38. FANTASY FILMFEST – Nachbericht

Vom 18.-25.09. war wieder das große (und großartige) Fantasy Filmfest in Frankfurt am Main (und leicht zeitversetzt in sechs weiteren Städten) in der Harmonie, unserem liebsten Arthouse Kino in Frankfurt, zu Gast. Zum nunmehr 38. Mal gab es reichlich Horror, Science-Fiction und andere Genrefilme aus der ganzen Welt auf die Augen.

Über die mainstreamigeren The Substance und das für uns eher enttäuschende Speak no Evil Remake berichteten wir bereits ausgiebig. In unserer Nachlese wollen wir euch nun noch ein paar der kleineren Filme vorstellen:

Zunächst wäre da Humanist Vampire Seeking Consenting Suicidal Person, der auf dem besten Weg ist, ganz groß rauszukommen. Obgleich sich die Moderatoren immer wieder bei dem Aufsagen des Titels verhaspelt haben, hat er mittlerweile einige Preise unter anderem auch beim diesjährigen Fantasy Filmfest, den vom Publikum verliehenen Fresh Blood Award gewonnen. Dabei sind Vampir-Filme ja so ein Sub-Genre, in dem, ähnlich wie beim Zombie-Film, immer mal wieder das Gefühl aufkommt, dass eigentlich langsam alles gesagt ist. Humanist Vampire Seeking Consenting Suicidal Person nimmt da gekonnt das unprätentiös minimalistische Konzept von „A Girl Walks Home Alone at Night“, mischt ein wenig westliche Teen Angst und eine gute Portion (schwarzem) Humor dazu und fühlt sich dabei sehr frisch an. Sasha (Sara Montpetit) ist der titelgebende Vampir, die keine Menschen töten möchte – ein bekanntes Konzept nicht erst seit Anne Rices Interview with the Vampire. Neu ist die Teenager-Perspektive, die verständnislosen Eltern, die rabiate Tante, das erste potentielle Opfer, welches das titelgebende Kriterium erfüllt, aber eben auch Potential für die erste Romanze in ihrem jungen Vampirleben mitbringt. Auf dem Papier der perfekte Companion-Film für Zelda Williams Lisa Frankenstein und dabei doch ganz anders, da komplett klassisch und subtil inszeniert. Wo Lisa uns knalligen 80er Style entgegen schickt, fühlt sich dieser nach zeitlosem französischem (der Film kommt aus dem Französisch sprechenden Kanada) Arthouse an und hat auch eher den Humor eines Die fabelhafte Welt der Amelie. Sehr speziell und sehr empfehlenswert und gerade deshalb der perfekte Film für ein Double Feature mit Lisa Frankenstein.

Ebenfalls sehr gut kommt Strange Darling weg. Ein Film, über den man sprechen möchte, aber über den man nichts sagen sollte, außer: schaut ihn euch an. Die Geschichte eines Serienmörders in sechs Kapiteln plus Epilog, wobei die Kapitel nicht chronologisch abgearbeitet werden. Das Ganze im amerikanischen Hinterland und inspiriert von realen Begebenheiten. Das sagt halt alles und nichts… kann als Film gut sein, kann für “Fans” sein, kann nix sein oder kann und ist einfach ein absolutes Brett und für mich klar der beste Film des diesjährigen Fantasy Filmfests und ich mag die Art Film nicht einmal. Aber das Schauspiel ist auf den Punkt, die minimalen Dialoge extrem smart, die Action hart und mitreißend, ebenso wie der Soundtrack. Und ein bisschen Humor ist sogar auch noch drin. Zwischen all dem Entsetzen gibt es eine Sequenz, in der das ganze Kino total organisch zum Lachen gebracht wurde. Und dann fangen auch noch plötzliche die Storystränge an, zusammen zulaufen… man fängt an das Gesehene und Gedachte zu hinterfragen… und zu denken, was wäre wenn…? Klare Empfehlung für alle. Jedes einzelne Element hier reicht aus, den Film sehenswert zu machen und auch ohne Twists würde das locker reichen. Der Film wird sicher von vielen missverstanden und schlimmer noch, für die falschen Dinge gefeiert werden. Das mag kontrovers sein, aber die Qualität steht über allem und wann wird denn Kunst nicht missverstanden.

