TINDERSTICKS – Soft Tissue


Foto-© Julien Bourgeois

You need a place to fall
I need a place to hide
I need a place to curl up inside
Oh, why?
Why’d you leave me, babe?
Why’d you leave me alone?

It’s moving inside me
It’s moving inside me now
Pulling on my strings, babe
And I’m dancing

So, don’t walk, run
Ride here on that train
Drive through the night
Just get here any way

(Tindersticks – Don’t Walk, Run)

Dass sich die manchmal so behaglich-träge vor sich hinnuschelnde Stimme von Stuart Staples auch für Soul eignet, ist schon seit längerem klar. Nach dem Comeback vor gut 15 Jahren mit The Hungry Saw haben die britischen Indie-Chamber-Pop-Giganten Tindersticks auf ihren Alben schon häufiger mit Aneignungen schwarzer Musik überrascht – aber noch nie so konsequent und nachhaltig wie jetzt auf Soft Tissue.

Ähnlich wie einst Kurt Wagner und Lambchop mit ihren an Marvin Gaye oder Al Green gemahnenden Sixties/Seventies-Soul-Epen, gibt Staples in den acht neuen Songs quasi durchgehend den beseelten Crooner. Und er singt jetzt auch viel deutlicher als früher, während seine Band ihn kongenial mit sanft wiegenden Rhythmen, Philly-Streichern und fetten Blaxploitation-Soundtrack-Bläsern umgarnt.

Die chamäleonartige Wandlungsfähigkeit seiner Tindersticks-Mitstreiter David Boulter (Keyboards), Neil Fraser (Gitarre), Earl Harvin (Schlagzeug) und Dan McKinna (Bass) würdigt der Frontmann mit zu Recht euphorisch lobenden Worten: “In this band, I think that there’s so much … I was going to say talent but it’s got nothing to do with talent, really, it’s about that desire, that need to reach for something and to go to places you haven’t been. And I feel that comes from everybody. I didn’t feel as though there was any kind of restriction about, or any dogma about, what this record could be, beyond where it takes us and what excites us.”

Das könnte nun lediglich PR-Sprech sein, den sich eine seit über 30 Jahren aktive Band halt so ausdenken muss vor der Veröffentlichung eines neuen Albums. Aber nein, im Fall von Soft Tissue ist der Hinweis auf die stetige, behutsame Erweiterung des eigenen Sounds nicht übertrieben. Und dann erst die acht Kompositionen an sich, diese samtigen Melodien und diese waidwund barmenden Vocals des Sängers, der vielleicht keine der ganz großen Stimmen der Popmusik besitzt, aber auf jedem Album erneut eine sehr eigene Performance abliefert.

Schon der Opener New World begeistert mit Bläserfanfaren (durchgehend grandiose Brass-Arrangements von Julian Siegel!) und einem geschmackssicheren, entspannten Soul-Reggae-Groove. Don’t Walk, Run erhöht anschließend die Dramatik und erinnert mit seinem Cinemascope-Klangbild an die berühmte Musik zu Seventies-Filmen wie Shaft (Isaac Hayes) oder Super Fly (Curtis Mayfield). Dass diese und auch die noch folgenden sechs Songs im spanischen Girona und nicht in Detroit, Memphis oder New York entstanden sind – man mag es kaum glauben, so sehr fühlt man sich hier in die pulsierenden Motown- oder Stax-Szenerien vor 50 bis 60 Jahren zurückversetzt.

Mit Soft Tissue zeigen die Tindersticks letztlich keine ganz neuen Songwriting- und Sound-Facetten – in Spurenelementen gab es so etwas bei ihnen durchaus schon mal. Aber selten klang ihre Musik so rund, so intensiv und auch so zugänglich wie auf diesem formidablen Album.

Tindersticks – Soft Tissue
VÖ: 13. September 2024, City Slang
www.tindersticks.co.uk
www.facebook.com/tindersticksofficial

Tindersticks Tour:
05.10.24 München, Prinzregententheater
06.10.24 Leipzig, Schauspielhaus
07.10.24 Berlin, Theater des Westens
13.10.24 Hamburg, Kampnagel

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Werner Herpell

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