FONTAINES D.C. – Romance


Foto-© Simon Wheatley

Did you know
Cities on return are often strange?
Yeah, and now
Every time you blink, you feel it change
And it’s been
A long, a long, a long, a long, long-long
You’ve been my
Favourite for a while

(Fontaines D.C. – Favourite)

„Romance is dead”, wird sicherlich seit mehr als zweitausend Jahren beklagt. Doch mitnichten. Es ist auch 2024, nach unzähligen Netflix-Serien und elf Taylor-Swift-Alben noch möglich, über Liebe und Romantik zu sprechen und zu singen. Und so widmen sich auch Fontaines D.C. nach den nicht weniger kleinen Themen Heimat und Abschied ihrer letzten Alben mit ihrer vierten Platte ganz der „Romance“.

Es passt etwas zu gut, dass das die Band um Grian Chatten mit diesen elf Songs erstmals sanftere, atmosphärische Töne anschlägt. Nicht ganz ein Imagewechsel, aber schon ein neuer Spin, nachdem A Hero’s Death (2020) und Skinty Fia (2022) die Iren in der ersten Reihe europäischer Rockbands etabliert hatten. Von Anfang ist es den Fontaines gelungen, diese schwer erreichbare Doppelbegeisterung bei Kritikern und dem Publikum auszulösen. Nachdem das Erfolgsrezept – in leichten Abwandlungen – drei Mal gezogen hat, wird es nun Zeit für etwas Neues.

Das wird direkt mit dem Opener Romance klar. „Maybe romance is a place”, singt Grian Chatten in diesem düsteren Intro, das nie ganz ausbrechen will. Aus der dröhnenden Klangkulisse scheint Hans Zimmer zu grüßen. Kombiniert mit der ungewohnt klaren Stimme Chattens ist es ein gelungener Auftakt. So richtig beginnt das Album mit der Single Starburster, die hervorragend produziert und in Höchstform performt mitreißt. Halb gerappt, halb gesungen wird von der Rastlosigkeit und Nervosität, die bis zur Panikattacke führt. Man spürt das Gefühl in den Strophen geradezu körperlich. Die plötzliche, sanfte Bridge, eine Art Atempause für den gepeinigten Sänger und der darauffolgende Cut zurück in die Realität: grandios.

Das Hin und Her zwischen Romance als Versprechen, als Ideal und als eine Dystopie, eine Drohung („I will be beside you – ‘til you’re dead“ singt Chatten im Titeltrack) prägt die ganze Playlist. Das funktioniert in unprätentiösen Rocksongs wie Here’s the Thing genauso wie in den 90er-inspirierten, luftigen Tracks Motorcycle Boy und Sundowner – dem ersten Song der Band, der nicht von Grian Chatten, sondern dem Gitarristen Conor Curley gesungen wird.

Der Widersprüchlichkeit ihrer romantischen Gefühle gehen die Iren auch auf Desire nach: Die Abmischung lässt das ganze wie einen Radiosong aus den 80ern klingen, der Break zur bisherigen Tracklist ist groß. Doch der Text macht die Überraschung wett, mit abstrakten und poetischen Zeilen: „Deep they’ve designed you, from cradle to pyre, in the mortal attire – Desire”

Es gibt kaum Tiefpunkte in diesen knackigen 37 Minuten. In the Modern World, vielleicht, das zeigt, was schiefgehen kann, wenn der Kitsch zugunsten des Punk aufgedreht wird. Zu unmotiviert gesungen, Musik und Text eher Füllmaterial („I don’t feel anything in the modern world“). Hall, Streicher, stürmische Kulisse, wenig dahinter.

Ansonsten wird über das Album hinweg die volle neue Bandbreite von Fontaines D.C. ausgespielt. Vom rohen Sound von Death Kink, das deutlich näher an den Punk- und Grunge-Einflüssen der Anfänge ist, bis zum völlig unerwarteten Favourite: Der Closer kommt locker-leicht daher, fast wie ein 2000er-Radio-Pop-Song, fügt sich aber vor allem thematisch super ein. Es ist ein emotionaler Ritt durch Nostalgie, Wiedersehen, Erinnerungen und Alte Liebe. Die Band sagt, der Song sei ihr – pun intended – ihr favourite unter allen, die sie bislang geschrieben haben. Und das lässt dann schon ein wenig aufhorchen.

Insgesamt gelingt den Fontaines nämlich mit Romance eine erfrischende Kombination ihrer besten Eigenschaften mit neuen Impulsen. Nur könnte ein größerer Schritt in die verlockende Ohrwurm-Ecke das ganze kippen lassen. Zu viel Sorge sollten wir davor allerdings nicht haben, denn noch scheinen die ehemaligen Dubliner Boys genügend eklektische Texte und wilde Ideen auf Lager zu haben. Dass diese auf der laufenden Welt-Tournee auch live fantastisch klingen werden, daran gibt es beim opulenten Sound dieser Platte keinen Zweifel.

Fontaines D.C. – Romance
VÖ: 23. August 2024, XL Recordings
www.fontainesdc.com
www.facebook.com/fontainesband

Fontaines D.C. Tour:
07.11.24 München, Zenith
08.11.24 Berlin, Ueber Eats Music Hall
11.11.24 Hamburg, Sporthalle
12.11.24 Köln, E-Werk – ausverkauft

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Phillip Kaeding

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