ABIGAIL – Filmkritik


Foto-© Universal Pictures

I’m sorry about what’s gonna happen to you.

(Abigail – Abigail)

Eine zusammengewürfelte Truppe von Tunichtguten wird beauftragt, ein kleines Mädchen nach ihrem Ballettunterricht zu entführen, um ihren reichen Vater auf Lösegeld zu erpressen. Doch nachdem sie in dem abgelegenen Anwesen angekommen sind, in dem sie auf das Lösegeld warten sollen, bröckelt schnell der Zusammenhalt der Gruppe. Zunächst aus Angst vor Rache des einflussreichen Vaters, dann aus Angst vor der kleinen Ballerina, die wesentlich weniger wehrlos, als zunächst angenommen, zu sein scheint…

Das Regieduo Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillet, besser bekannt als Radio Silence, liefern nach den jüngsten Scream– Filmen und Ready or Not erneut das ab, was sie perfekt beherrschen. Smarten Horror, mit schwarzem Humor, auf den Punkt inszeniert, klassische Horrorthemen modern aufbereitet und à la Scream auch noch mit einem tollen Ensemble. Anders als bei den üblichen Slashern, werden euch die Figuren hier schnell ans Herz wachsen. Schauen wir uns also zunächst ein paar der schrägen Vögel genauer an. Melissa Barrera kommt nach Scream V und VI als toughe Protagonistin (mit Herz) „Joey“ daher, wären da nicht ihre problematischen politischen Aussagen, das wäre sicher ihr endgültiges Sprungbrett zur Scream Queen geworden. Kathryn Newton, die eben noch als Lisa Frankensteins Monster zum Leben erweckt hatte, spielt die sexy Goth-Hackerin „Sammy“. Dan Stevens toughen Ex-Cop „Frank“ werdet ihr lieben zu hassen. Kevin Durands „Peter“ hingegen werdet ihr umarmen wollen. Der Hüne hat die Zeit seit seiner letzten Vampirjagd in Guillermo Del Torros The Strain wohl konstant im Fitnessstudio verbracht und kommt extra buff aber auch extra lieb und unbedarft (erstmals mit seinem echten Quebec Dialekt) daher. Ach ja, Vampire… anders als bei From Dusk Till Dawn war Radio Silence von Anfang an klar, dass außer den Protagonisten niemand in den Film gehen wird, ohne zu wissen, was Abigail in Wirklichkeit ist. Anstatt dem nachzutrauern, spielt das Duo von Anfang an mit dem Wissensvorsprung des Publikums, die somit Teil von Abigails Scharade wird. Auch deshalb steht und fällt der Film mit der Performance der jungen Alisha Weir, die Abigail in dem Film verkörpert. Ein absoluter Glücksgriff. So war zwar von Anfang an klar, dass die Kleine sich für Ballett interessieren soll, aber die vollumfängliche Vampirballerina wurde sie erst, als sich überraschenderweise herausstellte, dass die junge Dame schon von klein auf Ballett trainiert. Ein ebenso absoluter Glücksgriff ist, wie schon bei Ready or Not, das Herrenhaus, in dem gedreht wurde. Anstatt dieses komplett im Studio zu kreieren, wurde der Großteil „On Location“ im Glenmaroon House in der Nähe von Dublin gedreht und das spürt man. Viel realer als für die lockere Horrorkomödie nötig, fühlt man einfach das Alter und die Schwere des Anwesens. Gerade durch dieses professionell realistische Inszenieren, kommt der überdrehte Horror richtig zur Geltung. Anstatt unpassend zu wirken, greifen die Elemente perfekt ineinander, ein bisschen wie gesalzene Karamell-Schokolade.

Wo wir beim Essen sind, eine Entwarnung an alle mit schwachem Magen. Lasst euch nicht von dem Gerede darüber, dass unglaublich viel Blut in dem Film fließt, abschrecken. Es wird blutig, aber es bleibt lustig und leicht verdaulich. Auch hier stimmt die Abmischung, denn der Film will am Ende beides, unterhalten und gruseln. Das zu erreichen ist gar nicht so einfach, aber das Radio Silence-Duo versteht, dass man hierfür den Horror zunächst ernst nehmen muss, um dann Spaß damit zu haben. Und den werdet ihr mit Abigail zweifelsohne haben, genauso wie sie ihn mit ihren Opfern hat.

Abigail (USA IRL CAN 2024)
Regie: Matt Bettinelli-Olpin, Tyler Gillet
Darsteller: Melissa Barrera, Dan Stevens, Alisha Weir, William Catlett, Kathryn Newton, Kevin Durand, Angus Cloud, Giancarlo Esposito
Heimkino Release: 25. Juli 2024, Universal Pictures

YouTube Video

Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

Mehr erfahren →