COMMUNICANT – Harbor Song


Foto-© Marjolyn Megaloudis

When the morning came today
I looked before I walked away
From the wreckage washed ashore
Bigger than it was before

And I thought back years ago
Before I seemed to domino
In a way You coundn’t see
But I see traces through the leaves

A dawn that’s larking through the trees
The day that I will be released

(Communicant – The Day)

Zufallsentdeckungen sind ja oft die schönsten. Und Dylan Gardner aka Communicant ist so eine. Ich muss gestehen, dass ich von diesem 28 Jahre alten Singer-Songwriter und Multiinstrumentalisten, der schon 2014 eine erste Soloplatte herausgebracht hat (alles frisch draufgeschafftes Internet- und Wikipedia-Wissen…), bis vor kurzem noch nie etwas gehört habe.

Und eigentlich kenne ich mich mit Singer-Songwriter-Musik – speziell wenn sie Richtung Lennon/McCartney, Brian Wilson, Harry Nilsson oder Elliott Smith tendiert – ganz gut aus. Womit die stilistischen Koordinaten dieses begnadeten Musikers einigermaßen genannt wären. Als “Soulful Psych Pop” bezeichnet Gardner selbst seine wunderbar eklektische Mixtur.

Nun also Harbor Song, das zweite Album des 1996 in Aurora/Illinois geborenen Sängers, Gitarristen, Pianisten und Produzenten im noch relativ jungen Projekt Communicant. War das Debüt Sun Goes Out von 2021 (ebenfalls erhältlich auf Bandcamp) von Dylan Gardner, seinem Bruder Mark an den Drums und weiteren Bandmusikern stark Beatles-fixiert, so strebt man jetzt nach mehr Eigenständigkeit und aktuelleren Einflüssen.

Spurenelemente toller Indiepop-Bands wie Spiritualized, Tame Impala, The Flaming Lips, MGMT oder Vampire Weekend lassen sich hier ebenso ausmachen wie die großen Vorbilder aus den 1960er oder 1970er Jahren. Und dennoch klingt dieses Album nie öde epigonal, sondern in seiner verspielten, manchmal auch verkifften Melodieseligkeit einfach nur bezaubernd.

“I saw an opportunity to create something bigger, something beyond just me. Like from Matty Healy to the 1975, from Thomas Mars to Phoenix”, sagt Dylan Gardner über seinen Weg vom Solokünstler zum Bandleader bei Communicant. “It was that image I had in my head and with the impulsive decisions I’ve been living my life by lately, I chased that dream.” Dass Hochbegabte auch in ihren künstlerischen Ambitionen hoch hinaus wollen (sogar müssen), hatte voriges Jahr der in Berlin lebende US-Singer-Songwriter Grimson mit seinem ersten, auch hier abgefeierten Album Climbing Up The Chimney unterstrichen, dessen Sound sich mit Harbor Song durchaus vergleichen lässt.

Doch bekanntlich nicht immer gelingt dann auch ein großer Wurf. Communicant-Songs wie die Vorab-Tracks The Day, Dream State oder Controller hingegen sind auf Anhieb großes Kino mit perlenden Klavier-Parts, psychedelischen (Streicher/Bläser-)Arrangements und dieser leicht trägen, traumverlorenen, melancholischen Stimme von Dylan Gardner. Das vielleicht allerbeste von elf fabelhaften Liedern ist Annabella mit einem leierndem Mellotron und einer zum Niederknien schönen Melodie, auf die sogar Paul McCartney oder der große Filmsong-Komponist Jon Brion stolz sein könnten.

Auch inhaltlich führt uns Dylan Gardner in anspruchsvolle Gefilde. Die Texte spiegeln “persönliche Reflexionen (…), die sich während Phasen des Lockdowns und der Isolation kristallisierten”, so beschreibt es die Label-PR: Sehnsucht und Verlust (Annabella), die Suche nach Trost und Hoffnung in Zeiten der Einsamkeit (Saint Allison), die Auswirkungen von Krieg auf das individuelle und kollektive Bewusstsein (Normandy).

“I wanted the record to be warm on the ears”, sagte Gardner bereits über das Communicant-Debüt. Dieses Ziel hat er mit Harbor Song nun noch glanzvoller erreicht: ein veritables “Kopfhörer-Album” (weil es so verdammt gut klingt) und ein neues Aushängeschild des Neo-Psych-Pop. Auf die weitere Karriere des frühreifen Supertalents darf man sehr gespannt sein.

Communicant – Harbor Song
VÖ: 05. Juli, erhältlich via Bandcamp oder Künstler-Homepage
www.communicantband.com
www.facebook.com/communicant

YouTube video

Werner Herpell

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