AMYL AND THE SNIFFERS – Cartoon Darkness


Foto-© John Angus Stewart

You are ugly all day, I am hot always
You are just a critic and you want to hit it
You are fucking spiders, I am drinking riders.

(Amyl & The Sniffers – Jerkin’)

Wie hat das doch gleich mit Rock aus Australien angefangen? Beim Verfasser dieser Zeilen mit Midnight Oils Album 10,9,8,7,6,5,4,3,2,1. Eine Meisterleistung für Freunde von Noise Rock, Post-Punk, Hard Rock und Agitprop, erfrischend anders als alles Vergleichbare aus dem Rest der Welt. Nicht gerade geringen Anteil daran hatte Nick Launay. Der englische Produzent hat die Fühler seit 1980 konstant am Puls der Zeit. Früher waren Public Image Ltd, Killing Joke oder Gang Of Four bei ihm im Studio, zuletzt entstand unter seiner Regie das wohl beste Album von Idles, Joy As An Act Of Resistance. Seine Verbindung zu Australien steht seit Jahrzehnten, auch durch die Zusammenarbeit mit Nick Cave in verschiedenen Konstellationen seit den glorreichen Zeiten von The Birthday Party.

Nun sind Amyl And The Sniffers aus Melbourne dran. Bei ihnen geht’s fix: Poppers rein, Zunge raus, ab geht der Punkrock. Sängerin Amy Taylor haut rein, eckt an, gibt Gas, wie es sich für diese Musikrichtung gehört. Aber sie hat auch Substantielles zu sagen. In Gacked On Anger ist sie wie betäubt vor Wut, beklagt sie das Leben am Existenzminimum und die Unmöglichkeit, anderen Leuten zu helfen. Dieser Song ist fünf Jahre alt. Die Band hätte es sich einfach machen und auf die Wiederholungstaste drücken können. Aber sie hat es nicht getan, thank fuck.

Launay begrüßte Amy und die Schnüffler im Studio 606 der Foo Fighters. Das ist für diese Rasselbande jetzt die Größenordnung. Sie sind kein regionales Thema mehr, sondern international begehrte Reißer, an der auch ein Dave Grohl seine Freude hat. Gerne überließ er ihnen die komfortablen Räumlichkeiten in Los Angeles für die Aufnahmen zu Cartoon Darkness. Die Band agiert ob dieser Zuneigung nicht gehemmt. Im Gegenteil, sie knallt im Einleiter Jerkin’ ohne Umschweife vor den Latz. Alles bloß Wichser, speit Amy in Richtung derer, die beim Gedanken an sie und ihr selbstbewusstes Auftreten online auf Hass schalten. „They like on my outfits and hate my success, I am the top bitch, I am the best yet, don’t wanna be stuck in that negativity“, diktiert sie klar und deutlich. „I just wanna wear my bikini, I just wanna wear my shorts, there’s too many snags at the party…ooh you think the world is not man enough?“, stichelt sie in Tiny Bikini. Sie zeigt, was sie hat. Verklemmt geht anders.

In Doing In Me Head wiederholt Amy den Titel wie im Schlachtruf, der Hintergrund ist ernst: „Weather’s changed up so fast, driving head first to natural disaster…data brightens up my screen, the outrage connects big tech.“ Danach resümiert sie in Pigs ernüchtert, dass wir alle im Angesicht von Krieg, Kapitalismus und Klimastress bloß arme Schweine sind. Der Sound erinnert hier an die großartigen Radio Birdman. Das ist dieses Mal nicht die Regel. Auf dieser Platte hört sich einiges nicht nach Punk an. Der Groove in U Should Not Be Doing That geht schwer in die Beine, das Saxofon ist geil und natürlich freut man sich über Amys Vorstoß in die Feuchtgebiete auf dem Cover. Freches Ding. Big Dreams und Bailing On Me sind sensibler, es dominieren Gefühl und Melodie. Damit hat man gar nicht gerechnet, aber es funktioniert.

Zum Schluss jubelt Amy in Me And My Girls darüber, was für einen Spaß die Mädchen haben, während die Jungs bloß blöd, hässlich und langweilig sind. Dazu rappt sie ein bisschen und singt jemand in den Vocoder. An dieser Stelle merkt man endgültig, dass unsere Brat-Barbie und ihr Anhang ganz schön variabel geworden sind. Sie vermöbeln auf diverse Weise, mal laut, mal leise. Launay hat seinen Teil dazu beigetragen, er produziert nie über, macht nichts banal, fördert Entwicklung. Hier stimmt einfach alles. Cartoon Darkness ist das Rock-Album des Jahres und der nächste große Schritt der Band auf dem Weg zum Weltruhm. Dass die deutschen Live-Shows im November alle schon ausverkauft sind, sagt alles. Hey ho, let’s go.

Amyl & The Sniffers – Cartoon Darkness
VÖ: 25. September 2024, Rough Trade Records
www.amylandthesniffers.com
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