Noch weniger zugänglich gibt sich Azrael, auch wenn es zunächst vielleicht nicht so scheint. Sieht aus wie The Last of Us, ist vom Plot her aber eher Silent Hill 3. Die Postapokalypse trifft auf Okkultisten und diese dann auf Samara Weaving. Zurück aber zunächst zum Beginn, der Postapokalypse, der Rapture, denn im Zuge dieser hat ein Großteil der verbliebenen Menschheit beschlossen, auf die Sünde der Sprache zu verzichten. Ein Glück dann, dass uns mit Regisseur E.L. Katz jemand auf diesen Trip schickt, der unter Mike Flanagan bei The Haunting of Bly Manor schon Horror-Erfahrung sammeln und ein Gespür für eben dieses Genre beweisen konnte. Wenn dann auch noch Samara Weaving diejenige ist, die vor den Okkultisten zunächst flieht, um sich dann doch mit ihnen anzulegen, klingt das schon nach einem Trip, auf den man sich einlassen möchte. Mit 85 Minuten stimmt auch die Länge, denn auch wenn viele Metaphern und Bilder zum Analysieren und Interpretieren einladen, viel sagen und tiefgründig erzählen kann man ohne Sprache eben nicht. Viel länger würde man die extrem harte Action und den erbitternden Kampf ums Überleben auch nicht aushalten. Je nach persönlichem Geschmack würde entweder euer Magen oder eure Suspension of Disbelief das nicht mitmachen. So ist man am Ende in jeder Hinsicht erleichtert, dass man den Film überstanden hat und war auf dem Weg dahin auch noch bestens und größtenteils atemlos unterhalten.

Zum Abschluss noch was Leichtes, wenn auch nicht leicht Verdauliches. Bei einem Film namens Scared Shitless über eine Zwei-Generationen Klempner Familie, die in einem Apartment-Komplex mutierte Würmer aus den Klos vertreiben, erwartet niemand ein tiefgründiges Charakterdrama. Kriegt man auch nicht, aber dennoch fallen zunächst die sympathischen Figuren besonders auf. Der Papa mit seiner „Can Do“-Attitüde im Kontrast zu dem an Mysophobie leidenden Sohnemann sind einfach ein herrliches Duo. Dazu kommen die quirlige, Loveinterest-Rezeptionistin und ein paar verschrobene ältere Bewohner. Echten Schrecken sucht man vergeblich, ein wenig echten Ekel und eine gute Portion Blood & Gore bekommt man jedoch. Vor allem bekommt man einiges zu lachen und gute handgemachte Effekte rund um einen Wurm, der ein wenig an das Monster aus Deep Rising erinnert. Nur kleiner und eben ein wenig beschissener.

Daneben muss noch das Drama A Different Man erwähnt werden, der sicher auch hierzulande die Arthouse Kinos erobern wird und Twilight of the Warriors: Walled In ein klassischer Hong Kong Actioner, der Kultpotential mitbringt.

So war das Festival eine echt runde Sache, mit klassischen Monstern und Geschichten, aber auch Innovation und Mut zu Neuem. Und beides sowohl aus dem englischsprachigen Raum und nahe dem Mainstream wie auch aus der internationalen Nische. Also merkt euch schon mal die Fantasy Filmfest White Nights Ende Januar / Anfang Februar 2025 vor.

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Malte Triesch

Malte wuchs im idyllischen Lilienthal, direkt an der Grenze zu Bremen, der schönsten Stadt im Norden Deutschlands, auf. Seine frühesten Film-Erinnerungen ist, auf dem Schulhof in der neusten TV Movie alles anzustreichen was gesehen und aufgenommen werden muss. Da die Auswahl an Horrorfilmen hier doch recht be- oder zumindest stark geschnitten war entdeckte er Videotheken für sich bzw. seine Mutter, da man diese ja erst ab 18 betreten durfte. Wenn er nicht gerade Filmreviews schreibt ist er wahrscheinlich im (Heim-)Kino oder vor dem Mikrophon für den OV Sneak Podcasts, SneakyMonday.

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