BLUR – Live At Wembley Stadium

I fucked up
I’m not the first to do it
Must forgo now, your smile
Off the wall, beige
I’m fixtures and fittings now
Call me out, but call me

‘Cause there’s something down here
And it’s living under the floorboards (ah!)
It’s grabbed me ’round the neck with its long and slender claw
Ooh, don’t leave me here, baby, don’t leave me completely
‘Cause I might not get back to myself at all

St. Charles Square
This year’s migration
Basement flat with window bars
Pauli’s outside
Spare me the gloaters and the pain
I don’t want it anymore

(Blur – St. Charles Square)

Ohrenbetäubender Jubel, eine E-Gitarre wird kurz angerissen, dann ein knappes, trockenes “Wow!”. Es klingt gänzlich ungekünstelt, wie Damon Albarn mit diesem Ausdruck der Fassungslosigkeit angesichts eines gigantischen Publikums reagiert. Später wird der Blur-Sänger die Fans, hörbar gerührt, mit “You’re Lovely!” und “Fuckin’ brilliant!” anhimmeln – und auch sonst nicht mit seiner Euphorie hinter dem Berg halten.

Es sind letztlich gleich zwei Konzerte der Britpop-Könige im legendären Londoner Wembley-Stadion vor gut einem Jahr, die (mindestens für UK) Rock-Geschichte schreiben werden. Am Ende tragen insgesamt mehr als 150 000 Fans die feste Überzeugung nach Hause, dass Damon Albarn (Gesang, Gitarre, Keyboards), Graham Coxon (Gitarre), Alex James (Bass) und Dave Rowntree (Schlagzeug) die größte Band der Welt oder definitiv ihres Lebens sind. Was für ein Triumph, rund 35 Jahre nach der Blur-Gründung.

Im Herbst 2022, also lange bevor das Comeback-Album The Ballad Of Darren offiziell angekündigt ist und später die Pop-Welt begeistert, kündigt das Quartett auf seiner Website “a very special show at London’s Wembley Stadium on 8th July next year, their only UK appearance and first headline show since 2015” an. Das ist bereits eine Sensation.

Denn seit dem 2015 ohne große Langzeitwirkung veröffentlichten, gleichwohl tollen The Magic Whip ist es um Blur recht ruhig geworden. Auch weil Frontmann Albarn mit etlichen Solo- und Kooperationsprojekten sowie seiner mega-erfolgreichen Cartoon-Band Gorillaz geradezu hyperaktiv unterwegs ist und die anderen drei Musiker ebenfalls andere Dinge vorziehen. Nun soll es für die gut gealterten Blur-Herren darum gehen, ihre “ikonischen und vielgeliebten Songs in der ersten Wembley-Stadion-Show überhaupt” zu präsentieren, so die Band vorab. Und wie sie das dann tun, ist inzwischen längst ikonisch.

Wer damals dachte, dass von diesen phänomenalen Londoner Abenden des 8. und 9. Juli 2023 nur schöne Erinnerungen bleiben werden, sieht sich mit dem Album Live At Wembley Stadium jetzt angenehm eines Besseren belehrt. Die auf zwei CDs und zwei beziehungsweise drei Vinyl-Platten festgehaltenen Stücke (bis zu 26) ergeben auch auf Tonkonserve eines der tollsten Konzerterlebnisse der vergangenen 20 bis 30 Jahre – mithin einen neuen Livemusik-Klassiker, der vorbildlich zeigt, wie ein fantastisches Publikum die Musiker auf der Bühne immer wieder zu Höchstleistungen anspornen kann.

Albarn/Coxon/James/Rowntree tanken so viel Energie durch den Jubel, dass der Sänger zeitweise nur noch “Oi, oi oi!” skandieren kann. Angefangen bei der punkrockigen Comeback-Single St. Charles Square, über ältere Britpop-Kracher wie Tracy Jacks oder Beetlebum, weniger bekanntes Material wie Trimm Trabb und Villa Rosie, bis zum London-Song Under The Westway erstreckt sich die erste Konzerthälfte. Auch im zweiten Teil feuern Blur in Höchstform eine Granate nach der anderen ab: Parklife, Song 2, This Is A Low, Girls And Boys und der herrliche Gospel Tender folgen Schlag auf Schlag.

Wer bis hierhin immer noch nicht wusste, dass Graham Coxon einer der besten Gitarristen der Rockmusik und Damon Albarn einer ihrer charismatischsten Sänger ist, kann sich nun davon überzeugen. Mit dem neuen Song The Narcissist (einem der stärksten der Bandgeschichte) und dem monumentalen The Universal endet ein atemberaubendes Konzert. Da es derzeit keine Signale gibt, ob Blur eine Zukunft haben – hier der Appell: Bitte unbedingt weitermachen!

Blur – Live At Wembley Stadium
VÖ: 26. Juli 2024, Parlophone
www.blur.co.uk
www.facebook.com/blur

YouTube video

Werner Herpell

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