: Soweit ganz unterhaltsam, wird die Geschichte des ersten Teils eben zu Ende erzählt. Wie in Back to the Future Part III, werden Elemente aus der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gemischt. Nur ist es das Korea des 14. Jahrhunderts anstatt des Wilden Westens, die Gegenwart Koreas anstatt den USA der 80 Jahre und eben Aliens, Raumschiffe und Roboter anstatt dem in Teil drei eher punktuell eingesetzten Hoverboard und Delorian. Wo der erste Teil von Alienoid Spaß gemacht hat, verliert sich hier die Motivation der meisten Charaktere in der Flut dieser, zumeist auch noch komplett computergenerierten Elementen.
Ganz am anderen Ende des Filmbudgets liegt I’ll crush ya’ll!, der als Actionfest und mit Hauptdarsteller Mario Mayo als spanischer Jason Statham angepriesen wird. Genau das bekommt ihr dann auch, fühlt sich sehr nach Statham trifft auf Assault on Precinct 13 von John Carpenter an, hat das Herz am rechten Fleck, aber leider sitzt nicht jeder Schlag. Es fehlt einfach ein bisschen an Budget und Handwerkskunst, um so richtig zu krachen, trotzdem nett und sympathisch anzuschauen, erwartet nur eben nicht zu viel von und vor allem neben der Action.
Hoch waren die Erwartungen dann, ähnlich wie in Richtung Dupieux, an Regisseur Demián Rugna, der sich mit When Evil Lurks nach dem grandiosen Terrified zum Fantasy Filmfest zurück meldet. Wobei der Film im Marketing, wie auch im Selbstmarketing vom Regisseur, etwas zu sehr auf seine kompromisslose Gewaltdarstellung reduziert wird. Gezeichnet wird eine dystopische Welt im argentinischen Hinterland. Menschen werden von Dämonen infiziert, derer man sich nur anhand eines strikten Rituals entledigen kann, da sich sonst nach dem Tod des Wirts das personifizierte Böse immer weiterverbreitet. Ein Problem, bei dem man sich in den Städten anscheinend auf die Regierung verlassen kann, auf dem Land jedoch auf sich allein gestellt ist. Die Gesellschaftskritik ist dabei die gleiche wie schon in Terrified, mit den Unterschieden, dass die Kirche hier nicht helfen kann und dass das Böse weniger ätherisch, sondern sehr physisch daherkommt, was in vielen Gewaltspitzen mündet, bei denen so manches Tabu gebrochen wird. Die Gewalt dient dabei jedoch nie dem Selbstzweck, das macht When Evil Lurks nicht leichter verdaulich, aber hebt ihn qualitativ weit über einen the Sadness, so dass wir ihn jedem Interessierten mit einem starken Magen ans Herz legen möchten. Wer weniger Gore aber eine ähnlich gelagerte Story und mindestens genau so viel Horror sehen möchte, dem sei alternativ der nun schon mehrmals erwähnte Terrified wärmstens empfohlen.
Nachdem uns bei dem letzten Fantasy Filmfest ein wenig der klassische Horror gefehlt hatte, gab es davon dieses Mal die volle Packung. In zehn Filmen an nur zwei Tagen wurde nahezu die gesamte Klaviatur des fantastischen Films bespielt. Hoffen wir also darauf, dass möglichst viele der Filme es noch regulär auf die Leinwand schaffen und sonst sehen wir uns wieder bei den regulären Fantasy Filmfest Nights Ende April. Die konkreten Daten für eure Städte findet ihr hier.