IMAGINARY – Filmkritik


Foto-© LEONINE STUDIOS

Every culture has a name for it, we call them imaginary friends.

(Gloria – Imaginary)

Jessica (DeWanda Wise) ist an sich super happy in ihrer Patchwork Familie mit Max (Tom Payne) und seinen zwei Töchtern Alice (Pyper Braun) und Taylor (Taegen Burns) angekommen. Aber irgendwie lassen sie panikhafte Alpträume um ihren Vater nicht los. Abhilfe soll der Umzug in das alte Haus ihrer Familie schaffen, was zunächst auch funktioniert. Die Alpträume sind weg und auch die Mädels scheinen gut in der neuen Umgebung anzukommen. Bis Chauncy, der imaginäre Freund von Alice, zusehends Gewalt über das junge Mädchen auszuüben scheint.

Regisseur und Drehbuchautor Jeff Wadlow erfindet mit Imaginary das Horrorrad nicht gerade neu. Wenig überraschend werden viele denken, denn man kann den Film schnell als eine Blumhouse-, PG-13-, Fließband-Produktion abtun. Das ist jedoch zu kurz gegriffen, denn nicht nur ist es der erste Blumhouse Horrorfilm seit einer ganzen Weile, der nicht auf einer bestehenden IP basiert und zweitens schleicht sich relativ schnell echter Grusel unter eure Haut. Gehen wir das Ganze mal an wie Alice, die von Chauncy auf eine Schnitzeljagd geschickt wird und zunächst viele schöne Dinge einsammeln soll. Alice bzw. ihre Darstellerin Pyper Braun ist da auch schon der erste große Pluspunkt, seit Drew Barrymore in Firestarter hatten wir kaum so charmante Kinderdarstellerinnen an unserer Seite im Horrorgenre. DeWanda Wise speilt zwar ebenfalls toll, aber Pyper Braun dominiert jede ihrer Szenen. Der nächste Pluspunkt ist der Anfang, es knallt direkt so richtig los und nicht wenige werden im Kino gleich ihr frisches Popcorn vor Schreck in die Luft geworfen haben. Was genau los ist, versteht man zwar nicht, aber genau darum geht es ja bei Horror auch. Die Effekte (subtil, mit wenig CGI) und das Design des Horrors sind ebenfalls sehr gelungen, überrascht kreativ und gruselt immer wieder. Neben CGI werden auch Klischees größtenteils vermieden. Wie Chauncies Liste hat aber auch diese eine düstere Kehrseite. Horrorveteranen werden sich, wie so oft, eine härtere R-Rated Version von dem Film wünschen. Auch wenn viele Klischees vermieden werden, werden dennoch vielleicht etwas zu viele Klassiker zitiert. Figuren handeln teilweise schon eher plotmotiviert, denn nachvollziehbar, dieser Plot selbst ist streckenweise sehr hanebüchen und das Ende liefert zu großen Teilen nicht das ab, was versprochen wurde, sondern dezent uninspirierten Horror-Standard.

All diese Kritikpunkte sind jedoch ebenfalls Horror-Standard-Kritik, die sich auch viele Klassiker gefallen lassen müssen. All dem zum Trotz funktioniert Imaginary eben gerade als Horrorfilm richtig gut. Irgendwie hat Regisseur Jeff Wadlow Pech: sein letzter Blumhouse-Film Fantasy Island (2020) floppte weil es kein Horror war, dieses Mal meckern alle, dass es Standard Horror ist. Fans dürfen und sollten aber durchaus zugreifen, ob Standard oder Oldschool müsst ihr dabei selbst entscheiden. Ebenso sollten die oft zitierten Horroreinsteiger, die eben nicht schon alles gesehen haben, einen Blick riskieren.

Imaginary (USA 2023)
Regie: Jeff Wadlow
Besetzung: Taegen Burns, DeWanda Wise, Pyper Braun, Betty Buckley, Tom Payne
Heimkino-VÖ: 28. Juni 2024, LEONINE Studios

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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