We moved into a real house
A wild field behind it
I wanted to be an inventor
Collected scraps to make a portal
I wanted so much for magic to be real

(Adrianne Lenker – Real House)

Tief in den Wäldern entstand 2022 Bright Future, das neue Album von Big Thief Frontfrau Adrienne Lenker, die damit ihr erstes Soloalbum seit Songs & Instrumentals präsentiert. In kompletter Abgeschiedenheit soll ja schon das ein oder andere legendäre Folk-Album entstanden sein. Doch auch wenn es zunächst kaum merklich ist, war Adrianne Lenker gar nicht allein im Wald. Ihre Kollaborateure Nick Hakim, Mat Davidson und Josefin Runsteen spielen ihre Instrumente (Klavier, Gitarre, Geige, Percussion) mal vorsichtig und mal energisch, singen zurückhaltend mit und schaffen es schließlich Lenker durch ihr Mitwirken noch mehr Präsenz zu verleihen. Passend dazu sagt Lenker selbst, dass sie mit diesen drei engen Bezugspersonen, drei der besten musikalischen Zuhörer:innen auf dem Album versammelt hat. Treffender könnte man es nicht beschreiben, denn das Spiel der Band ist fast ein passives, empathisches und dadurch so wundervolles Tragen.

Aufgenommen von Philip Weinrobe klingt das Album standesgemäß sehr analog und echt. Man hat immer wieder das Gefühl unter der Fensterbank in dem Waldhaus zu sitzen und unvermittelt Teil der Sessions zu sein, die ursprünglich gar nicht als Albumproduktion geplant waren. Doch „es war magisch“, sagt Lenker in Hinblick auf die Entstehung der Aufnahmen, weshalb ein daraus resultierendes Album wohl schließlich unausweichlich war.

Lenker, die ohnehin schon zu den ganz großen Songwriterinnen der letzten Jahre zählt, legt mit diesem zarten und hoffnungsvollen Album nochmal eine Schippe drauf. Nicht zuletzt mag das daran liegen, dass sie persönlicher und autobiografischer erzählt als zuvor. Ganz liebevoll und intim richtet sie den Opener Real House an ihre Mutter, findet Schönheit in der Traurigkeit einer Trennung (Sadness As A Gift) und freut sich an den kostenlosen schönen Dingen des Lebens (Free Treasure).

Auf dem Coverbild schaut man Lenker ins Gesicht. Sie sitzt mit Cowboy-Hut und fingerlosen Handschuhen vermutlich auf einer Autorückbank und wird von vorne angeleuchtet. Mit halb ernster aber vielleicht auch etwas schmunzelnder Mine schaut sie nach vorne, in eine helle Zukunft. Das Bild strahlt vieles aus, was sich in der Musik des Albums wiederfindet. Eine Person, die ihre eigenen Gedanken formuliert, die Vergangenheit mit der Zukunft abgleicht und Lust hat sich nach vorne zu bewegen in eine helle und hoffnungsvolle Welt, was aber nur gelingen kann, wenn man alles was hinter einem liegt, thematisiert, nicht zu ernst, am besten liebevoll, ohne Häme und Reue. Genau so klingen die versammelten Songs. Meist ruhig und melancholisch, manchmal aber eben auch lebensfroh und gelassen. Lenkers Stimme ist gemacht für diese Mischung. Stark und zerbrechlich, ernsthaft aber auch immer mit einer kleinen Note Humor.

Auf Fool hört man Lenker sogar bei der Aufnahme mehrmals kichern, was den spielerischen Klang und Text nur in diese Richtung unterstreicht. Dass genau das geht – Humor, Gelassenheit und tiefe Emotion – macht einen Teil der Magie Lenkers aus. Ebenso in der etwas düsteren und berührendenden Ballade Evol, wo sie Wörter rückwärts singt und daraus Sinn kreiert. So klingen viele Songs auf faszinierende Weise simpel und sind doch kaum zu greifen in ihrer Hingabe und letztlich sehr präzisen Ausgestaltung. Vielleicht ist es genau dieses Bild, was man im Hinterkopf hat, wenn man einen Cowboyhut sieht, auf einem Reiter in den melancholischen aber eben doch strahlenden Sonnenuntergang. Simpel und tiefgründig, gründlich, und lässig zugleich.

Bright Future ist das berührendste von Lenkers bisherigen Soloalben. Wer kann das noch besser?

Adrianne Lenker – Bright Future
VÖ: 22. März 2024, 4AD
www.adriannelenker.com
www.facebook.com/adriannelenkermusic

Adrianne Lenker live:
06.05.24 Berlin, Admiralspalast
07.05.24 Hamburg, Kampnagel