LIME GARDEN – One More Thing


Foto-© Jono White

She’ll take you out for lunch and she’ll get the booze
She’ll always go overboard to look after you
Even though you know the heart she has is gold
You can’t help but feel the stare they glare is cold

(Lime Garden – Nepotism (baby))

Es gibt sie noch, diese seltenen Alben, die einfach nur richtig guter Pop sind. Nicht quietschig-bunt, kommerziell oder devot, sondern luftig-leicht, aber trotzdem mit einer gehörigen Portion Tiefgang und Witz, die mitreißen und eingängig sind, ohne an Experimentierfreude einzubüßen, und schlicht und ergreifend gut gemacht und produziert sind.

One More Thing von der britischen Band Lime Garden ist so ein Album. Das Werk klingt so ausgereift, dass es schwer zu glauben ist, dass es sich um ihr Debüt handelt. Sängerin Chloe Howards Stimme hat etwas von Gwen Stefani zu No-Doubt-Zeiten; frech und jugendlich, zugleich aber auch abgeklärt und sehnsüchtig. Der Opener Love Song besticht mit seinem beschwörenden Refrain und seinem lebhaften, federnden Rhythmus. Die lyrische Dissonanz mit einem Text über die Beschwerlichkeit intensiven Verliebtseins macht gleich klar, dass hier auch mit Doppelbödigkeit gearbeitet wird: “As I walk / As I bleed / I wanna take you everywhere with me / This ain’t a love song / (…) but I can’t help sing along.” Das trifft auch auf die Hörer*innen zu, die bei diesem eingängigen Hit kaum etwas anderes tun können als mit dem Fuß mitzuwippen. Mother ist ähnlich unbeschwerter, luftig-leichter Indie Pop mit verspielter Bassline, der an Midlake erinnert, aber auch Einschläge von Punk, Alternative oder gar Funk erkennen lässt. Bei Nepotism (baby) handelt es sich um eine unverhohlene Reminiszenz an die Neunziger, mit der die Band ihre Garagenrock- bzw. Grungeeinflüsse zeigt und die in ihrer eigenwilligen Nachdrücklichkeit nach Garbage oder Heather Nova klingt. Passend dazu dreht sich der Song auch um „liebe‟ oder „süße‟ Frauen, die Ärger bedeuten und auch gefährlich sein können: “She’s got the smile of a thousand puppy dog heads / ‘Cross the world, it’s a known fact / That if you piss her off you’ll never get your own back.”

Nach dem energischen Popstar folgt das nachdenkliche Pine, das im Country bzw. Freak Folk verwurzelt ist und mit seiner hypnotischen, psychedelischen Wirkung und den philosophischen Lyrics eine berührende Abgründigkeit und Tiefe ausstrahlt. I Want To Be You ist dann wieder ein elegischer Popsong mit einem subversiven, bissigen Text: “I wanna know what it means to be the one on TV / To have all eyes on me, I wish I was pretty.” Floor arbeitet mit einer Vocoder-Stimmenverzerrung und Electro-Einflüssen, Fears dreht sich um die titelgebenden Ängste, was musikalisch durch eine chaotische, sprunghafte Hookline gut wiedergespiegelt wird und leichte Funk- bzw. Alternative-Anklänge hat. Das introspektive It beeindruckt mit seiner minimalistischen Instrumentalisierung, einer melancholischen Klanglandschaft und dem anklagenden Gesang und behandelt Themen wie Sehnsucht und den Verlust von Geborgenheit. Mit dem introspektiven Looking schließt das Album, einer Folknummer, die in ihrer emotionalen Klarheit und Direktheit an Neil Young oder America erinnert.

Mit One More Thing haben Lime Garden ein beeindruckendes, vielversprechendes Debüt hingelegt. Das Album ist abwechslungsreich und streift verschiedene Stimmungen und Genres, ist teilweise spöttisch-distanziert und spielt mit Stereotypen, wird aber nie zynisch, was schon ein Balanceakt ist; es strahlt eine gewisse Millenial-Coolness aus, ohne dabei aber je unauthentisch oder unnahbar zu wirken, streift in die Tiefe und kreiert Überraschungsmomente, ohne dabei je an Leichtigkeit einzubüßen. Mit diesem Erstling schafft die Band den passenden Soundtrack zum aufkeimenden Frühlingsbeginn.

Lime Garden – One More Thing
VÖ: 16. Februar 2024, So Young Records
www.instagram.com/limegardenband
www.facebook.com/limegardenband

Lime Garden Tour:
20.04.24 Hamburg, Molotow
21.04.24 Berlin, Kantine am Berghain
23.04.24 München, Strom
25.04.24 Wiesbaden, Schlachthof

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Tamara Plempe

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