MARS EXPRESS – Filmkritik


Foto-© Capelight Pictures

Was entsicherte Androiden anrichten können, haben wir gesehen.

(Aline Ruby – Mars Express)

Die Privatdetektivin Aline Ruby (Léa Drucker) und ihr Roboter-Sidekick Carlos Rivera (Daniel Njo Lobé) versuchen einen Hackerangriff und einen mysteriösen Mord aufzuklären und geraten dabei immer tiefer in einen Strudel der Verschwörungen auf dem Mars des 23. Jahrhunderts.

Die Grundidee klingt nach Cyberpunk und Blade Runner und genau das liefert Mars Express ab, jedoch verpackt in einem frischen, französischen Animationsfilm, voller fantastischer kleiner Science-Fiction Ideen. Von den ewig nervenden Updates unserer täglich genutzten Gadgets, wie zum Beispiel Video- und Audiokonferenzen, bis hin zu restriktiverem Umgang mit Drogen wie Alkohol, hier wird einmal mehr alles, was uns im 21. Jahrhundert beschäftigt, sehr behutsam 200 Jahre weitergedacht. So wirkt die ganze Welt von Mars Express nicht abgehoben, sondern merkwürdig vertraut und nachvollziehbar. Dabei hilft dem Film, dass wenige Elemente, und das erstreckt sich auch auf den Plot, groß erklärt werden. Exposition sucht man hier nahezu vergeblich, alles wird gezeigt und erlebt und eben nicht erklärt. Dennoch oder gerade weil eben alles einfach nebenbei passiert, schafft es Regisseur und Co-Autor Jérémie Périn hier in extrem ökonomische 88 Minuten einen komplett in sich geschlossenen Sci-Fi Noir Film auszuerzählen. Auch wenn die Story rund um Androiden und deren Rechte und Abgrenzung vom Menschen nicht revolutionär ist, auch Asimovs klassische Regeln tauchen wieder auf, wird sie dennoch behutsam um die Diskussion um digitale Kopien „echter Menschen“ und biologische Maschinen erweitert und aufgefrischt. Ebenso erfrischend ist es, mal einer Detektivin, die zu allem Überfluss auch noch nicht frei von Lastern ist, durch diese Story zu folgen. Auch wenn wir über sie, ganz klassisch, nicht viel erfahren, wird sie dennoch jedem Zuschauer ans Herz wachsen. Mehr jedoch ihr Sidekick Carlos, in dessen Hintergrundgeschichte wir tiefer eintauchen, und die wesentlich vielschichtiger ist, als man zunächst annehmen würde.

Einzig die Animation ist eher zweckmäßig, wobei durchaus beachtenswert ist, was mit einem Budget von unter 10 Millionen Euro abgeliefert wurde. Wobei zweckmäßig den Film auch nicht ganz gerecht wird, naturalistisch trifft es eher. Gerade weil der Plot selbst sehr viele fantastische Elemente beinhaltet, ist es dann sehr hilfreich gerade nicht à la Spider-Man oder Ninja Turtles mit einem sehr abgefahrenen Comicstil daherzukommen. Kurz gesagt, ist es einfach schön, den nüchtern klassisch französischen Animationsstil, mal wieder im Sci-Fi Genre sehe zu können. Erfreulich auch das, anders als bei den meisten Animationsfilmen, 3D-Animationen sehr organisch in das Geschehen eingearbeitet sind. Diese passen in dem Genre aber auch einfach sehr gut. Die wenigen Actionsequenzen, meist in 2D, stechen dann eher durch ihr Design hervor und das positiv. Wenn auch nie das Niveau eines Ghost in the Shell erreicht wird, werden die Ermittlungen dennoch von spannenden und durchaus auch innovativen Sequenzen unterbrochen und eine schöne Hommage an den Sci-Fi Anime-Klassiker gibt es auch. Untermalt wird das Ganze von einem treibenden und sehr passenden Elektro-Soundtrack.

Alles in allem ein rundum gelungener Film, der Sci-Fi Fans – egal ob mit oder ohne Faible für Animationsfilme – begeistern wird. Besonders wenn sie dem Tech-Noir Subgenre etwas abgewinnen können.

Mars Express (FRA 2023)
Regie: Jérémie Périn
Besetzung: Léa Drucker, Mathieu Amalric, Daniel Njo Lobé
Heimkino-VÖ: 6. Juni 2024, Capelight Pictures

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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