THE DECEMBERISTS – As It Ever Was, So It Will Be Again


Foto-© Holly Andres

In a book I found
Joan in the garden
I will write this down
I will lay her heart in mine
For a time
Write a line
Erase a line

In the dawning light
As she left her body
Gifted second sight
Did she lay her dowry by
Lay it by
Write a line
Erase a line

And if you listen closely
You can hear them singing ho, oh, oh, oh
And if you listen closely
You can hear them singing ho, oh, oh, oh
Hosanna

(The Decemberists – Joan In The Garden)

Ein Ausrufezeichen gehört an den Schluss – also haben The Decemberists es auch genau so gemacht. Und As It Ever Was, So It Will Be Again, ihr neuntes Studioalbum in gut 20 Jahren, mit einem über 19-minütigen Prog-Folkrock-Brett versiegelt. Dass Joan In The Garden trotz seiner epischen Länge als Video-Single vorab ausgekoppelt wurde, sagt einiges darüber, wie stolz die Band um Sänger Colin Meloy auf dieses Werk ist.

“Die Idee zu ‘Joan in the Garden’ gibt es schon seit den ‘I’ll Be Your Girl’-Sessions”, erklärt der Decemberists-Mastermind. “Nachdem ich Lydia Yuknavitchs wunderbar verrückten Roman ‘The Book of Joan’ gelesen hatte, war ich von Jeanne d’Arc begeistert. Ich wollte meine eigene Version von Johanna machen – aber der Song, der dabei herauskam, handelte ebenso sehr vom kreativen Prozess wie von der tatsächlichen Frau, von Engelsbesuch und kreativem Besuch und der halluzinogenen Qualität von beidem.” Klar, in fast 20 Minuten Song passt eine Menge rein, also hat das Quintett aus Portland/Oregon sich keine Zügel angelegt.

Joan In The Garden krönt nach sechs Jahren Pause ein ohnehin üppiges, überbordendes Album. Und man kann sich natürlich fragen, wie zeitgemäß ein solcher Monster-Track in Zeiten von Streams, Playlists und abnehmenden Aufmerksamkeitsspannen noch ist – aber ein bisschen stur und kompromisslos war diese Band ja schon immer. As It Ever Was, So It Will Be Again ist das bisher längste Album der Decemberists und ihre erste absichtlich so kompilierte, “echte” Doppel-LP mit vier thematischen Seiten. Die Platte wurde von Meloy und dem Top-Studiotüftler Tucker Martine produziert, es gibt Gastauftritte von James Mercer (The Shins) und Mike Mills (R.E.M.).

Und den Einfluss der beiden genannten Band kann man auch gut hören, etwa im Opener Burial Ground, bei dem Mercer sogar selbst mitsingt, oder in Long White Veil, das einigen 90er-Jahre-Hits von Michael Stipe/Mike Mills/Peter Buck gefährlich nahe kommt. Des weiteren haben der Mariachi-Wüsten-Folk von Calexico (Oh No), der hyperaktiv-wuchtige Stadion-Indierock von Arcade Fire (Born To The Morning, America Made Me), federleichter Sixties-Westcoast-Pop (Tell Me What’s On Your Mind) und sogar klassischer Country (William Fitzwilliam) ihre Spuren im aktuellen Decemberists-Sound hinterlassen.

Aber natürlich ist diese bunte Mixtur eine durchaus originelle, man kann der Band keine Abkupferei nachsagen (oder sie klaut zumindest bei den richtigen Vorbildern). Eine andere Frage ist: Braucht man nach Decemberists-Meisterwerken wie Picaresque (2005), The Crane Wife (2006), der irrwitzigen Progrock-Oper The Hazards Of Love (2009) oder The King Is Dead (2011) eine Comeback-Platte, die all das quasi in Überlänge zusammenfasst?

Sagen wir es diplomatisch: Für Fans ist dieses Ausrufezeichen eine feine Ergänzung des Album-Katalogs und sicher kein Rückschritt. Aber die Decemberists-Gefolgschaft (die in den USA ja schon mal riesig war und mehrere Top-Ten-Platzierungen in den Albumcharts einbrachte) wird sich durch As It Ever Was, So It Will Be Again vermutlich nicht vergrößern.

The Decemberists – As It Ever Was, So It Will Be Again
VÖ: 14. Juni 2024, YABB Records
www.decemberists.com
www.facebook.com/thedecemberists

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Werner Herpell

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