Foto-© Luke Temple and The Cascading Moms)
The air was warm with the fever
Fruit trees are letting the children fall
Summer of labor in a blink is all it takes
For the fruit to lay wasted
I can dream, dream about loving you
endlessly
dream about you being made for me
Almost ever green shows with my dreams
(Luke Temple and The Cascading Moms – I Can Dream)
Es hat was von musikalischer Persönlichkeitsspaltung oder karrieretechnischem Hakenschlagen, was Luke Temple seit fast 20 Jahren macht. Immer wenn man ihn zu greifen bekommen könnte, ist er schon wieder woanders, hat flugs die Identität als Songwriter oder Bandleader geändert. Unter seinem (mutmaßlichen) Geburtsnamen brachte der Mann aus dem US-Bundesstaat Massachusetts seit 2005 ebenso Platten heraus wie als Art Feynman, unter dem Moniker Here We Go Magic oder – damit sind wir in der Gegenwart angelangt – im aktuellsten Projekt Luke Temple and The Cascading Moms.
Das zuverlässig Gute an dieser rastlos-unruhigen Veröffentlichungspolitik: Die Alben sind immer mindestens solide, oft herausragend. Certain Limitations liegt nun irgendwo dazwischen. Wobei Luke Temple hier mit einem quirky Sophisticated-Pop-Ansatz grundsätzlich überzeugt – die Platte bleibt allerdings unglücklicherweise in einem besonders langen Schatten stecken, weil sein vorjähriges Meisterstück Be Good The Crazy Boys noch zu frisch und einfach nicht zu toppen ist. “Das vielleicht beste, ganz sicher aber das tanzbarste Artpop-Album des Jahres”, hieß es dazu im vergangenen November in unserer Review.
War Be Good The Crazy Boys von Luke Temple alias Art Feynman noch ein extrem grooviges Werk mit Anklängen “an die Talking Heads in ihrer afrobeat-infizierten, punkfunkigen ‘Remain In Light’-Phase, den stilistisch frei drehenden David Bowie der mittleren/späten 70er Jahre oder die (davon inspirierten) frühen Arcade Fire”, so liegen die Dinge jetzt bei Certain Limitations ein bisschen anders. Funk, Afrobeat und Jazz sind zwar auch hier im Mix enthalten, aber insgesamt ist die Platte teilweise zu cool konstruiert und produziert, um das Herz dieses Hörers zu erobern. Manchmal klingen Luke Temple and The Cascading Moms dann so intellektuell wie Steely Dan in den späten 70ern (Aja, Gaucho), auch der (tolle) Schlaumeier-Soul und -Westcoastpop des Briten Lewis Taylor fällt mir dazu ein.
Was Temples typischen Falsett-Gesang und die Virtuosität seiner Band betrifft, gibt es natürlich wieder nichts zu meckern. Schon der Opener und Titelsong ist ein kühnes Jazz-Rock-Juwel, auch danach wird Cleverness groß geschrieben. Church Street und I Can Dream brillieren im Midtempo mit prächtigen Vokal-Arrangements. Bisweilen, etwa im abgedrehten Second Half, verliert sich die Band aber auch in der schieren Lust an Tempowechseln, Breaks und instrumentaler Muskelprotzerei – wie Prince in den 90er- und Nuller-Jahren.
The Cascading Moms kamen als neue Band von Luke Temple zusammen, als dieser Begleiter für eine Live-Show brauchte. Er rekrutierte seinen Art-Feynman-Kollegen Kosta Galanopolous und Doug Stewart, einen Musiker aus Los Angeles, der seit einiger Zeit im Bandprojekt Brijean spielt (das übrigens am 12. Juli mit Macro ebenfalls ein neues Album herausbringt). Eine frühe Version der Leadsingle I Can Dream erschien auf Feynmans vorletztem Studiowerk Half Price At 3:30, die Überarbeitung hauchte dem Track neues Leben ein.
“Diese Neuerfindung veranschaulicht das Kernkonzept von ‘Certain Limitations’: eine Sammlung von Songs, die durch die Improvisationen und den kollaborativen Geist dreier Musiker, die eine neue Klangwelt erschaffen und erforschen, verfeinert und umgestaltet wurden”, schreibt das Label Western Vinyl. Hin und wieder blieb dabei die Zugänglichkeit der Musik auf der Strecke, aber insgesamt ist auch diese Temple-Platte eine lohnende Ergänzung seines in unterschiedlichsten Farben schillernden Katalogs.
Luke Temple and The Cascading Moms – Certain Limitations
VÖ: 12. Juli 2024, Western Vinyl
www.facebook.com/LukeTempleMusic
www.westernvinyl.com/artists/luke-temple