THE PEARLFISHERS – Making Tapes For Girls


Foto-© Werner Herpell

I took a trip around the zodiac
For a bag of penny chews
Next day I woke up in a world
Of country, folk, and the blues

It was a portrait in music that got me
And tunes about the Sundance Kid
How to give your heart away
And how to keep it hid
A letter to you from me
On the sides of a Chrome-60

That when you open up your heart and stop pretending
That you could ever understand the here and now
It’s just a few skips back along the tracks to streets of wonder
When we were learning about the world by making tapes for girls

(The Pearlfishers – Making Tapes For Girls)

Es schadet in diesem Fall nicht, ein bisschen älter zu sein als die Generation Spotify. Dann kennt man dieses Phänomen noch aus eigener Erfahrung, das David Scott zum Aufhänger der neuesten (und womöglich wieder einmal allerschönsten) Studioplatte seiner Band The Pearlfishers gemacht hat: das Mixtape. Zu einer tollen Melodie voller geschmackssicherer Sophisticated-Pop-Momente und Burt-Bacharach-Zitate erzählt uns der Singer-Songwriter aus der Nähe von Glasgow im Opener und Titelsong Making Tapes For Girls davon, was es bedeutet, mit selbst zusammengestellter Musik auf einer 60-Minuten-Cassette einem anderen (nicht notwendigerweise romantisch angehimmelten) Menschen eine Botschaft zu übermitteln (und selbst damit erwachsen zu werden).

“I didn’t know how to say the right things / So I left it to Joni and Paul / Life held no clues for life / But those songs held them all…”, singt Scott mit warmer Stimme. Lieblingslieder von McCartney und Mitchell als Spiegel der eigenen Persönlichkeit, darum geht’s ihm. “When we were learning about the world by making tapes for girls”, lautet der letzte Satz des Songs. Damit macht Scott auch klar, dass er hier nicht eine altersmäßig unangemessene Ranschmeiße an junge Mädchen bejubelt. “Als ich den Titel ‘Making Tapes For Girls’ fand, war ich als fast 60-jähriger Mann ein bisschen besorgt…”, räumt er dann auch in unserem Interview im Glasgower Kult-Plattenladen Monorail ein. Aber: “Der Song handelt nicht aktuell von ‘Do you wanna be my girlfriend?’. Es ist ein Song, der sich damit beschäftigt, wie man Beziehungen erlernt.”

Songperlen von solch hoher Qualität gibt es gleich mehrfach auf jedem Album des seit 1997 vom Hamburger Liebhaber-Label Marina betreuten Bandprojekts The Pearlfishers. Auch jetzt wieder schwelgen Scott & Co. in den prächtigsten Harmonien und üppigsten Arrangements. Die Songs pendeln zwischen Melancholie und Euphorie, sie erinnern an die Beatles, die Beach Boys und Burt Bacharach (die drei großen B’s des Sixties-Pop sind Scott heilig), an den Seventies-Westcoast-Wohlklang eines Jimmy Webb oder Harry Nilsson, ebenso an Achtziger-Jahre-Popgenies wie Paddy McAloon (Prefab Sprout) oder Green Gartside (Scritti Politti).

Schon die Songtitel sagen einiges aus über David Scott als großen Pop-Romantiker (Kisses On The Window, Hold Out For A Mystic, When The Sun Comes Back To The West Coast), aber auch über seinen augenzwinkernd-selbstironischen Humor (Put The Baby In The Milk, We’re Gonna Make A Hit Record, Boy). Mehrere Tracks haben mit seiner Enkelin zu tun, über deren Namen Scott anrührend sinniert (The Word Evangeline) und deren Wortschöpfung sogar einen Songtitel hervorbrachte (Yellow & The Lovehearts). Auch der zarte Album-Closer Sweet Jenny Bluebelle ist dem Kind gewidmet.

Erstaunlich ist bei Pearlfishers-Platten immer wieder, wie opulent sich das alles anhört, obwohl dem Musikhochschullehrer Scott ja keine Riesenbudgets zur Verfügung stehen. Er kann sich aber auf eine Kern-Band verlassen – etwa Co-Produzent Johnny Smillie, Jamie Gash am Schlagzeug, Dee Bahl am Bass, die Background-Sänger Stuart Kidd und Rebecca Wallace, außerdem die stets gleichen Streicher und Bläser. “Eine ziemlich große musikalische Familie”, nennt Scott diese Vertrauten – wobei Glasgow mit Bands/Projekten wie Teenage Fanclub, BMX Bandits, Friends Again, Love & Money, The Bluebells, The Bathers oder Starless seit über 40 Jahren ohnehin ein äußerst fruchtbares Indiepop-Biotop bietet.

Making Tapes For Girls ist ein so herrliches Album, dass man wieder einmal über die Gerechtigkeit im Pop grübelt, also: Warum ist Musik wie die von The Pearlfishers nicht viel bekannter und erfolgreicher? “Ich habe schon vor vielen Jahren aufgehört, darüber nachzudenken”, sagt David Scott im Interview, und man nimmt es diesem unfassbar freundlichen, gelassenen Mann ab. “Ich habe ein Publikum für meine Musik, die Leute lieben sie. Ja, ich würde gerne weitere 50 000 Platten verkaufen. Das ist mir aber eben nicht gelungen. Doch ich weiß, dass meine Musik einen Einfluss auf die Leute hat.” Recht hat er.

The Pearlfishers – Making Tapes For Girls
VÖ: 24. Mai 2024, Marina Records
www.facebook.com/thepearlfishers
https://twitter.com/thepearlfishers

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Werner Herpell

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